Emissionen von Chemikalien: "Gefährlicher Präzedenzfall"
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Eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs stärkt die Rechte der Öffentlichkeit beim Zugang zu Chemikalieninformationen
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat im November 2016 in zwei Fällen entschieden, dass das öffentliche Interesse Vertraulichkeitsklauseln zu Unternehmensdaten außer Kraft setzt, wenn es um den Zugang zu Informationen von Chemikalien geht. Obwohl beide Fälle pestizid-spezifisch sind, werden weitreichende Auswirkungen des Urteils auf die chemische Industrie erwartet, da es für alle Emissionen von Chemikalien gelten soll.
Das Urteil ist das Ergebnis der Anhörung zweier Streitfälle, in denen Nichtregierungsorganisationen von den zuständigen Behörden die Veröffentlichung von Dokumenten mit Informationen zu Chemikalien verlangt hatten. Das EuGH-Urteil liefert nun die endgültige Auslegung einer Klausel in der von der EU unterzeichneten Aarhus-Konvention, die die rechtliche Grundlage für den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen der Behörden bildet. Das Urteil bezieht sich dabei insbesondere auf die Klausel "Informationen über Emissionen in die Umwelt" und die Art und Weise, wie Regierungen Fälle von Anträgen auf Zugang zu Dokumenten behandeln sollten.
Obwohl die Entscheidung auch weiterhin keinen automatischen Zugang zu den Dokumenten ermöglicht, markiert sie den vorläufigen Abschluss eines Monate andauernden Disputs zwischen NGOs, Industrie und Europäischer Kommission. Es ging um die Frage, was als "Informationen über Emissionen in die Umwelt" definiert und deshalb der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden muss - vor dem Hintergrund des Schutzes kommerzieller Interessen.
"Die Interpretation dessen, was als Information über Umwelt-Emissionen eingestuft werden kann, wurde erweitert und kann daher einen breiteren Zugang zu Informationen und einen geringeren Spielraum für die Verweigerung des Zugangs zu Dokumenten zur Folge haben, wie die EU-Kommission noch auf der Grundlage des Schutzes kommerzieller Interessen argumentiert hat", sagte ein Sprecher des Gerichtshofes.
PAN Europe, Greenpeace Nederland, Glyphosat
Im Jahr 2011 hatten das Pesticide Action Network Europe und Greenpeace Nederland bei der EU-Kommission einen Antrag auf Zugang zu Dokumenten über die Erstzulassung für das Herbizid Glyphosat gestellt. Die EU-Kommission gab nicht alle Informationen frei, da eine Reihe von ihnen mit Vertraulichkeitsklauseln belegt waren und Urheberrechte berührten, zum Beispiel Daten zur chemischen Zusammensetzung, zum Herstellungsprozess, zu Verunreinigungen und zur Zusammensetzung der Endprodukte.
Beide NGOs baten das Gericht der Europäischen Union, die Entscheidung der EU-Kommission für ungültig zu erklären, was es auch tat. Die EU-Kommission wiederum forderte den EuGH auf, das Urteil des Gerichts aufzuheben.
Bijenstichting, Bayer, Imidacloprid
Im anderen Fall beantragte die niederländische Bienenschutzvereinigung Bijenstichting bei der niederländische Behörde Ctgb, die für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln und Bioziden zuständig ist, unter anderem Dokumente zum Zulassungsprozess von Imidacloprid zu veröffentlichen, einem Neonicotinoid-Insektizid, das für die Aktivisten eine Gefahr für Bienen darstellt. Bei einigen Dokumenten war das auch möglich, jedoch nicht bei solchen, die als "vertraulich" eingestuft waren.
Bijenstichting und der Zulassungsinhaber Bayer CropScience gingen gegen die Entscheidung der Ctgb gerichtlich vor, die wiederum beim EuGH vorstellig wurde. In diesem Fall hat der EuGH die Rolle der "Emissionsklausel" in der Aarhus-Konvention klargestellt.