"Ein allgemeines Recht auf Homeoffice wird es nicht geben"
Die SPD will ein Recht auf Heimarbeit durchsetzen, die Union ist dagegen. Peter Weiß, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, sagt warum. Zudem spricht er über die Zusammenarbeit mit der SPD und den Wettkampf um den CDU-Vorsitz
Herr Weiß, im Koalitionsvertrag haben Union und SPD vereinbart, mehr Spielraum für Familienzeit zu schaffen. Ein Recht auf Homeoffice sei da mehr als überfällig, sagt nun die SPD ("Homeoffice darf nicht nur das Privileg einiger weniger bleiben"). Was halten Sie von den Plänen Ihres Koalitionspartners?
Peter Weiß: Eines ist klar: Ein allgemeines Recht auf Homeoffice wird es nicht geben.
Warum nicht?
Peter Weiß: Wie soll der LKW-Fahrer oder die Krankenschwester von Zuhause aus arbeiten?
Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) wäre Heimarbeit bei 40 Prozent der Jobs grundsätzlich möglich. Der Plan der SPD: All jene Arbeitgeber, die Homeoffice ablehnen, müssten künftig beweisen, dass es in ihrem Betrieb nicht möglich ist.
Peter Weiß: (Atmet tief aus) Die SPD will also zweierlei Arbeitsrecht schaffen, soso. Dann sollen die Damen und Herren uns mal ihren Entwurf vorlegen. Ich bin gespannt.
Ihre Kollegin Kerstin Tack von der SPD sagte uns, der Gesetzentwurf solle zwischen Ostern und Sommer präsentiert werden.
Peter Weiß: Wir kennen bislang keine Planungen der SPD oder des Arbeitsministeriums, die ein Recht auf Homeoffice regeln.
Im Koalitionsvertrag steht: "Wir wollen mobile Arbeit fördern und erleichtern. Dazu werden wir einen rechtlichen Rahmen schaffen"...
Peter Weiß: ... Richtig! Mobiles Arbeiten sollten wir ermöglichen, gerade in einer digitalisierten Arbeitswelt ist dies außerordentlich wichtig. Wo aber bitteschön steht etwas von einem allgemeinen Rechtsanspruch? Angesichts der Tatsache, dass in vielen Berufen Heimarbeit faktisch nicht möglich ist, halte ich derartige Vorschläge für abstrus. Für uns als Union steht fest: Für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer muss das gleiche Arbeitsrecht gelten. Alles andere ist mit uns nicht zu machen.
"Viel Bürokratie und kaum Kontrollmöglichkeiten"
Haben Sie noch weitere Bedenken?
Peter Weiß: Wenn man Homeoffice in größerem Umfang ermöglichen wollte, müsste ausgeschlossen werden, dass es sich zu einem System der Selbstausbeutung entwickelt. Es müssten viele Regeln gelten, Stichworte Arbeitszeit und Arbeitsschutz. Wie wollen sie das bei einem Heimarbeitsplatz überprüfen? Der Schutz der Privatwohnung steht ja über allem. Kurz: Viel Bürokratie und kaum Kontrollmöglichkeiten. Ich bin sehr gespannt, wie die Sozialdemokraten das alles regeln wollen.
Die SPD sagt, sie wolle all das mit dem Gesetz klarstellen und damit für Rechtssicherheit sorgen...
Peter Weiß: … (lacht) Da bin ich gespannt! Vor allem auf die juristische Einordnung.
Bereits heute könnten arbeitsvertragliche oder kollektivrechtliche Vereinbarungen mobiles Arbeiten regeln, heißt es.
Peter Weiß: Wir haben in Deutschland ein gutes System. Die Sozialpartner sind in der Lage, sinnvolle Vereinbarungen zu treffen; da sollten wir Politiker nicht reinreden. Ich traue jeder Branche und jedem Betrieb zu, so etwas sozialpartnerschaftlich selbst zu regeln. Die SPD übertreibt, indem sie - mal wieder - ein düsteres Bild unserer Arbeitswelt malt.
Ihr Koalitionspartner sagt, das Ministerium entwerfe lediglich ein rechtliches Gerüst und wolle anregen, dass Unternehmensleitungen und Betriebsräte oder Arbeitgeber und Gewerkschaften darüber sprechen, wie eine individuelle Vereinbarung aussehen könnte, damit Heimarbeit möglich werde.
Peter Weiß: Die tun ja gerade so, als gebe es heute kein Homeoffice. Dazu gibt es auch Vereinbarungen. Und genau darum wollen wir solche haben.
Nach Angaben des Arbeitsministeriums sind 12 Prozent der Arbeitnehmer bereits Heimarbeiter, zumindest ab und zu.
Peter Weiß: Ich gehe von einer höheren Zahl aus. Vieles wird individuell geregelt, je nach Arbeitsplatz und Arbeitssituation. Ich bleibe dabei, Betriebs- oder Tarifvereinbarungen sind der bessere Weg. Wie gesagt, ein allgemeines Recht zu etablieren, das für viele gar nicht gilt, halte ich für Unfug.
Welche negativen Folgen sehen Sie?
Peter Weiß: Ein Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung ist einfach besser. Und Anreize für mehr Homeoffice - das wollen wir auch.
Herr Weiß, gerade in Ihrem Feld, der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, haben die Sozialdemokraten in dieser Legislatur viele Akzente gesetzt. Fühlen Sie sich manchmal wie ein Getriebener der SPD?
Peter Weiß: Eindeutig nein. Jeder Koalitionspartner kann Vorschläge machen, wir machen ja auch welche. Insgesamt bin ich mit den Ergebnissen im Feld der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitikpolitik recht zufrieden. All das, was wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben, setzen wir um. Die meisten Vorhaben haben wir bereits in Gesetze gegossen.
Wie würden Sie den Umgang zwischen Union und SPD beschreiben?
Peter Weiß: Die Sozialdemokraten sind natürlich angesichts des Umfragetiefs in Bedrängnis. Mich überrascht daher nicht, wenn die Damen und Herren der SPD wöchentlich mit einem neuen Vorschlag um die Ecke kommen; stets in der Hoffnung, sie könnten damit eine Trendumkehr schaffen. Bislang hatten sie mit diesen Methoden keinen Erfolg. Das konnten wir sowohl bei den Landtagswahlen im Osten als auch bei der Europawahl sehen.
Auch Ihre Partei steckt in einem Umfragetief.
Peter Weiß: Das stimmt. Aber wie immer geht es nicht darum, Umfragen zu gewinnen, sondern Wahlen zu gewinnen.
Die Union liegt in den Umfragen derzeit nur noch drei Prozentpunkte vor den Grünen. Im Vergleich zur Bundestagswahl 2017 hat sie im nahezu gleichen Umfang Prozentpunkte verloren wie die SPD. Ist das auch eine Folge des Dauerstreits zwischen den Koalitionspartnern?
Peter Weiß: Der Streit schadet allen. Wir sollten dafür sorgen, dass unsere Arbeit wahrgenommen wird. Dann wird es auch besser.
"Die Partei hat sich in eine sehr schwierige Lage gebracht"
Kommen wir noch kurz zum Wettkampf um den CDU-Vorsitz. Hat es Sie überrascht, dass Armin Laschet und Jens Spahn ein Team bilden?
Peter Weiß: (Überlegt lange) Für mich war alles überraschend.
Sie klingen nicht begeistert.
Peter Weiß: Das bin ich auch nicht. Die Gesamtsituation ist nicht gut. Meine Partei muss achtgeben.
Sehen Sie die Gefahr, dass der Wettbwerb um den Parteivorsitz die CDU zerreißt?
Peter Weiß: Die Partei hat sich in eine sehr schwierige Lage gebracht. Die Ankündigung des Rückzugs von AKK hat mich überrascht, dieser Schritt wäre aus meiner Sicht nicht nötig gewesen. Vor dem Parteitag in Hamburg gab es einen intensiven Wahlkampf zwischen drei Personen. Und es gab ein Ergebnis. (Pause) Dass nun, nicht mal eineinhalb Jahre später, alles von vorn beginnt, ist alles andere als ideal, um es vorsichtig zu formulieren. Ich bedauere sehr, dass die Kandidaten sich nicht auf eine Teamlösung einigen konnten. Das wäre aus meiner Sicht der bessere Weg gewesen.
Warum?
Peter Weiß: Das Prozedere kostet viel Zeit, viel Kraft. Und das in einer Situation, in der wir uns den wirklich wichtigen Themen widmen sollten. Ob das Erstarken des Rechtsextremismus, die Zukunft der Automobilindustrie, internationale Konflikte, Migration - es gibt so viele Baustellen, die wir bearbeiten müssen, dass ich einen Wettbewerb um die Nachfolge von Annegret Kramp-Karrenbauer nicht mit schönen Worten kommentieren kann. Dieser innerparteiliche Wahlkampf bremst leider einiges aus. Ich stelle mir in diesen Tagen eher Fragen wie: Wie nutzen wir in der zweiten Jahreshälfte die deutsche EU-Ratspräsidentschaft, um Europa voran zu bringen?
Die CDU in Baden-Württemberg spricht sich für Merz aus. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther favorisiert das Duo Laschet und Spahn. Welchen der Kandidaten halten Sie für den geeignetsten?
Peter Weiß: Ich will zu der Personaldebatte nichts beitragen. Jeder muss es selbst wissen, ob es jetzt klug ist, sich in der Öffentlichkeit für einen Kandidaten auszusprechen.
Trauen Sie Friedrich Merz zu, die CDU zu einen und zu führen?
Peter Weiß: (Überlegt lange) Darum wird sich jeder der Kandidaten bemühen müssen.
Aber trauen Sie es ihm zu?
Peter Weiß: Das hängt davon ab, wie er sich in den kommenden Wochen präsentieren wird. Er kann das, wenn er die ganze Breite der Volkspartei CDU anspricht.