Es geht doch nicht um harte Typen, die schießen und mit dem Panzer fahren
Bundeswehrverband und Wehrbeauftragter zeigen sich skeptisch ob der neuen Prioritäten der Verteidungsministerin Ursula von der Leyen. Ansonsten gilt: Der Soldatenberuf soll aufgehübscht werden.
Seit bekannt wurde, dass die ehemalige Familien- bzw. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen das Verteidigungsministerium als neues Betätigungsfeld erhält, wurde spekuliert, welche Prioritäten von ihr gesetzt werden würden. Frau von der Leyen, die nach ihrer Ernennung bereits die Soldaten in Afghanistan besuchte, machte schnell deutlich, dass ihr besonders die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein Anliegen sei, gerade auch um den Beruf des Soldaten wieder attraktiver für Männer und Frauen zu gestalten (Die familienfreundliche Bundeswehr im Einsatz).
So sprach sie sich beim Besuch des Truppenübungsplatzes in der Altmark beispielsweise für Kinderbetreuung durch Tagesmütter innerhalb der Kasernen aus. Der Vorteil der Kasernen sei, dass ja genug Platz vorhanden sei, so Frau von der Leyen. Allerdings sah der Leiter des Übungszentrums auf die Frage, ob denn überhaupt ein Bedarf an Tagesmüttern oder anderer Betreuung für Kinder der Soldaten bestünde, diesen Bedarf bisher nicht.
Frau von der Leyen denkt jedoch bereits an die Zukunft, welche durch die besseren Betreungsmöglichkeiten von der Bundeswehr als attraktivem Arbeitgeber geprägt ist. So soll auch die zweijährliche Versetzung der Soldaten wegfallen.
Die erhöhte Attraktivität des Soldatenberufes soll einen stärkeren Einsatz von Bundeswehrsoldaten im Ausland ermöglichen, für welchen sich Frau von der Leyen bereits ausgesprochen hat. "Wir können nicht zur Seite schauen, wenn Mord und Vergewaltigung an der Tagesordnung sind, schon allein aus humanitären Gründen", sagte die Verteidungsministerin - und hält damit an der Idee fest, dass die Bundeswehr "humanitäre Einsätze" ausführen wird.
Dabei unterlässt sie es jedoch, einen kritischen Blick auf die bisherigen "humanitären Einsätze" zu werfen und das Negativbeispiel Afghanistan zu bewerten, welches aufzeigt, welche Probleme sich bei diesen Einsätzen ergeben. Frau von der Leyen spricht zwar momentan vom afrikanischen Kontinent, insbesondere von Mali. Durch ihre Einschätzung der dortigen Konflikte wird jedoch deutlich, dass dies nur die Spitze des sprichwörtlichen Eisberges sein kann:
In Zentralafrika entfaltet sich ein blutiger Krieg zwischen Christen und Muslimen. Wir können nicht zulassen, dass der Konflikt die ganze Region in Flammen setzt.
Das Werben der Verteidigungsministerin für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der Bundeswehr wird daher auch kritisch gesehen, denn auch wenn während der Ausbildung und im Inland die Kinderbetreuung ggf. eine positive Wirkung auf am Soldatenberuf interessierte Menschen haben kann, bleibt die Tatsache, dass die Auslandseinsätze, die zunehmen werden, für die Familien oft eine Zerreißprobe sind. Und auch wenn seitens der Politik von "humanitären Einsätzen" gesprochen wird, so reicht ein Blick auf die Selbstdarstellung der Bundeswehr, um zu sehen, dass auch Kampfhandlungen dazugehören:
- Landesverteidigung als Bündnisverteidigung im Rahmen der Nordatlantischen Allianz;
- internationale Konfliktverhütung und Krisenbewältigung -- einschließlich des Kampfs gegen den internationalen Terrorismus;
- Beteiligung an militärischen Aufgaben im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU;
- Beiträge zum Heimatschutz, das heißt Verteidigungsaufgaben auf deutschem Hoheitsgebiet sowie Amtshilfe in Fällen von Naturkatastrophen und schweren Unglücksfällen, zum Schutz kritischer Infrastruktur und bei innerem Notstand;
- Rettung und Evakuierung sowie Geiselbefreiung im Ausland;
- Partnerschaft und Kooperation als Teil einer multinationalen Integration und globalen Sicherheitszusammenarbeit im Verständnis moderner Verteidigungsdiplomatie;
- humanitäre Hilfe im Ausland
Mehr Einsätze, aber nicht mehr Personal?
Frau von der Leyens eher naiv anmutende Einschätzung, dass sich ein solcher Beruf humaner gestalten lässt, kommt zu einer ungünstigen Zeit. Der kürzlich erschienene Bericht des Wehrberauftragten Hellmut Königshaus enthält zwar auch einen Passus, der die Vereinbarkeit von Familie und Dienst anspricht, zeigt jedoch auch, wie schwierig es ist, eine solche Vereinbarkeit überhaupt zu ermöglichen.
Die Abschaffung der regelmäßigen Versetzung ist dabei noch das geringste Problem. Probleme durch die mehrere Monate andauernden Auslandseinsätze sowie die fehlenden Regenerationszeiten sind dagegen (angesichts der eher zu dünnen Personaldecke der Bundeswehr) weitaus schwerer zu lösen.
Nach einem viermonatigen Auslandsaufenthalt soll theoretisch 20 Monate lang kein weiterer Einsatz im Ausland stattfinden, sodass sich die Soldaten in dieser Zeit regenerieren können. Doch hiervon wird oft abgewichen, um Auslandseinsätze in der jetzigen Form durchführen zu können. Wenn Frau von der Leyen einerseits also mehr Auslandseinsätze in Aussicht stellt und andererseits die bessere Vereinbarkeit von Dienst und Familie fordert, so wäre dies nur durch mehr Personal (und daraus resultierend auch mehr Kosten) möglich.
Beides ist jedoch derzeit kaum aufzubringen. Auch dürfte sich bei verstärkten Auslandseinsätzen die schon jetzt zunehmende Zahl der Heimkehrer mit psychischen Erkrankungen weiter erhöhen, was ebenfalls zu verstärkten Kosten führen wird:
Das vorhandene Personal musste trotz erheblicher Reduzierung beide Strukturen unter der vollen Belastung der seit Jahren laufenden und auch der neu begonnenen Einsätze ausfüllen. Die damit verbundene Anspannung wurde noch durch die Unsicherheit vieler Soldatinnen, Soldaten, Zivilbeschäftigten und ihrer Familien gesteigert, ob und, falls überhaupt, wo und mit welcher Aufgabe sie künftig ihren Platz in der neuen Bundeswehr finden werden
Hellmut Königshaus, Wehrbeauftragter
Ein neues Bild der Bundeswehr bitte
Ob die Bundeswehr gerade auch für Frauen attraktiver gestaltet werden muss, ist ebenso umstritten. Es wirkt blauäugig, wenn versucht wird, den Soldatenberuf mit einer Art rhetorischer Kuscheldecke zu umgeben, oder wenn beispielsweise Doris Wagner von den Grünen erklärt, es würde schon helfen, wenn die Bundeswehr aufhören würde, von sich das Bild der "ach so harten Jungs" zu verbreiten, "wie sie schießen und mit dem Panzer fahren". Die Bundeswehr, so Frau Wagner, müsse sich nicht wundern, wenn Soldaten sagen, Frauen würden dem Einsatz nicht gewachsen sein, wenn das "klassische Männerbild" des "zähen Kämpfers" propagiert werde.
Auch hier stellt sich die Frage, wie sich Frau Wagner denn den Soldatenberuf vorstellt und worin sie die Aufgaben der Soldatinnen sieht, wenn nicht auch darin, zu schießen, Panzer zu fahren und sich als "zähe Kämpferinnen" im Einsatz zu bewähren. Es sind auch diese fast rührend naiven Ansichten, die zu Einschätzungen wie denen führen, dass Soldatinnen nicht zäh genug seien (Bundeswehr: Wachsender Groll der Männer gegenüber den Frauen). Hier wird seitens mancher Politikerin offenbar ein nicht ganz realitätskonformes Wunschbild der Welt gepflegt, in der der Beruf Soldat nichts mit menschlichem Elend, Tod und Kämpfen zu tun haben muss.
Auch wenn zuhause durch Tagesmütter und Co. der Soldatenberuf noch so freundlich-harmlos gestaltet werden kann, so wartet spätestens beim ersten "humanitären Einsatz" die harte Wirklichkeit auf diejenigen, die auf das Trugbild des humanen Soldaten hereinfallen, der glücklich Familie und Beruf kombiniert und einen "Beruf wie jeden anderen" ausübt.
Die Werbung der Bundeswehr verstärkt auch auf Frauen zuzuschneiden, ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass hier nun einmal Kämpfer ausgebildet werden, für die auch das Töten zum Beruf gehören muss. Egal, wie sehr man den Beruf des Soldaten aufhübscht, Tagesmütter und Betreuungszentren in Betracht zieht oder dergleichen mehr - es bleibt eben doch beim "zähen Kämpfer", der schießt und im Panzer fährt, egal ob dieser nun weiblich oder männlich ist. Wer diese Wirklichkeit ausblendet, aber zeitgleich von mehr "humanitären Einsätzen" in Ländern, in denen "Vergewaltigung und Mord an der Tagesordnung sind", redet, muss sich letzten Endes entweder Blindheit oder aber gezielte Desinformation vorhalten lassen.
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