Erneut erfolgreicher Test des Raketenabwehrsystems
Was für die US-Regierung ein Erfolg ist, sehen Kritiker als bislang wenig überzeugenden, weil nicht realistischen Test des teuren und umstrittenen Systems an
Nach Verzögerungen aufgrund von Wolken und starkem Wind wurde gestern der bislang fünfte Test für das von der US-Regierung trotz großer Kritik geplante Raketenabwehrsystem NMD durchgeführt. Die Ballistic Missile Defense Organization (BMDO) erklärte ihn für erfolgreich, Gegner sagen, die Tests seien bislang weitgehend unrealistisch und das Raketenabwehrsystem unnötig.
Trotz der veränderten Bedrohungslage nach den Terroranschlägen vom 11.9. hält die Bush-Regierung eisern an der Fortführung des teuren Raketenabwehrsystems fest, das insgesamt mindestens 60 Milliarden Dollar kosten soll. Gegen die Verwendung von Flugzeugen als Bomben, mit Sprengstoff voll geladenen Lastwagen, biologischen oder chemischen Massenvernichtungswaffen oder anderen Terroranschlägen kann NMD zwar nichts ausrichten, aber die Regierung will damit die USA vor möglichen Angriffen mit Langstreckenwaffen von "Schurkenstaaten" wie Nordkorea oder dem Irak schützen.
Der letzte Test fand Mitte Juli statt (Erfolgreicher Test für US-Raketenabwehrschild). Auch dieses Mal wurde der Test weitgehend unverändert durchgeführt. Vom Luftwaffenstützpunkt Vandenberg in Kalifornien wurde Minuteman-II-Rakete abgeschossen, die eine Sprengkopfattrappe sowie einen Ballon freisetzte, der als Täuschung dienen sollte. 20 Minuten später startete vom Kwajalein-Atoll der Marshall-Inseln eine weitere Rakete mit einem "exoatmosphärischen Abschusskörper" (EKV = exoatmospheric kill vehicle), der, ausgestattet mit visuellen und Infrarot-Sensoren und Computern, in einer Höhe von 230 Kilometern schließlich die Sprengkopfattrappe identifizieren und 10 Minuten nach Abschuss über dem Pazifik durch "body-to-body impact" zerstören konnte.
Der Test habe die "hit-to-kill"-Technologie sowie das Zusammenwirken aller Komponenten am Boden und in der Luft als "integriertes System" wieder erfolgreich demonstrieren können, teilte man vom Verteidigungsministerium mit. Die Sensoren des EKV hätten das Ziel von dem Ballon unterscheiden können, die Bordsysteme des EKV hätten nach dem Start von der Sprengkopfattrappe keine Informationen erhalten.
Von insgesamt fünf durchgeführten Tests war dies der dritte erfolgreiche Versuch. Man werde, so das Verteidigungsministerium, die Tests in Zukunft auch unter anderen Bedingungen fortsetzen, um der "wachsenden Bedrohung durch Langstreckenraketen, die Massenvernichtungswaffen mit sich führen", zu begegnen. In der Entwicklungsphase sei es um die einzelnen Bestandteile und ihr Zusammenwirken gegangen. Nach diesem erfolgreichen Test könne man die Versuche, so General Ronald Kadish, auch komplizierter gestalten und mehr sowie unterschiedliche Täuschungsattrappen verwenden.
Kritiker wie die Union of Concerned Scientists werfen der Testreihe vor allem vor, dass diese keine realistischen Bedingungen enthalte und daher nichts über die Wirksamkeit des Systems aussage. So sei beispielsweise die Geschwindigkeit der Sprengkopfattrappe zu langsam. Unrealistisch sei aber vor allem, dass nur ein Ablenkungsobjekt verwendet werde, das sich zudem in seiner Form noch sehr deutlich von der Sprengkopfattrappe unterscheidet. Zudem kennen die Identifizierungssysteme im EKV bereits im voraus die Formen der Attrappe und des Ballons. Erleichtert werde der Test auch dadurch, dass die Sprengkopfattrappe vor dem Abschuss der Rakete mit dem EKV GPS-Daten mit den Koordinaten sendet, wodurch die Abschussbahn mehr oder weniger bereits festliege und das Zielobjekt nicht wirklich gesucht werden müsse. Das sei unter realistischen Bedingungen aber ganz anders.
Bislang hat sich die russische Regierung geweigert, das ABM-Abkommen aufzulösen, das die Einrichtung einer flächendeckenden, das gesamte Staatsgebiet umfassenden Raketenabwehr verbietet, obgleich der russische und der amerikanische Präsident öffentlich verkündet hatten, dass sie die Zahl der Nuklearraketen massiv reduzieren wollen. China lehnt weiterhin das Raketenabwehrsystem ab, da es die Abrüstungsbemühungen verhindern und das globale Gleichgewicht verändern könnte. China fürchtet auch, dass Taiwan ein NMD-System von den USA erhalten könnte.