Energie: Wie die EU hohe Strompreise senken will
Die EU-Kommission will den Strommarkt reformieren. Das könnte aber noch bis zu zwei Jahre dauern. Energieexperte warnt vor "ungeahnten Preisspitzen" in Herbst und Winter.
Neben den Preisen für Erdgas steigt auch der Strompreis in Deutschland immer weiter. An der Börse EEX bewegt er sich seit Wochen auf einem äußerst hohen Niveau. Am Montag erreichte er ein Rekordhoch mit 764 Euro pro Megawattstunde (MWh). Ein Jahr zuvor lag er nur bei etwa 93 Euro.
Angesichts dieser Entwicklung müssten sich Verbraucher mittelfristig "auf weiter deutlich steigende Preise einstellen", sagte Steffen Suttner, Geschäftsführer Energie bei Check24.
Für die drei Monate August, September und Oktober haben demnach Grundversorger in 224 Fällen Preissteigerungen angekündigt, die rund 3,8 Millionen Haushalte treffen. Im September würden die Preise im Schnitt um 44,5 Prozent steigen.
Ein Grund für die steigenden Preise ist das Verfahren, mit dem an der Leipziger Börse der Strompreis bestimmt wird. Der dort zu zahlende Preis richtet sich jeweils nach dem Angebot des teuersten Kraftwerks, das zu einem bestimmten Zeitpunkt gerade noch benötigt wird. Der steigende Gaspreis lässt zurzeit den Strompreis aus Gaskraftwerken in die Höhe schnellen – und der schlägt auch auf den Strom aus anderen Kraftwerken durch.
Auf einen anderen Grund wies der Energieexperte des RWI-Leibniz-Instituts, Manuel Frondel, hin. Der Nachrichtenagentur AFP sagte er: "Es ist zu erwarten, dass die Strompreise im Herbst und Winter noch weiter steigen, weil in dieser Zeit der Strombedarf zunimmt, insbesondere in Ländern wie Frankreich, wo viel mit Strom geheizt wird".
Wenn dann noch das Angebot knapp bleibt, etwa weil die Hälfte der französischen Kernkraftwerke weiter ausfällt, oder das Angebot sogar verknappt wird, wie durch die Abschaltung der drei verbliebenen deutschen Kernkraftwerke, kann der Strompreis noch weitere ungeahnte Preisspitzen erreichen.
Manuel Frondel
Inzwischen haben Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, versprochen, in den Strommarkt eingreifen zu wollen – zwar nicht sofort, aber mit Beginn des neuen Jahres soll er reformiert werden.
Habeck betonte, dass bei der Reform vorsichtig vorgegangen werden müsse. "Wir machen hier Dinge, die würden normalerweise zwei Legislaturperioden dauern", sagte er laut Deutscher Presse-Agentur (dpa). Es müsse ein Mechanismus entwickelt werden, der günstige Energieformen auch bei Verbrauchern ankommen lasse.
Die Strom- von den Gaspreisen zu entkoppeln, fordern die Staats- und Regierungschefs mehrerer Länder in der Europäischen Union. Frankreich pochte schon im letzten Jahr darauf, damit die eigenen Bürger von den niedrigen Kosten der Kernenergie profitieren können. Spanien investierte massiv in erneuerbare Energien und ist auch dafür.
Doch bis zum letzten Herbst hatte sich die deutsche Regierung gegen eine Reform gestemmt und mit ihr rund ein Dutzend weiterer EU-Länder. Inzwischen hat ein Umdenken eingesetzt: Am Montag zeigte sich auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) offen für eine "Energiepreis-Bremse" auf europäischer Ebene.
Es könnte allerdings sein, dass bis Anfang 2023 nur ein detaillierter Vorschlag unterbreitet werden wird. Die eigentliche Reform dürfte dagegen länger dauern. Nicolas Berghmans von der französischen Denkfabrik IDDRI geht laut dpa davon aus, dass eine Reform "bis zu zwei Jahre" dauern könne.
Für diese Zeitspanne muss dann wahrscheinlich mit hohen Strompreisen gerechnet werden.
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