Einrichtungsbezogene Impfpflicht verschärft Pflegenotstand

Seite 2: AfD macht es sich leicht

"Nahezu 100.000 Pflegekräfte" hätten im "Lichte des Impfzwanges" ihre Arbeit aufgegeben, kommentierte Wenzel Schmidt die Zahlen. "Statt den Pflegenotstand endlich ernst zu nehmen, verschlimmert die Regierung die ohnehin dramatische Situation noch weiter". Sein Fazit: Die rot-grün-schwarze Koalition sei "die größte Gefahr für eine sichere Versorgung".

Natürlich macht es sich der AfD-Politiker mit seinen Folgerungen sehr einfach. Wenn 96.000 Pflegerinnen und Pfleger nach Arbeit suchen, muss dies nicht bedeuten, dass sie davor ihren Job aufgrund der drohenden Impfpflicht an den Nagel gehängt haben oder wegen einer erklärten Weigerung, sich Vorgaben zu beugen, bereits entlassen wurden.

"Eine bereits erfolgte Kündigung ist damit nicht zwangsläufig verbunden", stellte dann auch die Regierung in ihrer Replik klar. Wenngleich Fälle bekannt sind, in denen Arbeitgeber widerspenstige Mitarbeiter schon vor Wirksamkeit des Gesetzes vor die Tür gesetzt haben, waren dies doch Ausnahmeerscheinungen.

Überhaupt lässt der Zeitraum der BA-Auswertung, Dezember 2021 bis Februar 2022, nur mit Einschränkungen Schlüsse zu, wie sich eine erst ab Mitte März geltende Neuregelung auf den Arbeitsmarkt niedergeschlagen hat. Es ist anzunehmen, dass das Gros derer, die sich einer Impfung widersetzen, ihren Arbeitsplatz erst als Ultima Ratio geräumt haben oder noch räumen werden. Schließlich ist die Umsetzung der Impfpflicht ein ziemlich bürokratischer Akt, bei dem den stark überlasteten Gesundheitsämtern das letzte Wort zukommt, ob ein Tätigkeitsverbot verhängt oder ein Bußgeldverfahren eingeleitet wird und wann dies geschieht.

Bundesregierung gibt sich ahnungslos

Tatsächlich könnte der große Exodus in der Pflege sogar erst noch bevorstehen, weil die Ämter schon mit ihrer täglichen Arbeit am Limit sind und die ihr zusätzlich aufgehalste Aufgabe bestenfalls mit erheblichen Verzögerungen meistern werden. Womöglich wird auch die Bundesregierung mit einiger Verspätung erkennen müssen, dass die partielle Impfpflicht große Verheerungen angerichtet hat. Dann allerdings ist das Kind wohl längst in den Brunnen gefallen.

Bisher noch gibt sie die Losung aus: keine Gefahr in Verzug. Ihr lägen auf Grundlage der BA- Daten keine Informationen darüber vor, wie viele Beschäftigte ihrer Tätigkeit in Anbetracht der Neuregelung "nicht mehr oder nur eingeschränkt nachgehen können und sich aus diesem Grund arbeitsuchend gemeldet haben", heißt es in der Antwort auf die AfD-Anfrage.

Hier wiederum macht es sich die Regierung zu leicht. Telepolis hat bei der Bundesagentur für Arbeit die Kennziffern aus der Zeit vor der Corona-Krise sowie die aktuellsten Werte in Erfahrung gebracht. Demnach lag die Zahl der Arbeitssuchenden im Sektor Gesundheit und Soziales zwischen Anfang Dezember 2021 bis Mitte März 2022 bei "knapp 118.000". In nur einem halben Monat kamen damit 22.000 hinzu.

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