Erfrischend skurriler Held

Rayman ist zurück

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Er ist die europäische Antwort auf die Konsolenhelden aus Japan und ein erfrischender Gegenpol zum putzigen Mario (vgl. Zur Sonne, zur Freizeit), sein Gesicht weist statt des Klempners freundlichen Lächelns ein freches Grinsen auf, anstelle einer niedlichen Prinzessin mit einem Hauch von Barbie rettet er seinen liebenswürdig dummen, froschig dicken Freund Globox. Die französische Spieleschmiede Ubi Soft bringt Rayman 3 sowohl für GameCube, XBox und PS2 als auch für Gameboy Advance und PC.

Das besondere Etwas, das Einzigartige ist für Videospielhelden unabdingbar. In dem Punkt sind Videospiele recht nah an der relativ betrachtet klassischen Comic-Literatur mit ihrem Bat-, Super- und Spiderman. Ein Rayman fügte sich nahtlos in die Reihe der Heldennamen, doch hat bereits sein Äußeres so gar nichts von den Marvel-Protagonisten. Umso markanter die offensichtlichste Eigenart des auf Kopf, Körper, Hände und Füße beschränkten Helden ohne Arme und Beine. Dank der fehlenden Körperanbindung fliegen Raymans Fäuste im Wortsinne bumeranggleich Richtung Gegner. Nicht schlecht für einen Superhelden, doch vermutlich selbst für die spinnwebenden und flederbeflügelte Comicwelt zu absurd.

Weitere Übereinstimmung zwischen Comics und Videogames sind die Gegnerfiguren, die Joker und Bowser dieser anderen Welt, scheinbar übermächtige, stets wahnsinnige, zudem oft bei aller Grausamkeit komische Figuren. Ubi Soft verzichtet auf den Erznemesis für Rayman, Klingenbart darf nicht zum Bowser-Ersatz aufsteigen; er und seine Piratenbande aus Rayman 2 bekommen lediglich auf dem Gameboy Advance ihren Auftritt. Raymans Gegenspieler heißt diesmal André und ist - wie Luzifer - ein gefallenes Lichtwesen. Aus einem Lums, jene leuchtende Essenz die Rayman stets fleißig sammelt, entstand der schwarzer Hoodlum André, aus französischem Licht (Raymans Lums gehen auf "lumière" zurück) wird der englische Hoodlum, der Ganove.

Das Böse hat ein neues Gesicht

Eben jenen André hat Raymans bester Freund Globox verschluckt,so versucht er zunächst Globox mit Hilfe der Winzlinge, altbekannten Wesen der Rayman-Welt, von André zu befreien und somit seinen Freund und gleich die ganze Welt zu retten. Klingt ein wenig wie Mario auf LSD, aber Absurdität ist in Rayman Stilmittel Nummer 1, die Entwickler treiben sie ebenso wie Walter Moers in seinen "13 1/2 Leben des Käptn Blaubär" immer wieder auf die Spitze. Und es ist unheimlich erfrischend, sich auf diese Welt einzulassen.

Konservativ ist dagegen der Spielverlauf: Rayman 3 folgt einer linearen Geschichte, durchlebt neun in Episoden unterteilte Welten quasi als interaktiven Comic. Aufgrund des im Vergleich zum zweiten Rayman Auftritt deutlich niedrigeren Schwierigkeitsgrades läuft der Spieler allerdings nie Gefahr, einem unlösbaren Level oder Boss gegenüber zu stehen. So angenehm der ausbleibende Frust ist, liegt darin auch die einzige Schwäche des Spiels: Rayman 3 ist sehr kurz.

In den vielleicht 15 bis 20 Stunden, die der Spieler zum Durchspielen der Story braucht, mangelt es jedoch nicht an Abwechslung. So gibt es Level, die auf reines Geschick und Kombination setzen und komplett auf Gegner verzichten, andere dagegen verlangen wahres Kampfgespür: Rayman kann mit seinen Fäuste Haken schlagen, um Gegner hinter Hindernissen zu treffen. Kampftaktik ist im Jump-And-Run Genre üblicherweise auf Endgegnern begrenzt, bei Rayman bekommt der Spieler auch im Level-Alltag ein wenig Wild-West-Gefühl. Ein klein wenig Shooter-Feeling ist schon mit drin, wenngleich hier auf Seite des Guten nur die harten Fäuste fliegen.

Die Mischung aus Jump, Run und Shoot (oder eher Beat) würzt Ubi Soft mit den Rayman-üblichen Spezialfähigkeiten, die es diesmal in Konserven gibt - Waschmitteldosen, die Raymans Kostüm mit Greifhaken versehen oder gar in eine Rakete verwandeln. Rayman zelebriert die Skurrilität soweit, dass er zwischendurch auf ein Bruchteil seiner Größe verringert in seinem eigenen Schuh fährt. Um zu verstehen, wie gut sich diese absurden Details in das Gesamtbild des Spielerlebnisses einpassen, mache man sich klar, dass Gestalten wie Orks und Trolle in Mittelerde normal sind - von Gestalten wie Dieter Bohlen und Daniel Küblböck auf RTL ganz zu schweigen.

Was Popeye sein Spinat...

Nebenbei sammelt Rayman auf seinem Weg durch die teils bunten teils düsteren Welten munter Punkte. Zwar ist Daddeln für den schnöden Score in Raymans Universum beinahe ein wenig reaktionär, dennoch sei das Punktewertungssytem erwähnt, das wie in Extremsporttiteln auf Kombos setzt. Je mehr Punkte der Spieler durch Besiegen von Gegnern oder Einsammeln von Gegenständen ohne Unterbrechung erzielt, umso höher werden sie gewertet. Ehrgeizige Spieler dürfen so ihren Punktestand durch erneutes Aufsuchen bereits gespielter Level verbessern und sich mit anderen Spielern im Internet messen.

Mit den erzielten Punkten schaltet der Spieler zudem Bonus-Spiele frei, die neben dem hohen Wiederholungsspielwert - Rayman ein zweites Mal zu spielen, lohnt nicht nur Punktejäger, sondern auch diejenigen, die immer neue Details entdecken - ein wenig für die kurze Story entschädigen. Die meisten Bonusspiele setzen Spielkonzepte aus der Story neu um - so darf der Spieler selbst in die Haut des Großwildjägers Razoff schlüpfen und mit dessen Flinte durchs Haus jagen, wie dieser zuvor als einer der Bosse Rayman verfolgte.

Das interessanteste der Extraspiele gibt es allerdings nur für den GameCube in Verbindung mit einem Gameboy Advance: In "Mad Trax" baut der Spieler am Gameboy mit einer Art Tetris eine Rennstrecke auf, die der GameCube-Spieler befährt. Zwar muss der Spieler für Mad Trax nicht das Gameboy-Modul zu "Rayman 3" besitzen, dennoch ist es für sich eine Anschaffung wert. Lediglich die Geschichte des von Globox verschluckten schwarzen Lums hat es mit der Konsolen- und PC-Variante gemein, ist aber keine 2D-Umsetzung des 3D-Spiels, sondern ein komplett eigenständiges Spiel mit anderen Gegnern - auf dem GBA gibt es beispielsweise Klingenbart.

Rayman auf dem Gameboy Advance

Die Faszination und Stärke von Rayman 3 liegt in der Mischung aus gutem Jump-And-Run mit abwechslungsreichen Welten und vor allem den Figuren, die jenen Welten das Leben einhauchen. Die Atmosphäre stimmt - übrigens auch in Punkto Soundtrack - nicht nur die einzelnen Welten haben ihre spezielle Musik und Geräuschkulisse, sondern auch die Figuren haben ihren eigenen Soundtrack. Mit Spielen für nahezu alle Geräte inklusive PDAs ist der französische Rayman längst Kult. Der jüngste Rayman 3 ist nicht so innovativ wie sein Vorgänger Rayman 2, übernimmt es doch weitestgehend dessen Konzept und bleibt vom Spielvergnügen aufgrund der zu kurzen Dauer insgesamt knapp hinter Rayman 2 zurück. Das ist allerdings - Rayman-Kenner wissen dies - eine äußerst hohe Messlatte. Zaphod Beeblebrox würde sagen "10 Punkte Abzug für Knappheit, aber 2780 plus für guten Stil"