Emil grüßt den Führer: Geschichte einer Verstrickung

Seite 2: Liebe und Hiebe

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Nehmen wir an, dass Jannings tatsächlich nie an einen politischen Gehalt dachte, als er die vorher einstudierten Sätze über Disziplin, Pflicht, Unterwerfung, Meuterei, Gesetz, böse Engländer und Franzosen sprach, die ihm Thea von Harbou und ihr Co-Autor, der Lyriker und Dramatiker Rolf Lauckner, ins Drehbuch geschrieben hatten (unter Mitwirkung von Steinhoff und mit ein paar Anleihen bei Burtes Katte-Stück). Keiner hatte ihm gesagt, dass das Geld für den Film aus Nazikassen kam, dass die Produktionsfirma Deutsche Kampffilm GmbH (Deka) hieß, weil sie bisher nazistische Pseudo-Dokus für Alfred Rosenbergs Kampfbund für deutsche Kultur hergestellt hatte und dass die Führungsebene des Verleihs, mit dessen Chefs er zu Galavorstellungen mit Nazi-Prominenz reiste, mit NSDAP-Mitgliedern besetzt war.

Er wusste auch nicht (nehmen wir weiter an), dass sich die Nazis als Nachfolger von Friedrich dem Großen und seinem Vater inszenierten, dass Hitler deshalb mit dem greisen Hindenburg den "Tag von Potsdam" begangen hatte, dass die feierlichen Premieren von Der alte und der junge König Teil des Festprogramms anlässlich des zweiten Jahrestags dieses Ereignisses waren, und die symbolische Aufladung der Garnisonkirche, mit der dieser Film beginnt, war ihm ganz unbekannt. Was dann? Irgendwie müsste er bemerkt haben, dass die Juden - weil angeblich nicht "Kinder" des deutschen Volkes (da ist es wieder, das Unpolitisch-Familiäre) - nach Goebbels’ Rede vor deutschen Filmschaffenden im Kaiserhof (28.3.1933) systematisch aus der Filmindustrie entfernt wurden. Was empfand er also, als er die Szene mit den beiden Darstellern spielte, denen die Maske zwei aus dem Stürmer bekannte "Judennasen" ins Gesicht geklebt hatte?

Der alte und der junge König

Die Besetzungsliste führt die beiden Männer als 1. und 2. Wucherer auf. Im Film sind sie professionelle Glücksspieler mit einem Ass im Ärmel, die dem Kronprinzen in einer Nacht 4000 Taler abnehmen. Die Rechnung präsentieren sie dem Vater, weil der Sohn nicht zahlen kann. Der König ist bereit, die 4000 Taler aus seiner Privatschatulle anzuweisen. Aber dann verlangen die Juden auch noch Zinsen. Das ist wohl ein Überbleibsel von den zunächst eingeplanten Wucherern und die ganze Szene der pure Antisemitismus. Mit dem Zorn des Gerechten befiehlt der König nun, dem "Geschmeiß" je 25 Hiebe aufzuzählen und es dann aus dem Land zu werfen. Ausgerechnet 25 müssen es sein. Zur Klärung des Sachverhalts: So viele Hiebe können den Tod bedeuten. Wie kam man auf diese Zahl? Möglicherweise gibt es dafür ein Vorbild in einem historischen Strafkatalog des alten Preußen. Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass in den Konzentrationslagern, von denen es 1935 schon sehr viele gab, 25 Stockschläge auf den nackten Körper das übliche, am häufigsten verhängte Strafmaß für Vergehen gegen die Lagerordnung waren. Die Häftlinge mussten jeden Schlag laut mitzählen, nicht alle überlebten die Tortur.

Waren die Macher von Der alte und der junge König darüber informiert, dass in den Konzentrationslagern täglich Menschen "über den Bock gehen" mussten, also auf dem Prügelbock 25 Hiebe erhielten und dabei halb (oder ganz) totgeschlagen wurden? Auch das weiß ich nicht. Für einen gruseligen Moment taugt die Zahl 25 allemal; in Berichten von KZ-Überlebenden taucht sie immer wieder auf. Im März 1935, als man die Szene mit den geldgierigen und betrügerischen Juden in vielen Kinos sehen konnte (und Jannings sich schlecht behandelt fühlte, weil man ihn in Wien als Erfüllungsgehilfen der Nazis ausbuhte), erlebte Deutschland den Beginn einer neuen Hetzkampagne und eine Verschärfung der Judenboykotte von 1933. Das war die Vorbereitung auf die Verabschiedung der Nürnberger Gesetze im September.

Zwei Wochen, bevor er den Empfang für die Schöpfer von Der alte und der junge König gab, am 9. März 1935, verkündete Hermann Göring die Existenz einer deutschen Luftwaffe (mit ihm als Oberbefehlshaber), die es laut Vertrag von Versailles nicht geben durfte. Am 16. März wurde die allgemeine Wehrpflicht wieder eingeführt, konkretisiert im Wehrgesetz vom 21. Mai 1935 (inklusive eines eigenen Paragraphen zur "Arischen Abstammung"). Frankreich und Großbritannien protestierten heftig. Das sind diese fremden Mächte, die einen unmännlichen Kronprinzen wollen, damit sie Preußen, wenn Fritz einmal König ist, leichter klein halten können (die Juden, die Fritz beim Kartenspiel betrügen, sprechen mit "französischem" Akzent). Man sehe dazu auch die Szene mit dem Rekruten Müller, der sich anwerben ließ, als er besoffen war und sich in der Garnison in Potsdam unwohl fühlt, weil er nicht zum Militär wollte. "Wird sich schon eingewöhnen hier bei uns", sagt der joviale König. "Haben sich hier alle eingewöhnt. Was, Kinder?" "Jawohl, Majestät", stimmen die Soldaten mit einer Stimme zu.

Der alte und der junge König

Auch der Film stimmt zu. Am Ende lässt sich der schwerkranke König von Berlin nach Potsdam fahren, in die Garnison. Seine langen Kerls freuen sich wie die kleinen Kinder. Unter großer Anteilnahme trägt man den Kranken zu seinen Gemächern. "Meine blauen Kinder", sagt der König (blau wegen der Farbe der Uniformen). "Kerls, ich bin ja so froh, dass ich wieder bei euch bin." "Wir lassen Sie jetzt nie wieder fort, Majestät", sagt Soldat Müller, mit gebrochener Stimme und um Fassung ringend, weil er ahnt, dass er nun bald den Vater verlieren wird. Die Grenadiere sind seine zweite Familie geworden. Nach diesem Rührstück über die Liebe der Soldaten zu ihrem König (und umgekehrt) muss jetzt noch der Kronprinz kommen, damit der Alte in Frieden sterben kann. Fritz liebt seinen Vater inzwischen auch, und der hat alles, was er tun musste, sowieso nur "aus Liebe" getan.

"Leb wohl. Hab Dank."

Als Belohnung dafür, dass er sich dem väterlichen Willen unterwirft und sich an der Oder bei der Gewinnung von neuem Siedlungsraum für das deutsche Volk bewährt, kriegt Fritz Schloss Rheinsberg, eine vom Soldatenkönig für ihn ausgesuchte Prinzessin (gespielt von Carola Höhn, älteren Semestern vielleicht noch als die Schwiegermutter von Günter Pfitzmann in der Vorabendserie Praxis Bülowbogen erinnerlich) und ein eigenes Regiment. In Rheinsberg, bei der musikalischen Abendunterhaltung, erreicht ihn auch die Nachricht, dass der Vater im Sterben liegt. Bevor der Kronprinz nach Potsdam reitet bleibt noch Zeit für ein Gespräch zweier Nebenfiguren, dem zu entnehmen ist, dass Fritz, der geläuterte Sohn, inzwischen in die Fußstapfen seines Vaters tritt und heimlich sein Regiment vergrößert. Ein Schuft wer denkt, dass das etwas mit der von den Nazis betriebenen Aufrüstung zu tun haben könnte. Es muss ein Zufall sein, dass der Film vollgestopft ist mit solchen scheinbaren Nebensächlichkeiten, die sich propagandistisch hervorragend verwerten ließen.

"Ich war … wohl … streng … mit dir", sagt der sterbende König zu seinem Sohn. "Nicht doch, du hattest Recht", gibt Fritz zurück, und der alte König fährt fort: "Es war … nur … Liebe." Eben. "Ich bring’ dir auch mein ganzes Herz dafür", antwortet der junge König. "Ich wusste es", sagt der alte König, "du bist … mein Sohn", und seine Züge entspannen sich, als er Fritz die Wange tätschelt: "Jetzt lege ich mein Land in deine Hände, junger König." "Leb wohl. Hab Dank", sagt der junge König. Das ist wieder eine dieser Szenen, die furchtbar hätten schiefgehen können und doch gelungen sind, weil Steinhoff mit Schauspielern vom Format eines Emil Jannings und eines Werner Hinz arbeiten und sich eine ruhige, schlicht gehaltene Inszenierung leisten konnte, statt mit Kamera- und Montageschnickschnack von der Überforderung der Darsteller ablenken zu müssen. Fast könnte man ein Fan von Jannings werden, wenn man sieht, wie gut er manchmal ist.

Der alte und der junge König

Wer nun aber angesichts dieser ergreifenden, alle Generationenkonflikte transzendierenden Liebes- und Abschiedsszene zwischen Vater und Sohn von Rührung übermannt wird sollte kurz bedenken, dass der junge König dem alten sein Herz dafür bringt, dass dieser Leutnant Katte den Kopf abschlagen ließ (obwohl das schwer für ihn, den obersten Gerichtsherrn, war) und dass der Film die Enthauptung als eine erzieherische Maßnahme präsentiert, die dringend notwendig war, weil Deutschland durch dieses "letzte Mittel" einen unbeugsamen, der Pflicht lebenden König gewonnen hat, ohne den es gegen die Feinde im Ausland und die Verräter im eigenen Haus nicht bestehen könnte. Der Zuschauer könnte ferner überlegen, welche Rolle ihm in diesem Szenario zukommen würde, wenn das mehr als nur ein Film über Preußen im 18. Jahrhundert wäre. Dürfte er auch mal der König sein? Oder wäre er einer von den Grenadieren, die der König braucht, um das Vaterland gegen die vielen Feinde zu verteidigen. Einer von den geldgierigen Juden, für die in Preußen kein Platz ist, weil sie Falschspieler mit Hakennasen und in französischen Klamotten sind?

Wer kein Masochist mit Todestrieb ist und trotzdem Leutnant Katte sein will muss wissen, dass es keine Gnade gibt. "Meutereien bricht man nach ewiggleichen eisernen Gesetzen", sagt der König. Verräter, Meuterer und sonstige "Geschwüre unserer inneren Brunnenvergiftung" werden "bis auf das rohe Fleisch" ausgebrannt: "Die Nation muss wissen, dass ihre Existenz - und diese wird garantiert durch innere Ordnung und Sicherheit - von niemandem ungestraft bedroht wird! Und es soll jeder für alle Zukunft wissen, dass, wenn er die Hand zum Schlage gegen den Staat erhebt, der sichere Tod sein Los ist." Nein, falsch. Das sind Zitate aus der 1934 im Rundfunk übertragenen Führerrede zur Niederschlagung des "Röhm-Putsches". Der König sagt zu General Katte, dass sein wegen Meuterei und Verrat verurteilter Sohn Verbrechen begangen hat, "die sehr leicht dem Land gefährlich werden konnten. Sie müssen bestraft werden." Und weiter: "In dieser Stunde war ich verantwortlich für das Schicksal der deutschen Nation und damit des deutschen Volkes oberster Gerichtsherr."

Pardon. Da ist mir schon wieder der Führer reingerutscht. Wir sind jetzt aber beim König von Preußen, der dem General erklärt, warum er den obersten Gerichtsherrn machen und das zu milde Urteil gegen seinen Sohn revidieren musste. Der König also sagt: "Den Tod, den hab ich selbst verfügt, das weiß Er. Glaubt Er, um mich zu rächen oder weil ich vielleicht wäre blutdürstig? Nein. Weil diese verbrecherische Aktion eine so harte Strafe verlangt. Es ist besser, ein Leutnant Katte stirbt, als dass das Recht kommt aus der Welt." Das ist schon deshalb etwas völlig anderes, weil hier zwar Emil Jannings kurz nach der Führerrede geschriebene Dialoge spricht, in einem Film von 1934, in Wahrheit aber der Soldatenkönig das Wort ergreift, und zwar im Jahre 1730. Oder würde er sonst so geschwollen daherreden, wie es damals, bei den alten Preußen, üblich war?

"Mach Preußen groß!"

An dieser Stelle darf noch einmal an den Oberstleutnant a. D. Max Klaar erinnert werden. Das ist dieser Herr von der "Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel", der die gesammelten sechs Millionen Euro jetzt doch nicht für die Garnisonkirche geben wird, weil er sich mit der Fördergemeinschaft nicht einigen konnte, was genau nachgebaut werden soll und in welchem Geist. Für den ehemaligen Fallschirmjäger, vermute ich, wäre es ein Frevel, eine schwule Komponente in der Beziehung zwischen Kronprinz Fritz und Leutnant Katte auch nur anzudeuten. Jedenfalls entnehme ich der Zeit, er habe "schenkungsvertragliche Garantien" gefordert, "dass im wiedererrichteten Preußentempel bibelfremde Gräuel unterblieben, beispielsweise die Beratung von Kriegsdienstgegnern, die Segnung homosexueller Paare und feministische Theologie à la ‚Jesa Christa’".

Mir fällt zur Beratung für Wehrdienstverweigerer meine "Gewissensprüfung" ein. Natürlich wurde über den Russen gesprochen, der mich und meine Freundin im Wald überfällt. Aus Osten kam ein Flugzeug mit Bombe gen Deutschland geflogen, und ich war der einzige Mensch, der das Vaterland noch retten konnte, weil ich am letzten verbliebenen Geschütz der Luftverteidigung stand und mich entscheiden musste, ob ich lieber Pazifist sein oder meine Pflicht erfüllen wollte. Im Gewissensprüfergremium saß ein Weltkriegskämpfer mit Bauch und Gummihosenträgern, der mir zum Militärdienst riet, weil ich da väterliche Vorgesetzte und Freunde fürs Leben finden würde, von notwendigen Präventivkriegen gegen Polen und Russland berichtete und Beweise für die jüdische Weltverschwörung hatte, weshalb so manches, was über das Dritte Reich erzählt wurde, eine grob fahrlässige Vereinfachung war. Das war lange nach der Geburtstagsfeier für Hermann Burte. Der Hosenträgermann jedoch war ein Repräsentant desselben Deutschlands, dessen Würdenträger dem Jubilar ihre Glückwünsche zum Achtzigsten überbrachten und denen es sehr wichtig war, die Kinder in die Feierlichkeiten mit einzubeziehen. Man sollte nie vergessen, wie lange Honoratioren dieses Schlages noch in einflussreichen Gremien saßen - auch bei der FSK. Die damals getroffenen Entscheidungen gelten oft bis heute.

Der Vollständigkeit halber ist hinzuzufügen, dass in diesem unserem Lande jetzt häufig Leute das Sagen haben, die - wie Oberstleutnant Klaar an die lieben Kameradinnen und lieben Kameraden vom Verband deutscher Soldaten e.V. schreibt - ins Zuchthaus wandern würden, wenn "die Straftatbestimmungen ‚Hoch- und Landesverrat’ […] nie aus unserem Strafgesetzbuch gelöscht worden" wären, "wie es die Sozialliberale Koalition 1969 tat, ehe sie ihre ‚neue Ostpolitik’ in die Tat umsetzen konnte". Klaar hält auch Trost bereit. "Es gibt sie doch, die deutsch fühlen", schreibt er. "Und sie melden sich z.B. in offenen Briefen wie diesem an den US-Botschafter in Berlin zu Wort." Dann folgt der Brief von Frau Gerda Wittuhn, in dem Sachen stehen wie diese hier: "Im Frühsommer 1939 verordnete die polnische Regierung eine ‚Mobilmachung’ und am 30. 8. 1939 erfolgte die ‚Generalmobilmachung’, was soviel bedeutete wie eine Kriegserklärung. Ein Überfall auf Polen hat somit nicht stattgefunden." Deutschland musste dem Feind zuvorkommen, soll das wohl heißen.

Trotz aller aufklärerischen Bemühungen von braven Deutschen wie dem Mann mit den Gummihosenträgern bleibt festzuhalten, dass die Selbstverteidigung auf Naziart nach 1945 doch etwas in Verruf geriet. Präventivkriege mit Einmarschieren in fremde Länder wie Polen gelten insbesondere dann als politisch nicht korrekt, wenn eine Erweiterung des eigenen Staatsgebiets damit verbunden ist, mit Blick auf ein zu schaffendes "Großdeutsches Reich" beispielsweise. Die Apologeten von Emil Jannings tun sich darum schwer mit dem letzten Satz, den er in Der alte und der junge König zu sprechen hat. Jannings’ Biograph Frank Noack bedient sich eines bewährten rhetorischen Mittels, zu dem schon Ben Franklin in schwieriger Lage riet, der Erfinder des Blitzableiters: Man gehe in die Offensive, benenne von der Gegenseite ins Feld zu führende Argumente gleich selbst und tue so, als wären sie dadurch entkräftet. Oft klappt das erstaunlich gut. "Obwohl der alte König mit den Worten ‚Mach Preußen groß!’ auf den Lippen stirbt", schreibt Noack also … ist das nicht politisch und keine Nazipropaganda, soll der Leser ergänzen.

Der alte und der junge König

Man muss dann aber auch erwähnen, wie die letzten Worte vorbereitet werden. Der König liegt auf dem Totenbett (genauer gesagt: er sitzt in einem Lehnstuhl, weil ein deutscher König aufrecht stirbt), mit Fritz an seiner Seite. Den beiden gegenüber, mit Respektsabstand, haben sich die Generale der Armee versammelt. "Generale!", sagt der Sterbende. "Dies ist euer König." Dabei zeigt er mit letzter Kraft auf seinen Sohn und hebt den Arm zum "Führergruß" (noch ein Grund für den Sessel: vom Bett aus hätte sich das nur mit einigen Verrenkungen inszenieren lassen). In seiner Funktion als "erster Nationalsozialist" der NS-Propaganda weiß der Soldatenkönig, was er der Nachwelt und dem Kinopublikum im Dritten Reich schuldig ist. Das ist nicht zu demonstrativ und nicht Teil einer politischen Kundgebung (ein Preußenkönig, der seinen Offizieren den "deutschen Gruß" entbietet wie Hitler den paradierenden Militärs in Triumph des Willens wäre lächerlich), es wirkt eher zufällig als beabsichtigt, und doch ist es letztlich genau das: eine Kundgebung.

Der alte und der junge König

Das ist ein Film von Hans Steinhoff, einem auf jedes Detail achtenden Perfektionisten. Jannings fährt da nicht den Arm aus, weil das die einzige Möglichkeit ist, vom Totenbett aus auf Werner Hinz zu zeigen. Die Positionierung der Kamera und die Anordnung der Figuren im Raum sind genau durchdacht, die Darsteller folgen Regieanweisungen, das Licht musste eingerichtet werden, und wahrscheinlich wurde die Einstellung mehrfach gedreht, bis Steinhoff zufrieden war. Der erhobene Arm ist kein Zufall, sondern Teil einer sorgfältigen Inszenierung. Das ist noch keine Garantie dafür, dass er vom Publikum bemerkt wird. Darum war er ideal, um auf ihn hinzuweisen - zum Beispiel, wenn die zu den geschlossenen Veranstaltungen eingeladenen und dort präparierten Lehrer und Führer der Hitlerjugend den Film hinterher mit den Kindern (den späteren Soldaten, nur nicht in blauer Uniform) diskutierten. Was man leicht übersieht sorgt für einen Aha-Effekt, wenn man es schließlich erkennt. So etwas bleibt hängen. Hat man als Zuschauer bemerkt, dass dieser erhobene Arm aussieht wie ein Führergruß wird man nach weiteren Analogien zwischen dem (fiktionalen) Preußen auf der Leinwand und dem Dritten Reich suchen. In Steinhoffs Film ist da einiges zu finden.

Queen Christina

Dann erst folgt der finale Satz: "Mach Preußen groß!" Die - mit der Garnisonkirche am Anfang korrespondierende - Schlusseinstellung ist von Rouben Mamoulians Queen Christina (1933) übernommen, wo sich die Kamera Greta Garbo zu einer lang anhaltenden Großaufnahme ihres Gesichts nähert. Bei Steinhoff sieht man Friedrich den Großen, der (stahlhart und ohne Augenzwinkern) in die große Zukunft Preußens blickt, so wie Hitler auf Photos gern visionär in die große Zukunft Nazi-Deutschlands blickte. Die Einstellung dauert anderthalb Minuten. Fehlt nur die Überblendung von Werner Hinz auf das Profil von Adolf Hitler - doch das wäre Goebbels bestimmt zu offensichtlich gewesen, und Steinhoff auch. Für so etwas hatte man eine gleichgeschaltete Presse, die sich in Analogien zwischen Friedrichs Preußen und Hitlers Deutschland ergehen konnte. Übrigens war Friedrich Wilhelm I. noch kein Jahr tot, als sein Sohn, der neue König, preußische Truppen in Schlesien einmarschieren ließ. Hitler brauchte deutlich länger, bis er Polen überfiel. Er hatte aber auch keinen "Soldatenkönig" als Vorgänger, der eine schlagkräftige Armee für ihn aufgebaut hätte.

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