Energiekrise: EU-Gipfel scholzt gemeinsamen Gaspreisdeckel

Herausgekommen ist beim Gipfeltreffen der EU-Regierungschefs nichts Konkretes, sondern nur ein Korridor für Sofortmaßnahmen. Die Gaspreise fielen trotzdem.

Die EU-Regierungschefs tagten die gestrige Nacht, die daraus folgenden Ankündigungen dürften Unsicherheiten bei Unternehmen und in der Bevölkerung der Mitgliedsstaaten kaum lindern.

Herausgekommen ist beim Gipfeltreffen nichts Konkretes. Auf einen Preisdeckel für Gas konnten sich die Spitzenvertreter der EU-Mitgliedsstaaten nicht einigen. Das ist keine Überraschung, sondern war erwartet worden: EU-Kommission nimmt Abstand von Gaspreisdeckel.

So blieb nur eine Absichtserklärung mit einem Fahrplan. Angeführt wird das Maßnahmenpaket, das erst beschlossen werden muss, mit einem rhetorischen Signal an Russland:

Angesichts der Instrumentalisierung von Energie als Waffe durch Russland wird die Europäische Union geeint bleiben, um ihre Bürgerinnen und Bürger sowie ihre Unternehmen zu schützen, und sie wird vordringlich die notwendigen Maßnahmen ergreifen.

Schlussfolgerungen des Europäischen Rates zu Energie und Wirtschaft, 20. Oktober 2022

Das Signal der Einigkeit stellte auch EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen heraus - wie auch Frankreichs Präsident Macron, nachdem er zuvor erklärt hatte: "Es ist nicht gut, dass sich Deutschland isoliert."

Auf der Pressekonferenz kündigte von der Leyen an:

Wir werden einen ergänzenden neuen Index entwickeln, um die Situation der LNG-Preise besser widerzuspiegeln, und in der Zwischenzeit werden wir einen Marktkorrekturmechanismus einrichten, um Episoden überhöhter Gaspreise zu begrenzen. (…) Wir werden mit den Energieministern zusammenarbeiten, um einen Rechtsvorschlag zur Operationalisierung des Marktmechanismus vorzulegen.

Ursula von der Leyen

Die Gaslieferanten und Unternehmen werden allesamt genau hinschauen, was sich konkret aus den Maßnahmen entwickelt, die in dem EU-Ratspapier aufgelistet werden. Es gilt, wie es EU-Kommissar Frans Timmermans tags zuvor äußerte: "Es gibt keinen Zauberstab, mit dem man aus teurem Gas billiges Gas zaubern könnte." Jemand werde den Preis dafür bezahlen müssen.

Die Schlussfolgerungen des EU-Rats

Interessant im EU-Papier zu den Schlussfolgerungen des Gipfels sind insbesondere die Maßnahmen in Punkt c) und d). (In der deutschen Version sind sie bislang gleichlautend - wohl versehentlich, der Zeitnot geschuldet.)

c) einen befristeten dynamischen Preiskorridor für Erdgasgeschäfte, um Phasen exzessiver Gaspreise unmittelbar zu begrenzen (…)

d) einen befristeten EU-Rahmen zur Begrenzung des Gaspreises für die Stromerzeugung, einschließlich einer Kosten-Nutzen-Analyse, ohne Änderung der Merit-Order, bei gleichzeitiger Verhinderung eines steigenden Gasverbrauchs, unter Berücksichtigung der Finanzierungs- und Verteilungseffekte sowie der Auswirkungen auf die Ströme außerhalb der EU-Grenzen.

Schlussfolgerungen des Europäischen Rates zu Energie und Wirtschaft

Das bleibt für konkrete Beschlussvorlagen noch einiges klarzustellen und Einigkeit zu gewinnen. Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte hält es für "sehr schwer vorstellbar", dass "innerhalb der nächsten Wochen" ein Preisdeckel festgelegt werden könne.

Der Streit innerhalb der EU, ausgelöst durch Deutschlands Solo-Wumms, schwelt unter der Oberfläche weiter.

Die Angst des deutschen Kanzlers

So rückt etwa die französische Zeitung Le Monde in Ihrem heutigen Bericht zum EU-Rats-Gipfel zur Energie die Bremser-Aktivitäten von Kanzler Scholz gegen einen fixen Gaspreisdeckel in den Mittelpunkt.

Der Kanzler soll sich nach Informationen der französischen Zeitung gestern beim belgischen Alexander De Croo danach erkundigt haben, ob es mit einer Preisobergrenze noch Gas am Terminal des belgischen Hafens Zeebrugge geben wird. "Werden Sie mir immer noch welches schicken können?"

Letztendlich soll Scholz sich dann bereit erklärt haben, eine Obergrenze für den Gaspreis nicht auszuschließen. Die Begründung, mit der Scholz von Le Monde zitiert wird, klingt für deutsche Ohren sehr vertraut:

"Ich sage zu nichts nein, ich sage nicht ja", erklärte er seinen Partnern. "Wenn ich keine Lösung wollte, hätten wir den Rat abgebrochen", fuhr er fort. Nach der Sitzung wiederholte Scholz seine "Zweifel".

Le Monde

Das Urteil von deutschen EU-Beobachtern fällt entsprechend harsch aus. Statt auf die EU-Partner zuzugehen und an einem europäischen Pendant zum deutschen 200-Milliarden-Euro-Entlastungspaket mitzuwirken, habe Scholz in Brüssel auf stur geschaltet, kommentiert Eric Bonse: "Kein verbindlicher Preisdeckel und keine neuen EU-Hilfen, so seine Ansage." Die Hilfe aus Brüssel komme somit viel zu spät, falls sie überhaupt komme.

Auch Ungarn sträubt sich gegen einen Gaspreisdeckel.

Nächste Woche sollen sich die EU-Energieminister zusammensetzen, um den Fahrplan weiterzubringen.

Immerhin meldet Bloomberg, dass nach der EU-Einigung über eine gemeinsame Absicht, Sofortmaßnahmen voranzutreiben, die europäischen Erdgaspreise gefallen seien.