Energiepartnerschaft für "putinfreies Gas": Habeck will mehr Katar wagen
Minister auf Beschaffungstour: Um die Abhängigkeit von russischem Gas zu überwinden, sollen jetzt radikalislamische Golfemirate Ersatz liefern
Hauptsache "putinfrei": Um energiepolitisch unabhängiger von Russland zu werden, setzt das "rot-grün-gelb" regierte Deutschland nun verstärkt auf Gas aus arabischen Golfmonarchien. Am Wochenende hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) Katar besucht und eine langfristige Energiepartnerschaft mit dem Emirat vereinbart – weniger als ein Dreivierteljahr, nachdem seine Parteifreundin Annalena Baerbock einen Boykott der Herrenfußball-WM in Katar gefordert hatte.
Die damalige Kanzlerkandidatin und heutige Außenministerin Baerbock hatte dies mit der Nähe des Regimes in Katar zu den radikalislamischen Taliban in Afghanistan begründet. Nun soll aber die Gasversorgung in Deutschland "diversifiziert" werden und unter anderem Katar ein wichtiger Partner werden.
"Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat die Frage der Energiesicherheit auch in das Zentrum der internationalen Diskussion gerückt", hatte Habeck dazu kurz vor seiner Abreise erklärt. "Wir müssen mehr denn je für eine globale Energiewende werben und aktuell die Diversifizierung von Erdgasquellen vorantreiben." Habeck betonte, "kurzfristig und vorübergehend" werde mehr Flüssigerdgas benötigt – und dies solle an eigenen deutschen Terminals angelandet werden.
Ganz kurzfristig geht das wohl nicht, denn die Terminals müssen erst einmal gebaut werden. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat dafür in seiner Regierungserklärung zum Ukraine-Krieg am 28. Februar die Standorte Brunsbüttel und Wilhelmshaven genannt.
Zumindest Teile dieser Infrastruktur könnten aber laut Habeck auch für den Import von Wasserstoff genutzt werden. Die Umstellung von konventionellem Erdgas auf grünen Wasserstoff müsse jetzt noch schneller auf den Weg gebracht werden, hatte er am Freitag betont. "Dies geht am besten im europäischen und internationalen Verbund. Für beides sind unsere Partner in Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten von zentraler Bedeutung."
Nach Angaben des katarischen Energieministeriums will Deutschland jetzt den Bau zweier Terminals für Flüssiggas "beschleunigen". Die zuvor stagnierten Gespräche über Gaslieferungen aus Katar sollten nun weiter "vorangetrieben" werden.
"Keine Koppelgeschäfte"
"Wir hatten ein fruchtbares Gespräch über den Ausbau unserer wirtschaftlichen Zusammenarbeit zur Verwirklichung gemeinsamer Interessen, insbesondere in den Bereichen Technologie, Umwelt und Energie", erklärte Katars Außenminister Mohammed bin Abdulrahman Al-Thani nach dem Treffen mit "Seiner Exzellenz Dr. Robert Habeck, deutscher Vizekanzler und Minister für Wirtschaft und Klimaschutz".
Habeck betonte im Anschluss im Gespräch mit der ARD, bei dem Deal in Katar habe es "keine Koppelgeschäfte" gegeben. "Waffenlieferungen waren überhaupt nicht Thema der Reise."
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International wirft dem Golfemirat vor allem die Verletzung der Rechte von Frauen, Mädchen und Arbeitsmigranten vor. Bis zum 25. Lebensjahr sind junge Frauen dort faktisch Gefangene ihrer Familien beziehungsweise eines gesetzlichen männlichen Vormunds, ohne dessen Erlaubnis sie nicht das Haus verlassen dürfen.
Männliche Arbeitsmigranten sind in Katar häufig auf Baustellen tätig, die mittelbar oder direkt im Zusammenhang mit den WM-Vorbereitungen stehen. Tausende Arbeiter kamen dort durch fehlende Schutzmaßnahmen ums Leben.
Arbeitsmigrantinnen, die als Hausangestellte arbeiteten, waren zuletzt trotz eines 2017 eingeführten Gesetzes für Hausangestellte "weiterhin schweren Formen von Missbrauch und Ausbeutung ausgesetzt und hatten keinen Zugang zu Rechtsmitteln", heißt es im Amnesty-Jahresbericht für 2020. In jenem Jahr seien auch erstmals seit 20 Jahren wieder Todesurteile vollstreckt worden.
Homosexuelle leben zwar in Katar nicht ganz so gefährlich wie in den Vereinigten Arabischen Emiraten, müssen aber auch mit mehrjährigen Haftstrafen rechnen. "Homosexuelle Handlungen werden in den Vereinigten Arabischen Emiraten mit dem Tode bestraft, in Katar mit bis zu fünf Jahren Haft", betonten Luca Renner und Frank Laubenburg von der Bundesarbeitsgemeinschaft Queer in der Partei Die Linke in einer Pressemitteilung. Überschrift: "Kein Blut für Gas". In die Vereinigten Arabischen Emirate begab sich Habeck nämlich gleich im Anschluss zu weiteren Gesprächen an diesem Montag.
"Wir werden die Pest künftig nicht nur aus einer Quelle beziehen" - das sei das zentrale Argument von Robert Habeck" für den Gas-Deal zwischen Deutschland und Katar, kommentierte Friedrich Küppersbusch den Sachverhalt für den RBB-Sender radioeins am Montag.
Im Bundestagswahlkampf hatte der ehemalige Grünen-Chef und jetzige Agrarminister Cem Özdemir noch der Partei Die Linke ein "rein taktisches Verhältnis zu Menschenrechten" vorgeworfen.
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