England den Engländern?
Die Tories könnten von der geplanten Regionalisierung Großbritanniens profitieren, wenn schottische, walisische und nordirische Abgeordnete nicht mehr über englische Angelegenheiten abstimmen dürfen
Nach dem Unabhängigkeitsreferendum in Schottland debattiert das britische Parlament, wie die den Schotten vor der Volksabstimmung gemachten Versprechen über neue Kompetenzen konkret umgesetzt werden sollen. Trotz des wenige Tage vor dem Nein zur Unabhängigkeit veröffentlichten gemeinsamen "Eids" von David Cameron, Ed Milliband und Nick Clegg sind sich die drei etablierten Parteien keineswegs einig, welche neuen Einnahmequellen Schottland konkret bekommen soll.
Während die Liberaldemokraten vorgeschlagen haben, die Einkommens-, Kapitalertrags- und Erbschaftssteuer zukünftig vom schottischen Parlament festsetzen zu lassen, möchten die Tories den Schotten ausschließlich die Zuständigkeit für die Einkommensteuer überlassen. Noch zurückhaltender ist die Labour Party, die lediglich begrenzte Abweichungen von der Einkommensteuer im Rest Großbritanniens zulassen will.
Labour und die Liberaldemokraten möchten außerdem, dass vorerst nur dem schottischen Parlament und der schottischen Regionalregierung mehr Macht übertragen wird. Über die anderen drei Regionen des Vereinten Königreichs wollen sie erst nach der nächsten Unterhauswahl verhandeln, die voraussichtlich im Mai 2015 stattfindet. David Cameron will dagegen eine komplette Föderalismusreform, die nicht nur Schottland, Wales und Nordirland, sondern auch die mit großem Abstand einwohnerstärkste Region England betreffen soll, für die bislang kein Selbstverwaltungsgremium, sondern das Westminster-Unterhaus entscheidet.
In diesem Westminster-Unterhaus sitzen neben 533 Abgeordneten auch England auch 59 aus Schottland, 40 aus Wales und 18 aus Nordirland. Die 117 Mandatsträger aus den letzten drei Regionen dürfen bislang auch dann mitreden und abstimmen, wenn es ausschließlich um englische Angelegenheiten geht. Die Tories wollen das ändern. Für sie hätte das den Vorteil, dass sie in einem rein englischen Parlament zukünftig vielleicht Mehrheiten hätten, die ihnen in Westminster fehlen:
Die Schotten wählten beim letzten Mal nämlich 41 Labour-Kandidaten, elf Liberaldemokraten, sechs Vertreter der Scottish National Party (SNP) und nur einen einzigen Tory. Aus Wales kommen aktuell 26 Labour-Mandatsträger, drei Liberaldemokraten, drei walisische Regionalisten von Plaid Cymru und acht Tories. Und in Nordirland gingen 2010 16 Sitze an religiös gebundene Regionalparteien verschiedener Radikalitätsgrade, einer an eine überkonfessionelle Regionalpartei und ein weiterer an eine unabhängige Kandidatin. Die (im engeren Sinne) englischen Wähler entsandten dagegen 296 Tories nach Westminster - deutlich mehr als die in der Region gewählten 191 Labour-Abgeordneten, 42 Liberaldemokraten und vier Sonstigen zusammen.
Dass nur in England gewählte Abgeordnete über (im engeren Sinne) englische Belange abstimmen sollten, finden einer neuen Umfrage zufolge auch 62 Prozent der britischen Wähler. Die Labour-Party kann sich dieser Gerechtigkeitslücke deshalb nicht komplett verschließen und versucht, die unvermeidliche Debatte mit neuen Vorschlägen zu drehen: So fordert beispielsweise die Labour-Abgeordnete Diane Abbott, dass nicht England, sondern die Stadt London und andere englische Großstädte ähnliche Selbstverwaltungsrechte bekommen sollten wie Schottland.
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