Erneut Luftangriff der Tamil Tigers in Sri Lanka
Regierung bedroht Medien, Diplomaten und internationale Organisationen, um von Menschenrechtsverletzungen im Krieg gegen die Rebellen abzulenken
Die Rebellen der Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) griffen am Sonntag früh kurz nach Mitternacht zwei Treibstofflager nahe der Hauptstadt Colombo aus der Luft an. Die vor kurzem gegründete Tamil Eelam Air Force (TAF) bombardierte gegen 1:50 Ortszeit im acht Kilometer östlich des Zentrums von Colombo gelegenen Kolonnawa-Bezirk ein Treibstofflager der Ceylon Petroleum Storage Terminals Ltd (CPSTL). Laut Regierungsinformationen entstand nur ein geringer Schaden. Eine der abgeworfenen Bomben sei auf ein Wasserpumpwerk gefallen und habe dies zerstört. Um 2:05 fielen dann weitere Bomben auf Öltanks der Liquefied Petroleum Gas (LPG) von Shell Gas Lanka Ltd, die sich 10 Kilometer nördlich der Hauptstadt im Muthurajawela Marschland zwischen Kerawalapitiya und Wattela befinden. Dort wurden drei Öltanks in Brand gesetzt.
Die Rebellen reagierten mit diesem dritten Luftangriff in der Geschichte des Bürgerkriegs auf die unmittelbar vorher gegen 1:15 stattgefundene Bombardierung von Visuvamadu im Vanni-Gebiet durch die Sri Lankan Air Force. Es folgten zwei Gegenschläge der Armee auf Vororte Kilinochchis, das mutmaßliche Hauptquartier der Liberation Tigers. Seit dem ersten Luftangriff der Rebellen im März (Erstmals Luftangriff der Rebellen in Sri Lanka) hat das Militär aufgerüstet und seine Flugzeuge nachtkampftauglich gemacht.
Dritter Luftangriff der Tamil Eelam Airforce
Der Angriff geschah, während in Colombo Zehntausende vor ihren Fernsehern saßen, um das in Barbados stattfindende Cricket-World Cup Endspiel zwischen Australien und Sri Lanka zu verfolgen. Die Armee stellte sofort in der gesamten Stadt den Strom ab, um mögliche Ziele weniger leicht identifizierbar zu machen. Über 30 Minuten lang sei der Himmel über Colombo von Luftabwehrfeuer erhellt gewesen, sagte ein Augenzeuge der BBC. Schon Tage zuvor hatte die Regierung einen Anschlag in Colombo befürchtet: So durchsuchte das Militär am Samstag in Colombo 10.000 Fahrzeuge und überprüfte von 16.500 Personen die Personalien.
Bereits am 24. April hatten zwei Leichtflugzeuge der LTTE gegen 1:20h die Luftwaffenbasis Palaaly nahe Jaffna bombardiert. Sechs Soldaten wurden getötet, 30 verletzt. Nach dem Bombardement hatte die Armee ihre angekündigte Offensive im Norden zunächst verschoben, griff dann aber doch am 26. April das Hauptquartier der Rebellen in Kilinochchi an.
Nach dem ersten Angriff mit Flugzeugen am 25. März veröffentlichten die Tigers Bilder, die einen tschechischen Zlin Z-143 oder Z-242L Zweisitzer zeigen. Seitdem reißen die Spekulationen nicht ab, wie die Guerilla an die Flugzeuge gekommen ist. Die Spuren führen unter anderem nach Südafrika. Der ehemalige indische Geheimdienstchef Raman sagte, die Rebellen hätten die von der tschechischen Firma Moravan Aviation gebauten Flugzeuge bei einem südafrikanischen Fliegerclub gekauft. Da die Flugzeuge in Bausatzform zerlegt werden können, sei es leicht möglich, sie als Fahrzeugteile deklariert ins Land zu schmuggeln. Zudem können sie mit einfachem Diesel betrieben werden. Der südafrikanische Präsident Thabo Mbeki erklärte inzwischen, seine Regierung werde es nicht dulden, dass die LTTE in Südafrika operiert.
Militär soll Polizeibefugnisse erhalten
Im Krieg gegen die Rebellen hat die Zerstörung der LTTE-Luftwaffe inzwischen oberste Priorität. Neben dem militärischen Vorgehen setzt die Regierung Rajapakse aber vor allem auf eine Einschränkung demokratischer Rechte, um jegliche Kritik an ihrem Vorgehen zu unterbinden. Vor kurzem kündigte die Regierung an, durch weitere Notstandsbefugnisse dem Militär Polizeibefugnisse zu gewähren. Minister Rambukwella sagte, aufgrund der verschärften Sicherheitslage müssten bestimmte Maßnahmen ergriffen werden.
Die Asian Human Rights Commission wies am 26. April darauf hin, dass die Regierung Ende der 80er Jahre während des Kampfes gegen die marxistisch-chauvinistische Partei Janatha Vimukthi Peramuna (JVP) ähnlich argumentiert habe. Damals verschwanden mindestens 30.000 Menschen mit Hilfe solcher Sondergesetze. Die Asian Human Rights Commission befürchtet nun eine Wiederkehr der Folterkammern in Militärlagern und eine Legalisierung des Verschwindenlassens von missliebigen Personen. In solchen Fällen habe die Human Rights Commission von Sri Lanka nicht die Macht, die Behandlung Verdächtiger in Militärcamps zu überwachen. Deshalb forderte sie die internationale Gemeinschaft auf, Druck auf die Regierung auszuüben, dem Militär keine polizeilichen Befugnisse zu geben.
US-Menschenrechtsorganisation fordert Ende der Militärhilfe
Währenddessen könnte die Regierung von anderer Seite unter Druck geraten: Die in New York ansässige Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) forderte die Vereinigten Staaten auf, die Militärhilfe für Sri Lanka zu kürzen, solange die Regierung in Gestalt des mit der Regierung verbündeten Ex-Rebellenführers Karuna weiterhin Minderjährige für die Armee rekrutiert.
„Von weltweit zehn Regierungen, die in die Rekrutierung und den Einsatz von Kindern als Soldaten verwickelt sind, erhalten neun US-Militärhilfe“, teilte HRW mit. Zu den Ländern zählen Afghanistan, Burundi, Tschad, Kolumbien, Kongo (Demokratische Republik), Elfenbeinküste, Sri Lanka, Sudan und Uganda. „Diese Länder wurden im Menschenrechtsbericht 2006 des Außenministeriums als Länder identifiziert, deren Regierungsstreitkräfte oder regierungsgestützte Milizen Kindersoldaten unterhalten. Sie erhalten zumindest eine Form von US-Militärhilfe“, sagte HRW. Die US-Senatoren Richard Durbin und Sam Brownback legten dem Senat nun einen entsprechenden Gesetzesentwurf vor.
Der Krieg gegen die Medien
In Sri Lanka selbst ist es für Medienvertreter lebensgefährlich geworden, diese Verstrickung der Regierung in Menschenrechtsverletzungen anzusprechen. Während tamilische Medien seit langem unter den Repressionen des Staates – und auch der Guerilla - leiden, geriet im Februar zum ersten Mal seit 30 Jahren eine singhalesische Zeitung ins Schussfeld der Regierung: Der Direktor der Standard Newspapers Ltd., Dushantha Basnayake, wird seit seiner Verhaftung durch eine Anti-Terrorismus Spezial-Einheit am 27. Februar ohne Anklage festgehalten. Er hatte über Menschenrechtsverletzungen geschrieben.
Der Verleger publizierte die führende singalesischsprachige Wochenzeitung Mawbima und das englischsprachige Wochenmagazin Sunday Standard. Beide Publikationen sind seit dem 29. März eingestellt. Der Eigentümer von Standard Newspapers, Tiran Alles, ist ein enger Vertrauter des früheren Außenministers Mangala Samaraweera und des Ex-Ministers für Hafenentwicklung Sripathi Sooriyaarachchi – beide verloren ihren Job im Februar, nachdem sie Menschenrechtsverletzungen der Regierung kritisiert hatten. Bereits im November 2006 wurde die Mawbima-Reporterin Munusamy Parameswary mit Verweis auf den Prevention of Terrorism Act von 1979 verhaftet. Sie hatte über die zunehmende Anzahl verschwundener Personen berichtet. Am 22. März musste sie vom Obersten Gericht entlassen werden, der keine stichhaltigen Gründe für ihre Verhaftung finden konnte.
Dies ist jedoch nicht der einzige Fall, in dem die Regierung die Antiterrorgesetze dazu missbraucht, Journalisten zu diskreditieren, die Menschenrechtsverletzungen anprangern oder Korruptionsfälle öffentlich machen. Laut Informationen der Medienrechtsorganisation Free Media Movement (FMM) erhielt Champika Liyanarachchi, Redakteurin des srilankischen Daily Mirror, am 16. April telefonische Todesdrohungen des Verteidigungssekretärs Gotathabaya Rajapakse. Anlass war die Berichterstattung der Zeitung über die von der Armee gestützten Paramilitärs der Karuna Gruppe. Falls ihr Gewalt angetan werde, könne sie keinen Schutz von der Regierung erwarten, sagte Rajapakse.
Laut der unabhängigen tamilischen Nachrichtenseite Tamilpress drohte der Verteidigungssekretär gegenüber Liyanarachchi: „Ich vernichte Dich!“ Er griff außerdem eine andere Journalistin des Daily Mirror, Uditha Jayasinha, an und beschrieb sie als „eine Nutte, deren Mutter mit den Tigers geschlafen hat“.
Zwei Tage später machte der britische Botschafter Dominick Chilcott einen Solidaritätsbesuch in der Redaktion des Daily Mirror. Dessen Schwesterblatt Lankadeepa schrieb, dass Chilcott seine Sorge über die Pressefreiheit ausgedrückt habe. In der Folge wurde der Diplomat am 20. April ins Verteidigungsministerium vorgeladen. Die Regierung warnte internationale Diplomaten, sich in die „inneren Angelegenheiten“ Sri Lankas einzumischen. Der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Minister Keheliya Rambukwella erklärte, ein solches Verhalten würde nicht toleriert werden. 1991 hatte die Regierung den britischen High Commissioner David Gladstone des Landes verwiesen.
Diese Beispiele sind jedoch nur die Spitze des Eisbergs: So berichtet das Free Media Movement, dass allein in den letzten Monaten neun Journalisten getötet wurden. Unter den Opfern finden sich nicht nur Tamilen, sondern auch Singhalesen, die die Regierung kritisiert hatten. Die Regierung scheint das Land auf einen schmutzigen Krieg gegen den Nordosten einzustimmen.
Entführung von UN-Mitarbeitern durch die Rebellen?
Nicht nur unabhängige Medien und ausländische Diplomaten stören bei der Kriegsführung, auch die Vereinten Nationen sind für die Regierung ein störender Faktor. So behauptete die Regierung vor kurzem, die LTTE habe bereits im Februar zwei UN-Mitarbeiter entführt. Sie würden beschuldigt, Tamilen dabei zu helfen, aus dem LTTE-Territorium zu fliehen. Auch die Zeitung The Island berichtete am 23. April darüber. Die Vereinten Nationen hätten diesen Fall bisher geheim gehalten, um eine eventuelle Freilassung nicht zu gefährden.
Bisher wurde die Nachricht nur von regierungstreuen Seiten aufgegriffen. Michèle Montas, Sprecherin des UN-Generalsekretärs Ban Ki-moon sagte in der letzten Woche, sie habe bisher keine Bestätigung für diese Berichte. Es wäre auch der erste Fall, in dem die Tigers Mitarbeiter der UN bedrohen. Vermutlich hat die Regierung diese Geschichte erfunden: Ziel ist es, die Vereinten Nationen anzuklagen, in Berichten über Menschenrechtsverletzungen der Regierungstruppen mit zweierlei Maß zu messen und die LTTE zu schützen. Hintergrund ist die Aufforderung der Regierung an das UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (OCHA), „die Koffer zu packen“, da deren Aufgabe nur die Koordinierung der Tsunami-Hilfe gewesen sei.
Keine Beweise für Verwicklung der LTTE in Kreditkartenbetrug
Gleichzeitig nutzt die Regierung ihre diplomatischen Vertretungen in Europa zur psychologischen Kriegsführung gegen die Tamil Tigers. Am 21. April beschuldigte Maxwell Keegel von der srilankischen Botschaft in London die Tamil Tigers, hinter einem großen Kreditkartenbetrug zu stehen. Unter anderem hätten srilankische Angestellte von britischen Tankstellen PIN-Nummern von Kunden ausgespäht und Kreditkarten geklont. Damit sei später in asiatischen Ländern wie Indien, den Philippinen und Malaysia Geld abgehoben worden.
Nachdem die britische Times und die BBC diese Anschuldigungen publiziert hatten, stellte sich schnell heraus, dass für eine direkte Verbindung zur den Tamil Tigers Beweise fehlen. Ein Vertreter von Scotland Yard sagte, dass zwar viele der Beschuldigten aus der „Sri Lankan community“ stammten, bestand aber darauf, dass es allein deshalb noch nicht möglich sei, eine direkte Verbindung zur LTTE zu ziehen. Die LTTE selbst wies die Vorwürfe zurück.
In einem weiteren Artikel der Asian Tribune über die Verurteilung tamilischer Kreditkartenbetrüger in Norwegen wird der Fall nach dem gleichen Schema der LTTE in die Schuhe geschoben. Beide Anschuldigungen scheinen einer ethnischen Logik zu gehorchen: Sobald Tamilen in kriminelle Aktivitäten verwickelt sind, wird dies von interessierter Seite genutzt, um eine Kampagne gegen die Tamil Tigers zu lancieren.