Erdöl - Neuer Anlauf im Südsudan
Nach dem Bürgerkrieg: Die Wiederbelebung des Ölsektors hängt vom Einvernehmen mit den Nachbarn im Norden ab, von denen man sich gerade gelöst hat - Teil 1
Seit seiner Unabhängigkeit vom Sudan im Juli 2011 war die Ölindustrie im Südsudan durch politische Interventionen und bewaffnete Konflikte erneut stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Das vom Bürgerkrieg heimgesuchte Land könnte nun zu einem bedeutenden Ölproduzenten in Afrika werden - wenn der im September 2018 zwischen den Konfliktparteien ausgehandelte Friedensvertrag hält. Beobachtern zufolge ist der Frieden jedoch brüchig: kleinste Lageveränderungen können sein Ende bedeuten, wie vorangegangene Versuche zur Beilegung des Konflikts zeigten, wie etwa das Friedensabkommen vom August 2015, das den Menschen in der Gegend zwar eine kleine Atempause verschaffte, jedoch nicht verhindern konnte, dass die Kämpfe im Juli 2016 wieder ausbrachen.
Neben der Beschaffung dringend benötigter ausländischer Investitionen hat der Ölsektor des Südsudans vor allem ein geografisches Problem: Das Land verfügt mit 75 Prozent der Erdölreserven des Gebiets des ehemals vereinten Sudans über die drittgrößten Vorkommen in Schwarzafrika, gleich nach Nigeria und Angola. Es ist jedoch vom Seeweg abgeschlossen und muss sich auf den benachbarten Sudan verlassen, um das Öl per Pipeline auf den Weltmarkt zu bringen. Eine bestehende Vereinbarung über die Nutzung der Pipeline-Infrastruktur läuft Ende 2019 aus.
Modernisierung der Ölförderung: Nur im Frieden möglich
Die produktivsten Ölfelder der einst vereinten Nation erstrecken sich über die territoriale Grenze beider Länder, ein Umstand, der die Eigentumsverhältnisse kompliziert gestaltet: die Ausbeutung der Erdölvorräte hatte bereits wenige Monate nach der Erlangung der Unabhängigkeit des Südsudans Konflikte mit dem Nachbarn im Norden ausgelöst.
Unruhen aufgrund von Meinungsverschiedenheiten über die Aufteilung der Öleinnahmen und zusätzliche Grenzstreitigkeiten haben die Ölproduktion gedrosselt und den Willen zu Investitionen in beiden Ländern gebremst. Der damals noch vereinte Sudan hatte als Newcomer erst 1999 mit der Ölförderung begonnen. Zur Zeit seiner Spitzenproduktion förderten die Sudanesen knapp 500.000 Barrel pro Tag. 2017 betrug die durchschnittliche Erdölförderung im Sudan und im Südsudan keine 200.000 Barrel pro Tag mehr. Es wird als unwahrscheinlich angesehen, dass eines der beiden Länder die Produktion nun steigern kann, ohne wesentliche Verbesserungen der Sicherheitslage, Neuakquisen bei Auslandsinvestitionen für die Modernisierung der in die Jahre gekommenen Erdölförderung sowie bedeutende neue Entdeckungen von Lagerstätten vorweisen zu können. Einige der erschlossenen Ölfelder des Sudans sind nahezu erschöpft. Die Betreiber versuchen, die Verringerung der Produktionsleistung durch Verwendung von EOR-Techniken (Enhanced Oil Recovery) wettzumachen, der Rückgang geht jedoch voraussichtlich weiter.
Trotz nachgewiesener Reserven von 85 Milliarden Kubikmetern Erdgas in Nord und Süd findet gegenwärtig keine Förderung statt. Das bei der Erdölförderung anfallende Erdgas wird abgefackelt oder zurück in den Untergrund gepresst.
Der Südsudan strebt unterdessen eine Steigerung der Ölförderung auf 200.000 Barrel pro Tag an, nachdem Ende Dezember 2018 das Unity-Feld wieder in Betrieb genommen worden war. Die besten Aussichten für neues Öl werden im Südsudan im Bundesstaat Jonglei verortet. Die große, abgelegene und instabile Region ist jedoch kaum ein Traumziel für ausländische Ölkonzerne, die Gelegenheiten für eine kostengünstige und risikofreie Förderung suchen.
Die Bewahrung des Friedens in der Region ist Grundbedingung für eine Erholung des Sektors und von mehreren Faktoren abhängig. Zwar habe sich Beobachtern zufolge seit der Unterzeichnung des Friedensabkommens die allgemeine Sicherheitslage im Land erheblich verbessert. Und doch kommt es auch weiterhin zu sporadischen Auseinandersetzungen. Seit der Erklärung der Unabhängigkeit vom Sudan 2011 treten immer wieder Konflikte zutage. Bei Kämpfen im Land wurden seitdem schätzungsweise 400.000 Menschen getötet. Und immer wieder geht es um Öl, wie etwa in der Heglig-Krise von 2012, als es rund um die kleine Grenzstadt Heglig im Konzessionsgebiet 2 zu heftigen Kämpfen zwischen der sudanesischen und südsudanesischen Armee kam.
Ein etwas länger zurückliegendes Beispiel sind die Kämpfe verfeindeter Milizen um die Kontrolle des Konzessionsgebietes 5a, die mit den Arbeiten zur Erschließung der Lagerstätten kurz vor der letzten Jahrtausendwende begannen, mit verheerenden Folgen für die Zivilbevölkerung: von den ursprünglich 240.000 Bewohnern des Gebiets wurden zwischen 1997 und 2003 geschätzte 12.000 Menschen getötet oder starben an Hunger, weitere 160.000 wurden gewaltsam vertrieben. Die Förderung wurde 2006 aufgenommen.
Öl nach dem Bürgerkrieg
Der Bürgerkrieg im Südsudan hatte 2013 begonnen, keine zwei Jahre nach der Unabhängigkeit. Der Krieg hat ein Viertel der 12 Millionen Einwohner entwurzelt, die Ökonomie und Landwirtschaft des Landes ruiniert. Und er hat die südsudanesische Ölförderung zu einem beträchtlichen Teil lahmgelegt. Sie wurde während dieser Zeit nur in den Bundesstaaten am Oberen Nil fortgesetzt. Hier im Melut-Becken wird die Sorte Dar aus dem Boden geholt, ein schweres, paraffinisches Öl, das während seines Transports beheizt werden muss, damit es nicht erstarrt. Die entsprechend ausgestattete Petrodar-Pipeline (PDOC) bringt das Öl nach Port Sudan.
In den zentraler gelegenen Ölgebieten des Muglad-Beckens kam die Förderung aufgrund ständiger Kämpfe fast vollständig zum Erliegen. Dort, in der Nähe der Stadt Bentiu, beginnt auch die trans-sudanesische Ölpipeline oder Greater Nile Oil Pipeline, die das Öl von Unity (Konzessionsgebiet 1) und Heglig (Konzessionsgebiet 2) nach Port Sudan transportiert. Reserven und Qualität des dort produzierten mittelschweren, paraffinischen und schwefelarmen Öls der Sorte Nile übertreffen die des Produkts vom Oberen Nil deutlich. Die Sicherheit des Muglad-Beckens ist nicht zuletzt deshalb für das Hochfahren der Ölförderung im Südsudan von zentraler Bedeutung. In den noch westlicher gelegenen Ölregionen wie etwa im Konzessionsgebiet 6 wird die Sorte Fula gefördert. Dieses sehr saure Öl geht nicht in den Export, es wandert zur Bedienung des Binnenmarktes in die Raffinerie von Khartum, eine 100.000-Barrel-pro-Tag-Anlage, die von den Chinesen betrieben wird.
Im Südsudan gibt es bisher keine arbeitenden Raffinerien. Die Diskussion um einen zwischenzeitlich anvisierten Pipeline-Verbund ins kenianische Lamu am Indischen Ozean ist nach Ausbruch des Bürgerkriegs und dem Absturz des Ölpreises wieder abgeebbt. Der einzige Weg, über den das Öl zu den Exportmärkten fließen kann, ist über die Pipeline, die nach Port Sudan am Roten Meer führt. Die vom Sudan nach der Unabhängigkeit Südsudans eingeforderte Pipeline-Transitgebühr war Auslöser eines Streits zwischen beiden Ländern, der zu einem Stopp der Ölförderung im Süden führte. Um den Sudan am Ball zu halten, wurde durch diplomatische Vermittlung in der Folge eine Pipeline-Transitgebühr von 25 US-Dollar pro Barrel ausgehandelt. 15 US-Dollar dieser Gebühr sollen in die Tilgung von Schulden fließen, die anteilig noch aus der Zeit vor der Unabhängigkeit datieren. Die noch dazu seit 2014 gefallenen Ölpreise haben die Einnahmen Südsudans aus dem Ölgeschäft drastisch geschmälert.
Der Sudan hat gleich mehrere Gründe, an einer Steigerung der Förderung im Süden interessiert zu sein, da die Sanierung der zerstörten Ölinfrastruktur sowie die Gewährleistung der physischen Sicherheit der Arbeiter an den südsudanesischen Förderstätten von nun an unter der Kontrolle des Nordens stehen. Chinesische, malaysische und indische Investoren haben ebenfalls ein gesteigertes Interesse, ihre mittlerweile eingefahrenen neunstelligen Verluste auszugleichen.
Das Friedensabkommen von Khartum, das die Streitigkeiten zwischen den Bürgerkriegsparteien im Südsudan beilegen soll, legitimiert nun die Anwesenheit des sudanesischen Militärs auf dem Territorium des Südsudans, dessen Bevölkerung dieses Vertragsdetail mit gemischten Gefühlen sieht.
Um einen florierenden Ölsektor zu etablieren, sind beide Länder verdammt, friedlich miteinander auszukommen. Die wechselseitige Abhängigkeit voneinander macht sowohl dem Sudan als auch dem Südsudan zu schaffen: bis heute haben Unterbrechungen der Ölförderung, Streitigkeiten über die Aufteilung der Erlöse und letztens niedrigere Ölpreise die Volkswirtschaften beider Länder beeinträchtigt. Der Ausbruch des Bürgerkriegs 2013 im Südsudan behinderte die Ölförderung zusätzlich. Eine pragmatische Hoffnung: dass Chinas Einfluss auf beide Seiten dafür sorgt, dass das Friedensabkommen vom September 2018 von dauerhafterer Natur sein könnte als seine Vorläufer.
Demnächst Teil 2: Hält der Frieden am Nil?