Erdölvorkommen einmal anders betrachtet
Wie über das Alter des Rohöls die Kosten der Suche nach neuen Lagerstätten zu reduzieren sind
Nach der "biogenetischen Theorie" entsteht Erdöl aus organischem Material unter hohem Druck und hoher Temperatur. Zunächst von Sedimenten bedeckt, werden "Kerogene" gebildet, die leichter als Wasser sind und sich beim Migrieren des Erdöls zu Bitumen oder in flüssige Formen umwandeln und dann bis zu den undurchlässigen Gesteinsschichten aufsteigen. Allerdings konnte die Dauer dieser Entwicklung nicht bestimmt werden.
David Selby und Robert Creaser vom Department of Earth and Atmospheric Science an der Universität von Alberta legen nun in Science Berechnungen vor, die erstmals aus der Probe selbst eine Zeitangabe erlauben. Im "Western Canada Sedimentary Basin" (WCSB) in der Provinz Alberta haben die Forscher zahlreiche Analysen gewonnen und daraus das Alter des Bitumens ermittelt. Zwei Elemente, die im Bitumen gefunden werden, dienen als radioaktive Uhr, nämlich Rhenium und Osmium. So zerfällt Rhenium (Re 187) zu Osmium (Os 187), und das über Millionen von Jahren. Aus diesen Werten berechnen die Forscher die durchschnittliche Verweilzeit des Bitumens mit durchschnittlich 112 Millionen Jahren. Ferner messen sie die Osmium-Konzentration der Steine, die das Erdöl aufgenommen haben. In den vorliegenden Proben bestehen keine wesentlichen Unterschiede. Lediglich aus Provost werden Werte gemessen, die "nur" unwesentlich älter sind (121 Millionen Jahre).
Die Untersuchungen sind aus zwei Gründen bemerkenswert. Zum einen bestätigen die Ergebnisse vielfältige "indirekte" Befunde, wie sie bisher bereits bekannt waren. Zum anderen sind die Rhenium- und Osmium-Werte offensichtlich geeignet, über den Verlauf von Millionen von Jahren hinreichende Informationen zu liefern. Bisher wurde mit dieser Methode über die Entstehung des Goldes berichtet. Jason Kirk und Mitarbeiter ermittelte nämlich die Lebensdauer der größten Goldmine in Witwatersrand in Südafrika: Drei Milliarden Jahre für das Gold, während die umgebenden Steine sehr viel jünger waren.
Die bisherige Regel ist zu einfach
"Wo viel ist, wird noch mehr zu finden sein." Mit dieser Maxime gingen die Geologen der Mineralölgesellschaften auf Erdölsuche. Können damit alle Vorkommen der Erde erfasst werden? Wohl kaum, wie das zweitgrößte Western Canada Sedimentary Basin (WCSB) beweist oder die weltgrößte Region, die im Orinoco-Gebiet von Venezuela liegt. Tatsächlich haben die Geologen die Orte, in denen Rohöl und Erdgas gefunden werden, bisher mehr oder weniger zufällig entdeckt.
Für die Entwicklung des Rohölmarktes sind neben den internationalen Bedarf vor allem folgende Fragen relevant: Wie viel Erdöl kann noch gefördert werden, wo liegen neue Quellen und lohnt sich ihre Erschließung? Der Geologe Colin Campbell prognostizierte 2004, dass die Weltölproduktion um 2016 ihren Höhepunkt überschritten habe, außerhalb des Nahen Ostens schon 2006 (Erdölerschließung in Deutschland). Andere Berechnungen lassen aber den Schluss zu, dass erst 2040 der Scheitelpunkt erreicht ist.
British Petrol (BP, London) ging in seinem Weltenergiebericht 2003 von gesicherten Erdölreserven Ende 2002 in Höhe von 1047 Milliarden Barrel aus. Saudi-Arabien ist mit 22 Millionen Barrel pro Tag der größte Lieferant. Die Internationale Energie-Agentur (IEA) forderte die Staaten des mittleren Ostens auf, bis 2030 rund 400 Milliarden US-Dollar in den Ausbau der Explorationstechnik zu investieren, damit das Preisniveau erhalten wird. Damals lag der Preis noch bei 36 US-Dollar. Inzwischen ist ein Barrel (159 Liter) nicht unter 50 US-Dollar zu bekommen. Einige Experten vermuten gar, dass sich die Preisentwicklung auf 150 US-Dollar einpegeln wird.
Die Ursache für diesen vermehrten Verbrauch sind nicht nur die USA, der weitaus größte Konsument von Erdöl, sondern in zunehmendem Maße China, das schon längst den zweiten Platz vor Japan, Russland und Deutschland eingenommen hat. Der Weltverbrauch bemisst sich zur Zeit auf 80 Millionen Barrel pro Tag. Gleichwohl führt die Verteuerung der Rohölpreise in den USA und Kanada zu einem bewussten Umdenken. Nicht mehr die "unsichere" OPEC wird als entscheidende Versorgung angesehen, sondern die Gewinnung aus heimischen Quellen. Ob Alaska, dessen Anteil an der Versorgung erheblich zugenommen hat, oder das kanadische "Athabasca Oil Sand" Gebiet.
Was zunächst als zu kostenträchtig verworfen wurde, beginnt sich jetzt zu rechnen. Denn das Erdöl kann über den Tagebau gewonnen und freigesetzt werden. Allein diese Region enthält schätzungsweise ein Drittel der Erdölmengen, die auf der Welt gefunden werden, und dabei ist es nur ein Teil des bekannten Western Canada Sedimentary Basins.
Mit der neuen Testmethode werden die heute noch enormen Kosten für Probebohrungen abschätzbar. "Damit wird den Geologen erstmals die Möglichkeit gegeben, ihre Versuche zu projektieren, statt auf einen ungewissen Erfolg zu hoffen", erklärt Robert Creaser und weiter: "Das ist für die Suche von Nutzen. Denn schließlich sind ungemein viele Gebiete noch unerforscht."