"Es ist der Traum von kollektiver Verantwortung füreinander"
Seite 2: "Es ist fatal zu denken, dass eine Frau per se menschenfreundlicher ist"
- "Es ist der Traum von kollektiver Verantwortung füreinander"
- "Es ist fatal zu denken, dass eine Frau per se menschenfreundlicher ist"
- "Berlin wird eine Stadt, in der nur noch reiche Menschen wohnen können"
- "Und dann haben wir auch einfach mal Bock, zu Beyoncé zu tanzen und über die neusten Modetrends zu diskutieren"
- Auf einer Seite lesen
Vielleicht wäre die Polizei menschlicher, wenn es mehr Beamtinnen und Transpeople dort gäbe?
Liebig34: Wir lehnen die Polizei als Institution ab und da hilft es nicht, sich auf Einzelfälle zu fokussieren. Die Polizei übt patriarchale Gewalt aus und das auch innerhalb ihrer eigenen Kreise. Da helfen keine Individuen, die die Quote stellen. Außerdem ist es fatal zu denken, dass eine Frau per se menschenfreundlicher ist. In den höchsten Rängen der AfD tummeln sich Frauen, die besonders gewaltvolle und menschenfeindliche Politik betreiben.
Und in welcher politischen Tradition seht ihr euch denn eigentlich? In der der deutschen Linken oder eher eines herrschaftsfreien Internationalismus, der zuvörderst die Rechte von Frauen berechtigterweise in den Mittelpunkt stellt?
Liebig34: Unser Kollektiv ist sehr divers und international. Das heißt die unterschiedlichsten Menschen treffen aufeinander. Wir können da schwer von einer gemeinsamen politischen Tradition sprechen. Wir verorten uns (mehr oder weniger) alle als Anarchist*innen, Queers und Feminist*innen und führen gerade in diesen Bereichen durchwegs Diskussionen, um uns auch zu positionieren.
Frauen und Transpeople werden weltweit weiterhin ausgebeutet, unterdrückt, ermordet - was sagt Ihr den Männern als Botschaft, die das machen, akzeptieren oder wegsehen?
Liebig34: Als Queer-Feminist*innen wollen wir uns nicht so sehr auf Täter fokussieren, sondern darauf, uns mit Betroffenen von sexualisierter Gewalt, Unterdrückung und Diskriminierung zu solidarisieren, zu organisieren und gemeinsam zurückzuschlagen.
"Wir wollen frei von Geschlechtern leben und frei von Unterdrückung, auch im Privaten"
Bei all den Verbrechen, die Frauen in der Geschichte angetan wurden - sollten Frauen mehr Rechte bekommen als Männer, als Gutmachung ... denn auch heutige, nicht-sexistische Männer profitieren ja von den "alten" Verbrechen der Männer?
Liebig34: Es geht uns nicht um die gleichen "Rechte" oder um eine Gleichstellung á la gleiche Löhne für alle. Es geht uns um die Abschaffung des Patriarchats. Eine kapitalistische Gesellschaft fußt auf dem Patriarchat, also einer hegemonialen Männlichkeit. Wir wollen, dass wir frei von Gender bzw. Geschlechtern leben und frei von Unterdrückung von FrauenLesbenInter- und Transpersonen strukturell, aber auch im Privaten. Außerdem streben wir eine herrschaftsfreie Gesellschaft an, in der nicht einzelne privilegiert werden und Macht über andere ausüben.
Mal ganz naiv gefragt: Welches sind die Stärken von Frauen, die Männer nicht haben können?
Liebig34: Das ist eine schwierige Frage. Wir kämpfen ja auch gegen die Binarität dieser Gesellschaft an, das heißt, dass wir in strikten Kategorien von zwei Geschlechtern denken. Queerfeminist*innen kämpfen ja dafür, dass anerkannt wird, dass Geschlecht durch die Gesellschaft geschaffen wird. In einer befreiten Gesellschaft gibt es diese Schubladen nicht mehr. Das versuchen wir auch schon jetzt zu leben.
Aber sollten Männer denn weiblicher werden? Warum ist es weiterhin verpönt, dass Heten-Männer Gefühle zeigen, schwach sind, pink lieben, Make-up tragen, putzen, bedienen, high-heels anziehen?
Liebig34: Gerade auch in Zeiten eines rechten Backlash und einer Zunahme von konservativen Einstellungen wird wieder auf eine stark patriarchale Gesellschaftsordnung zurückgegriffen. Das geht einfach von starren Charakterzügen und Verhaltensmustern aufgrund von Geschlecht aus. Die Vorherrschaft des Cis-Mannes fußt darauf, dass ihm Stärke und Macht zugeschrieben wird. Schwächen werden eher den Nicht-Männern zugeschrieben, sodass sie eben unterdrückt werden. Es verwundert nicht, dass in einer Zeit der autoritären Formierung eben auch "schwache Männer" verpönt sind.
"Wir brauchen keinen Kuschel-Feminismus"
Die Geschichte des aufgeklärten Feminismus ist die großartigste der Welt ... Frauen haben durch eigene Kämpfe ihre Leben zurückerobert ... Was muss noch geschehen?
Liebig34: Gerade in den internationalen Kämpfen, zum Beispiel in Südamerika, können wir so viel von den Feminist*innen lernen. Auch in der Vergangenheit der Frauen*bewegungen können wir uns Scheiben abschneiden. Gerade in Deutschland wird der Feminismusbegriff häufig aufgeweicht. Da wünschen wir uns eine klarere antirassistische und antikapitalistische Haltung, die auch konfrontativ ist. Wir brauchen keinen Kuschel-Feminismus. Die Vorherrschaft des weißen Cis-Mannes ist eine reale Bedrohung, die Menschen weltweit auslöscht. Das muss uns bewusster sein.
Die Hälfte der Welt den Frauen, die Hälfte der Hausarbeit den Männern, so ein alter Slogan ... Warum nicht die ganze Welt? Warum nicht die ganze Hausarbeit den Männern? Wäre es nicht Zeit für eine komplette Umkehrung dieser Zwangsstrukturen in Haushalten? Putzen zum Beispiel gilt als "weiblich", eigentlich absurd …
Liebig34: Die Zwangsstruktur ist nicht der Haushalt per se, sondern das, was die Gesellschaft aus diesem sozialen Ort macht. Genauso verhält es sich mit Geschlechterrollen. Es ist also nicht das Ziel, Rollen umzukehren, sondern diese völlig aufzuheben. In einer befreiten Gesellschaft würde Arbeit im Haushalt wahrscheinlich genauso wichtig sein, wie der Bau eines Hauses. Es geht um das Verändern des großen Ganzen, nicht einfach um Umkehr innerhalb der Mauern des Systems.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.