Erdogans geopolitisches Vabanque-Spiel
Seite 2: Putins Pipelineträume
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Doch Ankara verfügt über eine weitere entscheidende Trumpfkarte, die bei dem Tauziehen um den Krieg um Afrin ausgespielt werden konnte. Eine knappe Mitteilung des russischen Außenministeriums, die das sechste Treffen der russisch-türkischen "Gemeinsamen strategischen Planungsgruppe" am 14. März ankündigte, verwies nicht nur auf die Diskussion über "regionale und internationale Angelegenheiten" und die "Stabilisierung" der Lage in Syrien, sondern auch auf energiepolitische Projekte, die nun forciert werden sollen:
Die Minister werden die Implementierung strategischer bilateraler Projekte (den Bau des Nuklearkraftwerks in Akkuyu und das Turkish-Stream-Gasprojekt) diskutieren, wie auch die Möglichkeit des weiteren Ausbaus des bilateralen Handels.
Russisches Außenministerium
Bei dem Treffen, bei dem die Außenminister Russlands und der Türkei anwesend sein werden, sollen somit die Pipeline-Projekte forciert werden, die Russland im Rahmen seiner geopolitischen Strategie verfolgt. Hierbei will der Kreml die weitgehende Kontrolle über die Verwertungskette von Energieträgern erlangen: von der Förderung über den Transport bis zum Verkauf an den Endkunden. Die Pipelines, die unsichere Drittstaaten wie die Ukraine oder Belarus umgehen, sind hierbei von zentraler Bedeutung.
Turkish Stream soll gewissermaßen das südliche Gegenstück zur Ostsee-Pipeline werden, um unter Umgehung der Ukraine russisches Erdgas direkt nach Europa zu liefern. Hierbei sollen die Pipelines über türkische Gewässer von der russischen Schwarzmeerküste bis in den europäischen Teil der Türkei verlegt werden. Seit Jahren geplant, oftmals in der Schwebe, sollen nun - zumindest nach Moskaus Vorstellungen - hier endlich Nägel mit Köpfen gemacht werden.
Das Projekt, das die aufgegebene South Stream Pipeline beerben soll, wurde bei einer Türkeivisite des russischen Präsidenten Ende 2014 angekündigt, um nach dem Abschuss eines russischen Kampfflugzeugs durch die Türkei im November 2015 auf Eis gelegt zu werden. Im Zuge der Wiederannäherung zwischen Ankara und Moskau wurde Turkish Stream im Oktober 2016 reanimiert.
Schon 2010 wurde hingegen das russisch-türkische Abkommen über den Bau des ersten Nuklearreaktors des Landes im südwestürkischen Akkuyu unterzeichnet, das der russische Konzern Rosatom bis 2023 bewerkstelligen soll. Auch hier, bei dem strategischen Verkauf russischer Nukleartechnik, hat Ankara gegenüber Moskau einen Machthebel in der Hand. Die Zukunft dieses strategischen Deals wurde Anfang Februar, mitten im Afrin-Krieg, infrage gestellt, als sich zwei von drei türkischen Konzernen aus dem Nuklearkonsortium mit Rosatom zurückzogen - um Moskau zu Zugeständnissen zu nötigen?