Einsicht und Eingriff

Seite 2: Comic Relief

Der deutsche CPC-Emulator-Entwickler DevilMarkus hat sich mit einem eigenen Beitrag "Corona Zombies" (Amstrad CPC, DevilMarkus, D 2021) für Amstrads 8-Bit-Computer in das Covid-Thema eingeschrieben. Sein mit aufwändigen Paratexten versehenes Spiel beauftragt den Spieler eine herannahende Horde Infizierter mit Hilfe von Vakzin-Projektilen am oberen Bildschirmrand zu halten - ein schier aussichtsloses Unterfangen.

Auch dieses Spiel ist in BASIC programmiert, setzt für die Sprach-Samples und Begleitmusik aber Maschinensprache-Routinen ein. Fast aufwändiger als das Spiel selbst ist der Prolog gestaltet, bestehend aus dem Plakatmotiv zum gleichnamigen Zombiefilm und mehreren Texttafeln, die in die Background-Story einführen:

In the year 2020 a virus called Covid19 was released in Wuhan and quickly ran over the whole world. The world noticed that this virus was a pandemic with unknown results for mankind. It became unstoppable. The population got sich and medial help became almost impossible. Million people died. There was no hope … Then the real disaster took its course … Millions of zombies grouped to hords. Can you fight them? - We have the year 2021. The civilisation has been infected by Covid-19. You are the only survivor with vaccine. Can you heal the world? Use A, D to move, press Space to fire vaccine and hold back the infected zombies.

Das Crossover aus medizinischer Katastrophe und Zombie-Apokalypse ist ein sattsam bekanntes Motiv des Endzeitkinos ("Rabid", "Crazies", "28 Days later" usw.) und wurde dort schon als Sinnbild für die Ohnmacht der Gesunden im Angesicht von Legionen Infizierter interpretiert. Zombies, als die anthropomorphisierte Krankheit an sich, scheinen auch hier die ideale Verkörperung der eskalierenden Erkrankungszahlen seit dem Frühjahr 2020 zu sein.

Comic Relief und Computerviren (9 Bilder)

Corona Zombies

Und hält man sich dann noch die Horden blindwütig Klopapier, Nudeln und Handdesinfektionsmittel kaufender Supermarktkunden vor Augen, ist das Romero-Szenario tatsächlich gedanklich nicht mehr weit entfernt.

Für Sinclairs ZX Spektrum ist Ende März vergagenen Jahres mit "Corona Capers" (UK 2020, Jim Waterman) das wohl komplexeste Spiel zum Thema entstanden. Es handelt sich dabei um einen Verbund aus vier Minispielen, in denen der Spieler den Ausbruch der Pandemie in ihrem Ursprungsland China verhindern soll.

Niemand geringeres als Donald Trump hat ihn damit beauftragt. Und so muss er (1. Spiel) mit Hilfe einer China-Karte zunächst den ersten Einsatzort lokalisieren und anfliegen, wo er dann (2. Spiel) in einer Suppenküche infizierte Fledermäuse durch Abschuss mit der Armbrust daran hindern soll, in die Suppe zu fallen. An einem anderen Ort (3. Spiel) hilft er dann Forschern dabei die RNA des Virus zu isolieren und zu identifizieren, bevor er (4. Spiel) nach Wuhan fliegt, um dort gegen den Endboss Corona-Chan anzutreten. Gelingt ihm der Einsatz nicht, wird er von "God-Emporer" Trump zusammengebrüllt.

"Corona Capers" ist ein mit reichlich Zynismus und politischem Humor angereichtes aber auch ziemlich abwechslungsreich und vergleichsweise aufwändig inszeniertes Spiel. Sowohl der Spielplot als auch die dargestellten Situationen und Personen weisen auf eine markant-kritische Haltung gegenüber den Tatsachen beim damaligen Ausbruch der Pandemie und ihrer Verarbeitung durch die Medien hin.

Allein schon die stereotyp dargestellten Situationen im Spiel-China präsentieren ein Zerrbild, das vor etwas mehr als einem Jahr beinahe täglich in den Tweets des "God-Emporer" Trump zu lesen war. Lässt sich aus den zuvor vorgestellten Spielen ein eher indirektes Bild der "Mentalitätsgeschichte der Pandemie" ableiten, so liefert "Corona Capers" eine ziemlich unverstellte Sicht auf die Ereignisse.

Computerviren

Aber nicht nur für historische Computer, sondern auch für jüngere Systeme sind Spiele zum Thema entstanden. Im Oldenburger Computermuseum wurde kürzlich das Spiel "Stay Safe" vorgestellt, das zwar ursprünglich in einem ortsansässigen Freizeitzentrum für Nintendos Konsole NES programmiert wurde, aber auch als Online-, Android- und PC-Spiel zu bekommen ist.

Bei "Stay Safe" handelt es sich um ein Maze-Game, bei dem der Spieler mit seiner Figur Alltagsmasken einsammeln muss, während er Infizierten und riesigen umherfliegenden Corona-Viren ausweichen muss. Die Aufgabe wird von Level zu Level kniffliger, weil es immer mehr Masken einzusammeln und immer mehr Gefahren auszuweichen gilt. Den Entwicklern zufolge hat das Spiel einen didaktischen Impetus: die AHA-Regeln sollen damit spielerisch eingeübt werden.

Es könnte übrigens sein, dass die Windows-Version von "Stay Safe" mit dem Hinweis startet, dass es sich bei dem Spiel selbst um ein Virus (nun allerdings ein Computervirus) handeln könnte: "Sollte ein Virenprogramm anschlagen, kann die Warnung verworfen werden. Die Inhalte sind sicher und deren Verwendung deshalb unbedenklich", schreiben die Entwickler dazu im ihrem How-To. Eine beinahe schon ironische Verdopplung des Infektionsmotivs auf die oben genannten Verschränkung von HI- und Computerviren in den 1980er-Jahren.

Mancher glaubte damals, sich (bzw. seinen Computer) schon schon durch die bloße Berührung einer infizierten Disketten mit einem Computervirus anstecken zu können. Und Viren wurden zumeist über Spieldisketten verteilt. Nicht nur Spiele, wie die hier genannten sind damit immer zugleich Wagnis und Spaßversprechen und Arbeit an kulturellen und individuellen Angstmotiven.

Das Browser Game "Corona World" (Online, Bohemian Browser Ballett, D 2020), das es ebenfalls als Programm zum Download für Mac und Windows gibt, holt das politische Motiv noch einmal aus dem globalen Zusammenhang zurück auf die Alltagswelt der Spieler in Zeiten des Lockdown: Man übernimmt die Rolle einer Krankenschwester, die nach ihrer 18-Stunden-Schicht feststellt, dass ihr heimischer Kühlschrank leer ist und sie deshalb einkaufen gehen muss.

Ihr Weg zum Supermarkt führt sie durch die Straßen einer Stadt im Lockdown: Während sie über die überall herumstehenden E-Scooter stolpert, umherlaufenden infizierten Passanten und feiernden Teenager-Gruppen ausweichen muss, sammelt sie Seife, Alltagsmasken und Toilettenpapierrollen ein.

Aus den Fenstern der Häuser applaudieren ihr dabei die Menschen und an den Häuserwänden finden sich Graffiti - abwechselnd Kleinanzeigen für Klopapier, Verschwörungstheorien zu G5-Handymasten oder "Danke Merkel"-tags. Treffender lässt sich der Alltag im Frühjahr 2020 eigentlich kaum zusammenfassen.

Der Platformer "Corona World" (über?)zeichnet die damalige Situation comicartig, was sich schon am Grafik-Stil des Spiels zeigt. Entwickelt wurde es von der Comedy-Truppe "Bohemian Browser Ballett" rund um den Satiriker Schlecky Silberstein. Koproduziert hat das Spiel das Online-Content-Netzwerk FUNK von ARD und ZDF. Dieser Entstehungshintergrund "domestiziert" damit natürlich auch die Komik als augenzwinkernde Aufklärungsarbeit für jugendliche und junggebliebene Online-Spieler.

Dass die Spielfigur eine Krankenschwester ist, fällt im Gameplay nicht ins Gewicht. Sie bewegt sich wir wir alle damals durch Standardsituationen der Covid-19-Pandemie. Diese dürften selbst in ihrer kürzelhaften Darstellung wohl niemandem unbekannt sein. Zusammen mit den auch hier überall herumfliegenden, bis zur Kenntlichkeit vergrößerten Corona-Viren steckt das Spiel die Grenzen dieser neuen Normalität ab: Corona ist gekommen, um zu bleiben. Es ist überall und die Gesunden müssen ihren Alltag um diese Erkenntnis herum neu strukturieren - Game-based social learning.