Erst studieren und später zahlen

Seite 2: Noch eine Maut für Ausländer oder: Winfried Kretschmann und die koreanischen Symphonie-Orchester

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Die baden-württembergischen Grünen erarbeiteten sich allerdings schon vor der Bundestagswahl wieder mehr Beinfreiheit in der Gebührenfrage. Edith Sitzmann, der Vorsitzenden der Landtagsfraktion, war nämlich zu Ohren gekommen, dass sage und schreibe 40 Prozent der Studierenden an den Musikhochschulen aus Nicht-EU-Ländern stammen. Für diese Gruppe könne eine Campusmaut zwischen 500 und 1.000 Euro pro Semester geprüft werden, um "einen zweistelligen Millionenbetrag" einzunehmen. Eine soziale oder anderweitige Stigmatisierung sah Sitzmann nicht.

In der Regel stammen diejenigen, die aus den USA oder Asien zu uns kommen, nicht aus den ärmsten Elternhäusern.

Edith Sitzmann

Der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann legte noch ein klangvolles Argument obendrauf:

Wir bilden jedes Jahr ein koreanisches Symphonie-Orchester aus. In Korea zahlt man Studiengebühren von bis zu 13.000 Dollar pro Semester.

Winfried Kretschmann

Warum Kretschmann bei dieser Gelegenheit nicht darauf hinweisen mochte, dass die Koreaner obendrein die Werke zahlreicher, längst verstorbener deutscher Komponisten kostenlos aufführen dürfen, entzieht sich vorerst unserer Kenntnis.

Von der Hochschule Ravensburg-Weingarten wurde der Vorschlag jedenfalls begeistert aufgenommen, obwohl man dort keineswegs koreanische Symphonieorchester, sondern eher Betriebswirtschaftler, Maschinenbauer oder Techniker ausbildet. Man brauche trotzdem "eine Art Servicegebühr", meinte der Prorektor für Forschung und Internationales, um ausländische Studenten "besser betreuen zu können". Der Hochschule schwebt ein Beitrag von 2.000 Euro pro Jahr vor, eine noch stärkere soziale Auslese befürchtet man in Ravensburg-Weingarten nicht: "Zu uns kommen Studenten, die aus der aufstrebenden Bürgerschicht kommen" - und genau die wolle man gezielt ansprechen.

Die skurrile These, dass Studierende aus dem Ausland durchgängig gut betuchte Eltern haben, ist im Schwabenland (noch) nicht mehrheitsfähig. In Sachsen schon eher. Auf der Homepage der Leipziger Hochschule für Musik und Theater, die stilbildend nach Felix Mendelssohn-Bartholdy benannt wurde, werden Studierende, "die nicht Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union sind", darauf hingewiesen, dass sie für alle Studiengänge mit Ausnahme des Meisterschülerstudiums "eine einheitliche Gebühr" zahlen müssen. Sie liegt derzeit bei 1.800 Euro pro Semester.

Die aktuelle Fassung des Sächsischen Hochschulfreiheitsgesetzes lässt diese ebenso grenzwertige wie grenzziehende Regelung zu. Um die Finanzierungsprobleme der Hochschulen auf Landes- und Bundesebene in den Griff zu bekommen, wird man sich aber etwas anderes einfallen lassen müssen.