Einig bei der Definition des Terrorismus

Die europäischen Justizminister wollen die Ausübung der Grundrechte nicht einschränken, aber halten an einer sehr weitgehenden Definition terroristischer Straftaten fest

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Die EU-Justizminister haben sich auf der Ratssitzung heute noch nicht auf den Rahmen eines europäischen Haftbefehls einigen können, aber offenbar eine Übereinstimmung über eine gemeinsame Definition des Terrorismus und der Strafen gefunden, zu denen EU-weit terroristische Straftäter mindestens verurteilt werden müssen.

Noch freilich scheinen alle Bedenken nicht ausgeräumt zu sein. Dänemark, Schweden und Irland sollen bei der Zustimmung des Kompromisses noch zögern, der für die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung eine Mindesthaftstrafe von 8 Jahren und für das Leiten einer terroristischen Vereinigung von 15 Jahren vorsieht. Die belgische EU-Ratspräsidentschaft hatte zunächst eine Mindeststrafe von 8 bzw. 20 Jahren vorgeschlagen, Deutschland forderte 5 bzw. 15 Jahre. Für alle anderen Straftaten gilt hingegen der Strafrahmen, der in der jeweils nationalen Gesetzgebung vorgesehen ist.

Nach dem angenommenen Dokument muss jedes Mitgliedsland die notwendigen Maßnahmen gegen die festgelegten "terroristischen Akte" ergreifen. Allgemein werden damit Straftaten bezeichnet, die "beabsichtigen, eine Bevölkerung ernsthaft zu bedrohen oder Behörden oder eine internationalen Organisation dazu zu zwingen, etwas Bestimmtes zu tun oder zu unterlassen, oder die fundamentalen politischen, verfassungsgemäßen, wirtschaftlichen und sozialen Strukturen eines Landes oder einer internationalen Organisation zu destabilisieren oder zu zerstören." (Die Europäische Union auf der Suche nach einer Definition des Terrorismus)

Neben Straftaten wie Mord, Entführung, Geiselnahme, Raub oder Besitz von Waffen gehört auch schon die Drohung zu der Liste der terroristischen Akte, "schwere Beschädigungen an staatlichen oder öffentlichen Einrichtungen, einem Transportsystem, einer Infrastruktur, wozu auch ein Informationssystem gehört, einer in der Erde befestigten Plattform, einem öffentlichen Platz oder einem Privateigentum zu verursachen, wodurch Menschenleben gefährdet oder ein beträchtlicher wirtschaftlicher Schaden hervorgerufen werden kann".

Mit einem weiteren Artikel soll sicher gestellt werden, dass mit diesem sehr dehnbaren Definition nicht Grundrechte eingeschränkt werden können. Die Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit soll nicht geschmälert werden, wozu auch das Recht auf Streiks und auf Demonstrationen gehört. Gegen Globalisierungsgegner oder Gewerkschaften soll also nicht im Rahmen der Terrorismusbekämpfung vorgegangen werden. Ob das damit tatsächlich verhindert werden kann, wird sich erst später herausstellen, schließlich wird dies auch davon abhängen, welche Gruppen man als terroristische Vereinigungen bezeichnet. Jetzt ist damit grundsätzlich eine Gruppe aus mehr als zwei Personen gemeint, die zu einer bestimmten Zeit gegründet wurde und die gemeinsam handelt, um terroristische Akte zu begehen. Damit soll ausgeschlossen werden, dass spontan und zufällig entstandene Gruppierungen beispielsweise auf gewalttätigen Demonstrationen, die nicht strukturiert und auf Dauer angelegt sind, unter diese Bezeichnung fallen können.

Bis zum 31. Dezember 2002 soll dieser Beschluss in die nationale Gesetzgebung umgesetzt werden. Weniger erfolgreich zeigten sich die Verhandlungen der Justizminister allerdings im Hinblick auf die Einführung des europäischen Haftbefehls. Bislang widersetzt sich die italienische Regierung, die für den Haftbefehl vorgesehene Liste von 30 Straftaten wie Mord, Entführung, Geldwäsche oder Korruption zu übernehmen. Vielmehr will sie die Liste auf die sechs Straftaten Terrorismus, Menschenhandel, Drogen- und Waffenschmuggel, sexueller Missbrauch von Kindern und Organisierte Kriminalität beschränken, so dass der Haftbefehl sich nicht auf Wirtschaftsdelikte wie Korruption oder Betrug erstreckt.

Die österreichische Regierung scheint inzwischen eingelenkt zu haben. Ursprünglich hatte sie die Auslieferung österreichischer Bürger grundsätzlich abgelehnt, weil dies gegen die Verfassung verstoße. Offenbar wurde ein Kompromiss erzielt, der vorsieht, dass Österreicher dann nicht an andere Staaten ausgeliefert werden, wenn sie ein Delikt begangen haben, das in Österreich nicht strafbar ist. Strittig sind auch noch die Festlegung der Mindeststrafe für Taten, für die der EU-Haftbefehl gilt, und die Frage, ob dieser rückwirkend eingeführt werden soll.

Morgen treffen sich die Innenminister in Brüssel, um unter anderem das Abkommen zwischen Europol und den USA über den Austausch von Informationen sowie den Ratsbeschluss über die ERweiterung der Befugnisse von Europol anzunehmen. Festgelegt werden soll auch eine Liste der terroristischen Organisationen, die für einen oder mehrere Staaten eine Bedrohung darstellen.