Ein goldenes Megafon für Elon Musk

Was "launcht" der als Nächstes? Elon Musk, hier bei seiner Firma Space X im Jahr 2021. Bild: NASA/Bill Ingalls

Der Milliardär will Twitter für 44 Milliarden US-Dollar aufkaufen und zu seinem Privatbesitz machen. Der Fall zeigt: Reichtum macht noch jeden Irrsinn möglich.

Zu Wochenanfang interessierte neben dem Ukraine-Krieg vor allem eine Frage: Darf Donald Trump demnächst wieder bei Twitter zwitschern? Am Montagmorgen kalifornischer Zeit ging die Meldung um die Welt, dass der Kurznachrichtendienst mit Sitz in San Francisco für rund 44 Milliarden US-Dollar den Besitzer wechseln und künftig dem exzentrischen Multimilliardär Elon Musk gehören wird.

Der verkauft den Deal als einen Triumph für die "globale Meinungsfreiheit", lehnt dauerhafte Verbannungen von der Plattform ab und glaubt, mit befristeten "Timeouts" bei Regelübertretungen wäre der guten Sache besser gedient.

Was läge also näher, als dem wegen seiner Rolle beim Sturm auf das US-Kapitol geschassten Ex-US-Präsidenten wieder freies Geleit beim Gift und Galle Spucken zu geben? Zumal Musk die Sperrung von dessen Konto seinerzeit scharf verurteilt hatte.

Aber aus dem von den Medien herbeigesehnten Eklat wurde nichts – zumindest vorerst. Er wolle gar nicht auf Twitter zurückkehren und halte seinem als Konkurrenzprodukt aufgebauten Netzwerk Truth Social die Treue, ließ der Republikaner ausrichten.

Nun muss man ihm das nicht abnehmen, schließlich entpuppt sich sein Eigengewächs bisher als kapitaler Flop mit technischen Tücken und kümmerlichen Nutzerzahlen. Auf dieser Basis erscheint die beschworene Rückkehr ins Weiße Haus jedenfalls ziemlich illusionär.

"Teuerste Fehleinschätzung"

Gleichwohl könnte Trumps vorläufige Absage der erste Dämpfer auch für Musks Ambitionen gewesen sein, mit Twitter in eine neue Ära durchzustarten und alles besser machen zu wollen "als jemals zuvor". Passend dazu stürzte dann auch gleich der Aktienkurs des Autobauers Tesla an der Wallstreet ab, nachdem der Twitter-Verwaltungsrat grünes Licht für die Übernahme gegeben hatte.

Spekuliert wird über Sorgen der Anleger, Musk könnte mit seiner neuesten Errungenschaft weniger Energie auf seine anderen Unternehmungen verwenden.

Auch hat die Twitter-Aktie nach einer kurzzeitigen Hausse Anfang April, als Musk mit dem Erwerb von rund neun Prozent der Anteile über Nacht zum größten Aktionär avancierte, sowie einem kleinen Kursprung am Montag wieder an Wert eingebüßt. Schon im zurückliegenden halben Jahr hatte die wegen der Verbreitung von Fake News und Hate Speech in die Kritik geratene Internetplattform erheblich an Börsenwert eingebüßt.

2021 schloss das Unternehmen mit einem Minus von über 221 Millionen US-Dollar ab. Dass es mit dem neuen Eigentümer wieder aufwärts geht, ist zumindest fraglich. So schrieb etwa Spiegel Online am Dienstag über Musks "möglicherweise teuerste Fehleinschätzung seines bisherigen Lebens".

Geldverdienen angeblich unwichtig

Vielleicht schrecken die Aktionäre auch dessen Einlassungen auf, das Geschäft drehe sich nicht um Geld, sondern darum, die Freiheit der Rede gegen Angriffe von Zensoren zu schützen.

Wobei er dabei wie gewohnt auf verbales Großgeschütz zurückgreift: "Mein starkes intuitives Gefühl sagt mir, dass eine öffentliche Plattform, die maximales Vertrauen genießt und eine breite Öffentlichkeit einschließt, extrem wichtig ist", äußerte er vor zwei Wochen, als er seine Absicht, Twitter aufzukaufen, erstmals öffentlich bekundete. "Es geht also um die Zukunft der Zivilisation, die wirtschaftlichen Aspekte sind völlig egal."

Das zu glauben, fällt schwer, wenn man sich das bisherige Geschäftsgebaren des Multiunternehmers mit südafrikanischen Wurzeln ansieht. Alle seine Projekte sind stets auf den maximalen Profit ausgerichtet.

Er gilt als Schleifer, der seine Beschäftigten mit Zuckerbrot und Peitsche zu Höchstleistungen antreibt. Vor allem paart sich sein knallharter Geschäftssinn mit einer Hybris, die ihn zu den aberwitzigsten und mithin gemeingefährlichen Unterfangen verleitet.

Gemeingefährliche Hirngespinste

Die Gründerzeit bei Paypal und die Erfolgsgeschichte des Herstellers von Elektrofahrzeugen Tesla gehören dabei noch zu seinen bodenständigsten Unternehmungen. Daneben engagiert sich Musk im Weltraumtourismus oder beim Aufbau eines erdumspannenden Superinternets, wofür er Zehntausende Satelliten ins All schießt, was nicht nur Hobbyastronomen den Blick ins All verleidet, sondern die Gefahr gewaltiger Kettenkollisionen im Orbit und womöglich einer Verschärfung der Klimakrise birgt.

Außerdem arbeitet Musk mit seiner Firma Neuralink an der Verschmelzung des Gehirns mit künstlicher Intelligenz zur Schöpfung fantastischer Maschinenmenschen, wobei er bei der Forschung an Affen bereits über Leichen gegangen ist.

Was Politik, Industrie und Medien gemeinhin als famosen Pioniergeist feiern, ist in Wahrheit das hemmungslose Ausleben fantastischer Hirngespinste, deren Umsetzung beziehungsweise Nichtumsetzung eigentlich eine umfassende Diskussion unter politischen, wissenschaftlichen und ethischen Gesichtspunkten vorausgehen müsste.

Dass eben dies nicht geschieht und man einen steinreichen und selbsternannten Weltverbesserer einfach alles tun lässt, was Geld alles möglich macht, ist der weit größere Skandal als die Vorstellung, Donald Trump könnte bei Twitter alsbald wieder Stimmung machen.

Steinreich und hemmungslos

Auf alle Fälle sollte man nicht allen, die jetzt mit dieser Aussicht Angst verbreiten, die große Rede von Demokratie und Rechtsstaat, die dadurch bedroht wären, Glauben schenken. Vielmehr fürchten hier gerade erst zu alter Stärke gelangte Eliten, ihr zurückgewonnenes Terrain könnte bei der US-Wahl in zwei Jahren wieder verloren gehen.

Viel alarmierender ist es, dass ein einzelner Erdenmensch – Musks Privatvermögen soll sich auf über 260 Milliarden US-Dollar belaufen – überhaupt in der Lage ist, sich mal eben im Vorbeigehen einen Social-Media-Riesen als persönliches Eigentum einzuverleiben, während Otto Normalverbraucher dieser Tage angesichts steigender Preise schon beim Griff nach einem Block Butter Bauchschmerzen bekommt.

Was der Tesla-Chef aus und mit seinem neuesten Coup und ober er aus Twitter für sich ein goldenes Megafon macht, bleibt abzuwarten. Dass er den Algorithmus offenlegen, automatisierte Spambots verbannen, sämtliche Profile realer Menschen als echt kennzeichnen und die nachträgliche Bearbeitung geteilter Inhalte ermöglichen will, klingt durchaus fortschrittlich.

Auch sein Plan, die Plattform von der Börse zu nehmen, könnte den Druck, jeden noch so abscheulichen Schund zu kommerzialisieren, ein Stück weit mindern.

Kapitalismus braucht Zügel

Aber natürlich ist auch unter diesen Bedingungen denkbar, dass "Desinformationen, Verschwörungserzählungen und digitale Gewalt" noch stärker als bisher verbreitet werden, wie etwa am Dienstag Anke Domscheit- Berg von der Bundestagsfraktion Die Linke warnte.

Dabei vergaß sie freilich zu erwähnen, dass Fake News und Verschwörungstheorien Kampfbegriffe sind, die ganz flexibel gegen alles und jeden ins Feld geführt werden können – auch gegen Linke, die mal nicht mit dem Strom schwimmen.

Ins Schwarze traf die Linken-Politikerin dagegen mit einer anderen Aussage:

Der Aufkauf einer globalen Kommunikationsplattform durch einen einzelnen Milliardär zeigt die Schwächen und Gefahren eines ungebremsten Kapitalismus. So ermöglicht purer Reichtum, der nur durch die Kombination von leistungsloser Erbschaft, Ausbeutung und Steuervermeidung überhaupt entstand, einen Einfluss darauf, wie wir kommunizieren, welche Informationen mehr Reichweite bekommen und welche ausgebremst werden.

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