Einigung über EXPO-Defizit
Standortfrage soll schuld sein
Statt wie prognostiziert 40 Millionen Besucher werden bis zum Bergfest ca. 7.8 Millionen die Weltausstellung in Hannover besucht haben. Selbst wenn sich die wöchentlichen Besucherzahlen kontinuierlich erholen, scheint kaum noch die magische Grenze von den erwarteten 261.000 täglichen Besuchern erreichbar zu sein. Zur Zeit sind es rund 100.000 Besucher. Damit reißt jeder EXPO-Tag ein Loch in die erwarteten Einnahmen. Kenner gehen von einem Defizit zwischen 1.4 und 2 Milliarden DM aus, die nach den bisherigen vertraglichen Vereinbarungen je zur Hälfte vom Bund und vom Land Niedersachen aufgebracht werden müssten. Nun scheint es, dass der niedersächsische Ministerpräsident Gabriel mit Bundeskanzler Gerhard Schröder eine einvernehmliche Lösung zu Gunsten Niedersachsens vereinbart hat.
Ach, wenn du doch geschwiegen hättest. Wibke Bruhns, die Pressesprecherin der EXPO, brachte die Standortwahl Hannovers als erste öffentlich ins Gespräch. Nach einem Rundgang durch Hannover und einer Stippvisite inklusive Standpauke vom hannoverschen Oberbürgermeister musste sie sich in aller Form bei den Hannoveranern entschuldigen. Da sie in dem gleichen Bunte-Interview die Stadt Heilbronn in den gleichen provinziellen Topf geworfen hatte, sah man sich gezwungen, auch dort Abbitte zu leisten und schickte zwei PR-Leute der EXPO vor Ort. Sie überbrachten gleich noch 100 Freikarten nebst Freifahrt in die EXPO-Stadt. Entsprechend hämisch bedankten sich die Heilbronner für die Freifahrt nach Hannover und glauben nun ganz fest daran, dass es sich lohnt, ein Heilbronner zu sein. Zumindest "Dank Wibke" hat die EXPO zwei weitere Busladungen EXPO-Gäste.
Nachdem die ersten Wogen geglättet erschienen und man dachte, so viel Unprofessionalität gibt es nur einmal, tritt jetzt der nächste offizielle Vertreter ins Fettnäpfchen. Der EXPO-Aufsichtsratsvorsitzende Helmut Werner vertritt in einem Focus-Interview die Ansicht, dass es bequemer gewesen wäre, "die Expo in einer deutschen Millionen-Metropole mit einer starken natürlichen Anziehungskraft zu veranstalten". Aus der Onlinemeldung geht nicht hervor, um welche Millionenstadt es sich handeln soll, aber unter Journalistenkreisen wird offen "Berlin" favorisiert. Das liegt wohl auch an der Tatsache, dass die Tourismusbörse in Berlin ihren Standort hat und viele EXPO-Kritiker die Weltausstellung mit einer Reiseveranstaltung vergleichen.
In dem Interview räumt Werner auch Fehler bei der Vermarktung ein: "Wir hätten auf einen Werbe-Mix setzen sollen mit anspruchsvollen Elementen sowie der klaren Botschaft der Feldbusch/Ustinov-Spots: Die Expo bietet Spaß." Doch wenn man den neuen Werbespot sieht, kann man höchstens erahnen, dass Verona eine bestimmte Menge Kamele wert ist. Damit werden lediglich Vorurteile geschürt, aber keine Werbung für die EXPO gemacht. Kurz vor der Halbzeit ist eine derartige Standortdiskussion von offizieller Seite bestimmt nicht einträglich für die EXPO, die sich gerade daran gemacht hat, endlich für positive Schlagzeilen (EXPO weiterhin mit positiven Schlagzeilen) zu sorgen.
Einvernehmliche Lösung zu EXPO-Defizit
Einem Interview der Neuen Presse aus Hannover mit dem niedersächsischen Ministerpräsidenten konnte man entnehmen, dass er längst eine Einigung mit Bundesfinanzminister Hans Eichel und Bundeskanzler Gerhard Schröder erzielt habe. Nach der ursprünglichen Vereinbarung ist das Land Niedersachen so wie der Bund mit je 50 Prozent verpflichtet, ein EXPO-Defizit zu tragen. Ursprünglich war man von 400 Millionen DM ausgegangen. Aber die schlechten Besucherzahlen werden den Verlust deutlich höher ausfallen lassen. Die Schätzungen gehen von einem Betrag zwischen 1.4 und 2 Milliarden Mark aus. Laut Gabriel wird es für die anderen Bundesländern keine zusätzlichen Belastungen geben. Deren Anteil ist im Bundesbeitrag enthalten.
Mit einem Defizit haben auch andere Weltausstellungen bislang abgeschlossen. In Sevilla beschäftigen sich nach NTV-Angaben sogar noch die Gerichte mit den Auswirkungen der EXPO. Gewinne sollen angeblich in dunkle Kanäle geflossen sein. Der Verlust soll in Lissabon bei 700 Millionen DM und in Sevilla bei 450 Millionen Mark gelegen haben. Selbst die Zahl von 40 Millionen Besuchern wurde in Sevilla inzwischen revidiert, denn 20 Millionen Besucher bekamen kostenlose Eintrittskarten.
Einzelheiten wollte Gabriel allerdings zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bekannt geben, diese würde er erst am 1. November nach Abschluss der Weltausstellung verkünden. Er betonte, dass es wegen des Defizits zu keinerlei Einschränkungen im niedersächsischen Haushalt kommen werde. Ebenso deutete er an, dass der niedersächsische Anteil geringer als die Hälfte des Verlustes sein würde. Gabriel weiter: "Das fröhliche Fest feiern wir inzwischen aber trotz der Finanzdebatte".