Eiszeit in der Arktisforschung
- Eiszeit in der Arktisforschung
- Die Perspektive der Arktisforschung ist unklar
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Laut Bundesregierung hat sich Russland "als Partner diskreditiert". Doch Moskau macht allen Sanktionen zum Trotz weiter Geschäfte. Dafür nehmend die Probleme in der Forschung zu.
Als im Februar 2022 russische Truppen in die Ukraine einmarschierten, begann die Zeit der großen Gesten. Wie konnte man seine Abscheu gegenüber dem Aggressor ausdrücken? 18 Monate später sind fast alle Kontakte abgebrochen, aber der Krieg ist immer noch da.
Das ist auch ein Problem für die deutsche Klimaforschung, wie die Antworten auf Stellungnahmen der Bundesregierung zeigen, die Telepolis vorliegen. Denn die Hälfte der Arktis ist praktisch nicht mehr zugänglich, die Datenlage wird immer lückenhafter – und ein Ende der politischen Eiszeit ist nicht in Sicht.
"Mit seinem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine hat sich Russland als Partner diskreditiert", lautet die Antwort auf eine Reihe von Fragen zu früheren deutsch-russischen Forschungsprojekten. Die mit anderen Ländern abgestimmte Isolierung sei "ein wichtiges Instrument, um Russland die Konsequenzen seines völkerrechtswidrigen Angriffskrieges unmissverständlich vor Augen zu führen".
Das Ergebnis ist Leere. In der Anlage des Alfred-Wegner-Instituts auf der Samoilow-Insel werden die Instrumente nicht mehr abgelesen, und wenn doch, erfährt man nichts davon.
Der Messturm Zotto (Zotino Tall Tower Observatory) des Max-Planck-Instituts, der an Russland übergeben werden sollte: Weder ist das geschehen, noch hat man Zugang zu den Daten. "Vor der Übergabe im Einklang mit den geltenden Sanktionsbestimmungen müssen zahlreiche juristische Fragen geklärt werden", heißt es in der Antwort.
Ein mit Russland in Sibirien geplantes Forschungsprojekt wird nun in Kooperation mit Dänemark in Grönland durchgeführt. Natürlich ist Grönland auch für die Klimaforschung von großer Bedeutung, nicht zuletzt wegen seines Eispanzers, dessen Abschmelzen zum Anstieg des Meeresspiegels beiträgt.
Aber auch die riesigen sibirischen Permafrostgebiete, aus denen mal Mammuts, mal reaktivierbare Viren oder, wiederbelebte Fadenwürmer auftauchen, sind ein nicht zu unterschätzender Faktor.
Unter anderem ist bis heute schwer abzuschätzen, wie viel Kohlendioxid und Methan beim Auftauen freigesetzt werden könnten. "Gerade in einer Phase, in der der Klimawandel langsam sichtbar werde, verursache der Kooperations-Stopp große Datenlücken, die für das Verständnis des Erdsystems schwerwiegend seien", zitiert der NDR den Direktor des Max-Planck-Instituts in Jena, Sönke Zähle.
"Für die Forschung stehen weitere Datenquellen wie Satellitendaten zur Verfügung, die helfen, Datenlücken zu schließen. Weltweit werden Satellitendaten durch den Vergleich mit bodengestützten Fernerkundungsdaten von vor Ort validiert.
Das verbessert langfristig die Qualität und Vergleichbarkeit der Satellitendaten", heißt es in der Antwort auf die Kleine Anfrage zu solchen Datenlücken. Doch in Sibirien können derzeit keine Daten am Boden überprüft werden.
Wirkung der Sanktionen
Die Wirtschaftssanktionen gegen Russland mögen nicht die erhoffte Wirkung gezeigt haben, aber sie hatten zumindest theoretisch einen kausalen Zusammenhang mit dem Krieg: Man wollte den Krieg nicht auch noch finanzieren. Dass dies über Umwege nun doch geschehen könnte, steht auf einem anderen Blatt.
Der Abbruch der wissenschaftlichen Kooperationen ist eine rein symbolische Geste – schnell vollzogen, vielleicht für einige auch eine Frage der Selbstachtung, "dass man angesichts des völkerrechtswidrigen Krieges nicht so weitermachen kann wie bisher" (Zähle gegenüber dem NDR). Aber wirklichen Druck kann sie nicht ausüben.
Eher stellt sich die Frage, ob man nicht das Kind mit dem Bade ausgeschüttet hat. Die Wirkung der Geste ist verpufft, die meisten Beobachter gehen inzwischen davon aus, dass der Krieg noch länger dauern wird. Die neue Eiszeit der Forschungskooperationen scheint inzwischen stabiler als der aktuelle Permafrost.
Die spektakulären Ergebnisse, die heute durch die Medien gehen, stammen aus früheren Kooperationen, die noch nicht vollständig ausgewertet sind. Neue Ergebnisse aus Russland, wenn überhaupt, erreichen den Westen aufgrund der derzeitigen Publikationspraxis kaum.
Der Linken-Abgeordnete Andrej Hunko, der eine Kleine Anfrage zur Arktis-Politik gestellt hat, nimmt angesichts dieses Stillstands die Bundesregierung in die Pflicht. "Offenbar ist für die Bundesregierung die Isolierung der Russischen Föderation wichtiger als der Klimaschutz", sagte er gegenüber Telepolis: "Dabei ist die Bundesregierung nicht in der Lage zu erklären, welchen Nutzen der Stopp der wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Klimabereich für die Beendigung des Krieges in der Ukraine hat."
Das grüngeführte Auswärtige Amt erkennt in den Antworten, die Telepolis vorliegen, zwar die fundamentale Bedeutung Russlands für den Klimaschutz an, beharre aber weiterhin auf der "koordinierten Isolierung" Russlands auch im Bereich der Forschungskooperation, so Hunko: "Diese Situation zeigt einmal mehr, dass Sanktionen kontraproduktiv sind, in diesem Fall für den Klimaschutz."
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