Erdogans Problem mit dem türkischen Wort für Nein: "Hayir"

Seite 2: Die Haltung der Bundesregierung?

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Hasan Cemal, einer der bekanntesten kritischen Journalisten der Türkei, wurde wegen "Terror-Propaganda" zu 15 Monaten Haft verurteilt. Cemal sagte dazu nur: "Journalismus ist kein Verbrechen. Dort, wo Journalismus als Verbrechen zählt, kann es kein Recht, keine Demokratie und keine Freiheit geben." Das müsste in einem sich als demokratisch bezeichnenden Land eigentlich die Gerichte Alarm schlagen lassen.

Der Bericht der Europaabgeordneten der Linken, Martina Michels, die sich mit einer Delegation in den letzten Tagen in der Türkei aufhielt, sollte unserer Bundesregierung zu denken geben, was die zukünftige Ausrichtung ihrer Haltung zur Türkei betrifft. Der Besuch Angela Merkels im Vorfeld des Referendums war mit Sicherheit wenig hilfreich, eine Diktatur in der Türkei zu verhindern.

Vielmehr befeuert sie die Auseinandersetzung, weil neben leisen Mahnungen keine Taten folgen. Aber es kann eigentlich nicht im Interesse der Bundesregierung sein, zuzusehen, wie sich in der Türkei eine nationalistisch-islamistische Diktatur verwandelt.

Der Menschenrechtskommissars des Europarats, Nils Muižnieks, warnte in seinem am Mittwoch vorgestellten Bericht, die Türkei sei auf einem sehr gefährlichen Weg. Der Raum für eine demokratische Debatte in der Türkei sei alarmierend geschrumpft. Der Regierung fehle es an politischem Willen, die Situation zu verbessern. Auch die Justiz könne sich nicht gegen den enormen politischen Druck wehren.

Vor dem Hintergrund, dass diejenigen, die sich gegen das Referendum engagieren, extremen Repressalien ausgesetzt sind, muss die Frage gestellt werden, ob die Nein-Kampagne in der Türkei überhaupt sinnvoll ist. In Deutschland oder Europa ist sie es auf jeden Fall. Hier dürfen die Menschen ohne staatlichen Terror aufklären und für das "Nein" werben.

Yildirims Auftritt in Oberhausen

Allerdings versucht die Türkei auch in Deutschland für die Zustimmung des Referendums zu werben. Am Samstag will der türkische Premierminister Binali Yildirim in der Oberhausener König-Pilsener-Arena vor rund 10.000 türkischen Anhängern auftreten. Die Opposition läuft Sturm dagegen.

Grünen-Chef Cem Özdemir reagierte empört: "Wenn der türkische Ministerpräsident unter in Deutschland lebenden türkischen Staatsbürgern um Zustimmung für die Abschaffung der Demokratie in seinem Land werben möchte, erwarte ich zumindest, dass er dem verhafteten Vorsitzenden der Oppositionspartei HDP, Selahattin Demirtas, und allen anderen Oppositionellen ebenfalls die Möglichkeit gibt, innerhalb wie außerhalb der Türkei für eine demokratische Türkei frei werben zu dürfen. Von einer freien Abstimmung, die auch nur annähernd demokratische Standards erfüllt, kann schon lange nicht mehr gesprochen werden."

Die Bundestagsabgeordnete der Linken, Sevim Dağdelen, forderte ein Verbot der Veranstaltung. Sie sagte: "Yildirim gehört vor Gericht, nicht in die Stadthalle von Oberhausen."