Elite unter sich
Zu den US-Präsidentschaftswahlen treten vier Yale-Absolventen an, Präsident Bush sowie Senator Kerry sind zudem Mitglieder der obskuren Geheimgesellschaft Skull & Bones
Macht, sowohl politisch als auch wirtschaftlich, hat nicht notwendigerweise etwas mit Können und Wissen zu tun. Ganz entscheidend sind auch Beziehungen, die seit früh an und am besten schon in langer Familientradition geknüpft werden. Auch wenn der Macht- und Geldadel von heute etwas durchlässiger als in feudalistischen Zeiten sein mag, so werden doch auch in kapitalistischen Demokratien die Posten in der Machtelite oft genug vererbt. Deutlich ist dies auch im US-Kapitalismus mit dem alten Versprechen des Aufstiegs vom Tellerwäscher zum Millionär. Nach neueren Untersuchungen ist es sehr wahrscheinlich, dass man heute - was freilich nicht nur auf die USA zutrifft - in der sozialen und ökonomischen Klasse bleibt, in die man hinein geboren wurde (Es war einmal in Amerika).
Sehen lassen sich diese Verflechtungen gerade wieder bei den Präsidentschaftskandidaten. Vier von ihnen, darunter George W. Bush sind Yale-Abgänger und zwei zudem noch Mitglieder der elitären, geheimnisumwitterten Studentenverbindung Skull & Bones. Die 1832 gegründete Bruderschaft, in die jedes Jahr im April immer nur 15 Auserwählte mit obskuren Initiationsriten aufgenommen werden, sorgt dafür, dass ihre Mitglieder entsprechende Positionen in der Gesellschaft einnehmen. Auserwählt wurden lange Zeit nur weiße Protestanten, später auch Katholiken aus wohlhabenden Familien. Wie alle derartigen Gruppen entstehen daraus Seilschaften, deren Mitglieder, meist aus ähnlichem gesellschaftlichen Hintergrund, sich gegenseitig stützen.
Der Zusammenhalt ist nicht schwer, um in Yale studieren zu können, sind jährliche Studiengebühren von über 28.000 Dollar fällig. Heute soll es an die 800 lebende Mitglieder geben, die sich oft in einflussreichen politischen oder wirtschaftlichen Positionen befinden. Eine der Maximen der Geheimgesellschaft soll sein, dass sich die Mitglieder möglichst mit Partnern aus den Familien anderer Mitglieder verheiraten sollen. So bleibt man unter sich. Skull & Bones ist allerdings nur eine, wenn auch die bekannteste der Geheimgesellschaften an der Yale Universität.
Schon der Name "Skull & Bones" (Schädel und Knochen) - zu Beginn nannte man sich auch "Brotherhood of Death" - mag daran Schuld sein, dass sich um die Bruderschaft, die ihren Mausoleum ähnlichen fensterlosen "Tempel" ("the tomb") mit einem Hubschrauberlandeplatz auf dem Dach auf dem Yale-Campus hat, zahlreiche Verschwörungstheorien ranken. Besonders nachdem George Bush, ebenso Mitglied dieser Burschenschaft mit dem vielleicht eher pubertären Namen, zum Präsident geworden ist (Skulls, Bones & Bush). Schon der Vater war nicht nur Präsident, sondern ebenfalls Mitglied, und ebenso der Großvater Prescott Bush, der unter anderem auch Geschäfte mit dem Nazi-Deutschland gemacht hat und - nach Gerüchten - den Schädel des Apachen-Häuptlings Geronimo als Trophäe in die Besitztümer der Burschenschaft eingebracht haben soll. Weitere Mutmaßungen gehen dahin, dass auch die Schädel des mexikanischen Revolutionärs Pancho Villa und Che Guevaras im Besitz der Geheimgesellschaft sein sollen. Dazu soll neben anderen Schädeln und Gerippen auch etwa das Tafelsilber Hitlers gehören, auf jeden Fall handelt es sich offenbar um eine seltsame Sammelleidenschaft einer Gruppe mit überlebten Ritualen aus dem 19. Jahrhundert.
Zur Initiation soll gehören, wie man munkelt, dass die neuen Mitglieder nackt in einem Sarg liegen, dort masturbieren und dann ihre sexuellen Geheimnisse den übrigen 14 neuen Mitgliedern beichten sollen. Das Ritual soll die Zugehörigkeit auch durch Angst vor Erpressung stärken. Vielleicht geht es aber auch nur darum, etwas aus dem eigenen Leben zu erzählen. Die Mitglieder müssen sich verpflichten, nichts über das zu sagen, was bei den Sitzungen geschieht, und auch niemals zu bekennen, dass sie Mitglieder sind. Man erzählt auch, dass es eine Prostituierte ("the Bones whore") geben soll, allerdings wurden in den letzten Jahren auch Frauen und Schwarze aufgenommen und die Geheimniskrämerei scheint aufzubrechen. Vermutlich aber sind die meisten Geschichten und Rituale erfunden, sie dienen aber dazu, Skull & Bones interessant zu machen. Und was geheim ist, entfacht die Imagination der Außenstehenden. Das mag wiederum den Reiz für die Mitglieder der Eingeweihten erhöhen.
Wie auch immer die Gepflogenheiten und Seilschaften tatsächlich sein mögen, so mag es doch für die US-Elite bezeichnend sein, dass gleich vier Kandidaten für die diesjährigen Präsidentschaftswahlen aus der Yale-Universität kommen und zudem noch zwei der elitären Bruderschaft angehören. Howard Dean und Joseph Lieberman gehören gewissermaßen nur zur Elite der Yale-Absolventen, doch George W. Bush und der möglicherweise aussichtsreichste demokratische Herausforderer John Kerry sind überdies auch Mitglieder der Schädel-und-Knochen-Verbindung und Angehörige von reichen und mächtigen Familien. Kerry ist überdies derzeit mit der ehemaligen Frau von John Heinz verheiratet, die viel Geld mit in die Familie gebracht hat. Der verstorbene schwerreiche Heinz vom gleichnamigen Unternehmen war ebenfalls Skull & Bones Mitglied. Das passt also. Dieses Jahr könnten mit Bush und Kerry zum ersten Mal zwei Mitglieder der Gruppe gegeneinander im Wahlkampf um die Präsidentschaft antreten.
Alle vier haben nacheinander in den 60er Jahren Geschichte oder Politologie studiert, sich aber wohl zu dieser Zeit nicht gekannt. Sie gingen in verschiedene Richtungen. Bush etwa blieb verschont vom Einsatz im Vietnamkrieg, Kerry war dabei und danach weniger kriegslüstern, hatte aber auch den Irak-Krieg unterstützt, den er jetzt als "Vietnam-Veteran" kritisiert. Auch die Universitätskarrieren unterschieden sich:
Dean, a political science major, arrived at the New Haven campus in 1967 when Bush was a struggling third-year student with his eye on the presidency - of the Delta Kappa Epsilon fraternity. The university's grading system was based on an evaluation scale of "honors, high pass, pass, fail." Dean's transcript shows he scored seven honors, 17 high passes and 14 passes. Bush's transcript, leaked in 2000, shows he scored zero honors and mostly passes.
Dass Dean, Lieberman, Kerry und Bush aus Yale kommen, muss ihnen im Wahlkampf nichts nutzen, es könnte eher schädlich sein, weil darüber die Seilschaften der politischen Elite deutlich werden. Noch weniger förderlich dürfte für Kerry und Bush womöglich die Mitgliedschaft in Skull & Bones sein. Kerry soll etwas nervös bei einem Fernsehinterview gelacht haben, als er gefragt wurde, was es bedeutet, dass er und Bush Skull & Bones Mitglieder sind: "Nicht viel", soll er geantwortet haben. Aber vielleicht hat es zumindest den Weg bis zur Präsidentschaft bzw. bis zur Kandidatur erleichtert. Und den Menschen einmal wieder deutlich gemacht, dass man mit guten Beziehungen vieles erreichen kann - wenn man sie denn in den Schoß gelegt bekommen hat.