Englische Kommunalwahlen: UKIP praktisch verschwunden

Grafik: TP

Tories, Labour, Liberaldemokraten und kleinere Parteien übernehmen die Sitze der ehemaligen Brexit-Kämpfer

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Nach Wahlen ist es häufig so, dass sich alle oder fast alle beteiligten Parteien als Gewinner darstellen. Bei den gestern abgehaltenen Kommunalwahlen in Teilen Englands fällt ihnen das nicht schwer, weil fast alle zulegen konnten: Nach dem Auszählen aller Kommunen bis auf zehn Nachzügler sind es bei Labour Party 62 auf insgesamt 2.072 Sitze, bei den Liberaldemokraten 59 auf 486 und bei den kleineren Parteien 21 auf 176. Sogar die Tories, bei denen vorher mit starken Einbußen gerechnet wurde, lagen während der Auszählung heute lange im Plus und erst gegen Ende bei einem Verlust von 19 auf 1.294 Sitze.

Dass sie nicht stärker verloren, lag am faktischen Verschwinden der United Kingdom Independence Party (UKIP), die bis auf drei alle ihrer vorher deutlich über Hundert Sitze verlor. Gründe dafür dürften sein, dass ihre Wähler mit dem Brexit bekamen, was sie wollten, und dass der charismatische UKIP-Vorsitzende Nigel Farage seinen Hut nahm, nachdem er mit der Partei sein Ziel eines Ausstiegs aus der EU erreicht hatte (vgl. Der Führer, der anscheinend doch keiner sein wollte). Als Nachfolger wählte die UKIP nicht den ähnlich charismatischen Raheem Kassam, sondern eine Reihe mediokrer Personen.

Farage fordert Volksabstimmung über Abschaffung des House of Lords

Farage, der nun hauptberuflich eine Radiosendung moderiert, hat letzte Woche eine Art Teilrückkehr in die Politik angedeutet, ohne dabei allerdings die UKIP zu erwähnen: Nach einem 335-zu-244-Votum des House of Lords für eine Genehmigungspflicht der Brexit-Verhandlungsergebnisse am Dienstag plädierte er im Telegraph für eine Volksabstimmung über die Abschaffung dieses Oberhauses, dessen Mitglieder zwar großzügig versorgt, aber nicht gewählt werden. In Bayern wurde eine ähnliche Volksinitiative zur Abschaffung des Senats 1998 nicht nur mit einer fast siebzigprozentigen Mehrheit angenommen, sondern galt durch die immense Zahl der Unterschriften dafür auch als wichtiger Faktor für den Bedeutungsgewinn dieses direktdemokratischen Instruments.

Tories verteidigen Wandsworth, Labour gewinnt Plymouth

Durch das praktische Verschwinden der UKIP gelang es den Tories (deren umstrittenen Innenministerin Amber Rudd letzte Woche möglicherweise gerade noch rechtzeitig zurücktrat) unter anderem, den Londoner Stadtteil Barnet, Basildon in Essex und Peterborough in Cambridgeshire zu gewinnen. In den Räten dieser Kommunen gab es vorher keine klaren Mehrheiten. In Westminster, Wandsworth, Kensington und Chelsea behielten sie trotz-Labour-Zugewinnen ihre Mehrheiten, weil ihnen Stimmen ehemaliger UKIP-Wähler zuflossen. Im Londoner Stadtteil Richmond (den sie an die Liberaldemokraten abgeben mussten) und in Trafford bei Manchester und in der Hafenstadt Plymouth (wo Labour gewann) reichte dieser Effekt nicht aus.

Außer in Plymouth und Trafford siegte die Partei von Jeremy Corbyn auch in Kirklees (wo es vorher unklare Mehrheitsverhältnisse gab), verlor aber Nuneaton, Bedworth und Derby. Wenig überraschend konzentrierte sich Corbyn in seiner Ansprache heute Vormittag auf das seinen Worten nach "fantastische Ergebnis" in Plymouth, das zeige, dass Labour in Südengland wieder eine Größe sei, mit der man rechnen müsse, während Premierministerin Theresa May in Wandsworth betonte, dass Labour diesen Stadtteil trotz eines gigantischen Werbeaufwands nicht erobern konnte. Dazu, dass letzteres nicht geschah, dürfte unfreiwillig auch der Londoner Labour-Bürgermeister beigetragen haben, der sich um "Hass"-Tweets kümmerte, während seine Stadt in der internationalen Mordstatistik unlängst New York überholte.

May geht aus der Kommunalwahl gestärkt hervor, weil die Medien vorher bessere Ergebnisse für Labour und schlechtere für die Tories erwartet hatten. Wie sich das auf die Brexit-Verhandlungen auswirkt, bleibt abzuwarten.

Yorkshire Party überholt Tories in Castleford Central und Glasshoughton

In Sheffield, der Stadt, aus der unter anderem die Human League und ABC kommen, landete Mick Bower von der Yorkshire Party (vgl. "Das Vereinigte Königreich hat keine einheitliche Wirtschaft") mit 8,7 Prozent nur knapp hinter dem Bürgermeisterkandidaten der Liberaldemokraten. In Rotherham erreichte die erst seit 2014 existierende Partei Platz 3 und in Castleford Central und Glasshoughton, wo sie die Tories überholte, sogar Platz 2.

In Schottland, Wales und Cornwall wurde gestern nicht gewählt. In Nordirland verteidigte die katholische Sinn Féin bei einer Nachwahl in West Tyrone einen Westminsterparlamentssitz, den der Kandidat der Partei aber nicht wahrnimmt, weil der der englischen Königin nicht die Treue schwören will (vgl. UK: Debatte um Labour-Duldung durch Sinn Féin).