Energiewende: Sind Windräder der Vögel schlimmster Feind?
Der Bau neuer Windkraftanlagen ruft Gegner der Erneuerbaren auf den Plan. Einige entdeckten tote Vögel für sich. Doch die Tiere haben bedeutsamere Feinde.
Katzenliebhaber werden es nicht gerne hören, aber zu den bedeutendsten Gefahren für den Vogelbestand zählen heute Hauskatzen. Wo sie frei herumlaufen, erbeuten sie Vögel. Schätzungsweise 20 bis 100 Millionen Vögel pro Jahr fallen streunenden Hauskatzen zum Opfer.
Aber auch der Mensch ist der Vögel Feind. Während im Mittelmeerraum – vorwiegend in Ägypten und Italien jährlich bis zu 25 Millionen Wildvögel trotz Verbots als Delikatesse im Kochtopf landen, hat sich in Deutschland der Verkehr zu einer beachtlichen Bedrohung für die Vogelwelt entwickelt.
Auszugehen ist von rund 70 Millionen Vögeln, die durch Autos, Lastwagen und Züge getötet werden. Das Problem sind zu hohe Geschwindigkeiten und Sträucher mit Nahrung entlang der Verkehrswege.
Ab einem Tempo von mehr als 120 Kilometern in der Stunde können Vögel die Fluchtdistanz nicht mehr richtig einschätzen und fliehen zu spät.
Auch beim Start eines Flugzeuges ist ein Vogelschlag im Flugzeugtriebwerk für den Vogel immer tödlich. Für die Passagiere kann eine Flugente in einem Triebwerk jedoch ebenfalls ihr Ende besiegeln. Daher simuliert man seit geraumer Zeit die Vogelschlagfestigkeit eines Triebwerks am Boden. Wurden dazu ursprünglich tote Vögel verschossen, werden heute sogenannte Kunstvögel benutzt. Das sind Projektile, deren Masse und Konsistenz der eines großen Vogels ähnelt.
Vogelschlag an Einrichtungen der Elektrizitätsversorgung
Der Naturschutzbund NABU geht von rund 100.000 getöteten Vögeln im Jahr an Windkraftanlagen aus. Dazu kommen noch tote Fledermäuse und Insekten. Gerade bei den geschützten Fledermäusen gibt es inzwischen Abmachungen mit den Betreibern von Windkraftanlagen, diese abzustellen, wenn Fledermäuse fliegen.
Bis zu 2,8 Millionen Vögel kommen in Deutschland jedoch an Freileitungen zu Tode. Das deutsche Freileitungsnetz grundsätzlich vergraben zu wollen, ist aber auch keine Lösung. Heute sind noch Freileitungstrassen in Betrieb, welche vor über 100 Jahren errichtet wurden – und neu errichtete Kabeltrassen für die Anbindung der nördlichen Windparks an die südlichen Verbraucher sorgen dafür, dass auf der Trasse keine Hochwasserpolder errichtet werden können.
Weitere Probleme bei in der Erde verlegten Kabeltrassen bestehen in der notwendigen Ableitung der anfallenden Wärme und der Degradierung der Isolierungen, die zu Erdschlüssen führen kann.
Häuser als größte Gefahr für Vögel
Ganz oben auf der Gefahrenliste für Vögel stehen heute Gebäude mit Fenstern und Glasfronten. 100 bis 115 Millionen Vögel sterben an diesen für die Vögel nicht erkennbaren Oberflächen. Betroffen sind vor allem Singvögel. Spiegelnde Oberflächen täuschen eine tiefere Umgebung vor, klare Scheiben nehmen Vögel nicht als Hindernis wahr – und Licht hinter den Scheiben verwirrt bei Dunkelheit. Vögel verwechseln die künstliche Beleuchtung mit natürlichen Orientierungspunkten wie Mond oder Sternen.
Die Ursachen, die dazu führen, dass Vögel mit Scheiben kollidieren, sind schon lange bekannt. Es sind Transparenz oder Reflexion. Die Vögel sehen durch die Glasscheibe hindurch Bäume oder Sträucher und wollen dorthin fliegen. Sie sehen oft auch die Spiegelung ihres Ziels in der Scheibe. In beiden Fällen prallen fliegende Vögel mit erheblicher Geschwindigkeit gegen das Glas. Die Folge sind meist starke Kopf- oder innere Verletzungen. Kein Vogel kann Glas erkennen.
Vogelarten, die auch in Siedlungsräume kommen, sowohl als Brutvögel als auch als Durchzügler oder im Winter, sind ″glasgefährdet″. Grundsätzlich hat jede Glasscheibe ein Gefährdungspotenzial. Die konkrete Gefahrensituation hängt vom Umfang von Glas an der Fassade, der Durchsicht, möglichen Reflexionen und dem konkreten Standort ab. Als unproblematisch gelten Fassaden mit Fenstern unter 1,5 m² Fläche.
Gefährlicher sind frei stehende Glaswände wie an Wartehäuschen des ÖPNV und zusammenhängende Glasbereiche von mehr als sechs Quadratmetern. Je mehr Vegetation sich in der Glasscheibe spiegelt, desto größer ist die Gefahr, dass sie Vögeln zum Verhängnis wird. Straßenbäume, die von Vögeln genutzt werden, locken auch als Spiegelbild.
Vegetation hinter Glas wie Gewächshäuser oder Wintergärten können eine regelrechte Vogelfalle darstellen. Bei Hochhäusern mit einem höheren Glasanteil, der den freien Himmel spiegelt, steigt die Gefahr für alle über Baumhöhe fliegenden Vögel.
Möglichkeiten zur Vermeidung von Vogelschlag
Wo große Glasfronten unverzichtbar sind, kann Vogelschlag an Glas durch technische Maßnahmen reduziert werden. Man kann die Gläser sandstrahlen, ätzen oder mit Digital- oder Siebdruck modifizieren. Diese dauerhaft wirksamen Maßnahmen sind sinnvoller als nachträgliche Lösungen wie das Aufkleben von Folien, die immer wieder erneuert werden müssen.
Als Faustregel kann man davon ausgehen, dass Vögel senkrechte Linien ab fünf Millimeter Breite wahrnehmen. Kantenabstände von maximal 95 Millimetern sind erforderlich, damit Vögel nicht zwischen ihnen hindurch fliegen. Bei horizontalen Linien sind drei Millimeter Breite ausreichend, bei einem maximalen Kantenabstand von 47 Millimetern. Vögel müssen diese Markierungen gut erkennen können. Um gegen Reflexionen wirksam sein zu können, müssen Markierungen außen auf das Glas angebracht werden.
Die Glasfronten des 2020 mit neun Jahren Verspätung eröffneten Flughafens Berlin-Brandenburg (BER) sind bis heute ein Problem für Vögel. Hier verenden sie massenhaft. Das Problem soll seit 2012 bekannt sein, ohne dass man über die Planungsphase für Lösungen zur Reduzierung des Vogelschlags hinausgekommen ist.