Es rumpelt gewaltig am Immobilienmarkt in China
Seite 2: Der Unterschied zu den USA
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Was die Bedeutung und die möglichen Folgen der Immobilienblase angeht, gibt es unterschiedliche Bewertungen. "Es ist höchste Zeit für uns zu erkennen, dass China es mit einer Immobilienblase historischen Ausmaßes zu tun hat, die jene von Irland und Spanien 2008 und sogar jene von Japan 1989 in den Schatten stellt", schreibt Daniel Stelter in einem Gastkommentar für das Handelsblatt.
Der Gründer des auf Strategie und Makroökonomie spezialisierten Diskussionsforums Beyond the Obvious bezieht sich dabei auf den Harvard-Professor Kenneth Rogoff. Der spricht davon, dass üblicherweise die Bauwirtschaft nur etwa 15 Prozent zur Wirtschaftsleistung beiträgt. In China soll es ein doppelt so hoher und damit gewaltiger Anteil sein.
Stelter erklärt, dass "die Vermögenspreise eine erhebliche Rolle spielen, wenn es um die Stabilität des Finanzsystems und das Laufen der Realwirtschaft geht". Er geht davon aus, dass "Banken große Verluste drohen, die Realwirtschaft leidet (weniger Bautätigkeit, weniger Beschäftigung, weniger Nachfrage, …)." Und das könne auf die ganze Welt ausstrahlen, besonders, wenn es sich wie bei China um eine bedeutende Volkswirtschaft handelt.
Er stellt fest, dass die politische Führung in China derzeit versuche, "geordnet Luft aus der Blase zu lassen". Auch wenn man unterstellt, dass ihr dies ohne Crash gelingt, sei klar, dass das "nicht ohne negative Wirkung auf das Wirtschaftswachstum abgehen" werde.
Andere gehen allerdings davon aus, dass "China die Immobilienblase unter Kontrolle bringt". Da in der Debatte um Evergrande öfter das Beispiel der US-Investmentbank Lehman Brothers genannt wird, deren Zusammenbruch im Jahr 2008 Schockwellen in der gesamten Welt erzeugte, wird in Makroskop herausgestellt: "So wie die US-Regierung nach 'Lehman' hätte handeln können, kann auch die chinesische Regierung den Schaden im eigenen Land begrenzen." Dirk Bezemer meint, der Unterschied zu den USA sei, "dass die Chinesen es tatsächlich tun".
Eine Kreditkrise wie damals werde sich nicht wiederholen, ist der Makroskop-Autor überzeugt: "Evergrande ist nicht das Problem, sondern ein Teil der Lösung." Er glaubt nicht, dass der Immobilienriese "der Dominostein sein wird, der das System zum Einsturz bringt". So werde China "nie zulassen", dass wie in den USA damals schnell "1,3 Millionen Unternehmen in Konkurs" gehen, während "die Arbeitslosigkeit auf zehn Prozent" stieg.
Die Regierung könne das verhindern, "da fast alle inländischen Unternehmen, die im Falle eines Zusammenbruchs von Evergrande Geld verlieren könnten, in Staatsbesitz sind oder vom Staat unterstützt werden". Der habe die tiefsten Taschen, weshalb es zu keinem Liquiditätsrisiko kommen werde, das sich wie bei Lehman ausbreiten könne.
Evergrande sei ein Effekt eines Vorgangs, mit dem bewusst Druck aus der Immobilienblase gelassen werde. Seit 2016 "versucht die Regierung, den Anstieg der Immobilienpreise und der Verschuldung einzudämmen, indem sie unter anderem neue Kredite an Evergrande blockiert".
Geld aus dem Westen
Dass Evergrande weiterwachsen konnte, lag für ihn daran, dass ausländische Investmentgiganten wie BlackRock, Evergrande weiter finanziert haben. "Bis vor wenigen Wochen flossen Millionen von westlichen Rentengeldern in die chinesischen Immobilienmärkte."
Für Bezemer ist keine Frage, dass Evergrande untergehen wird. "BlackRock und andere ausländische Investoren werden die größten Verluste erleiden." Dabei wären dann unter anderem zum Beispiel auch der deutsche Allianz-Konzern oder die Deutsche Bank. Die müssten im Fall des Evergrande-Untergangs mit einem Schuldenschnitt rechnen, also viel Geld abschreiben.
China werde seine staatliche Hilfe dazu verwenden, "chinesische Gläubiger zu bezahlen und versprochene Bauprojekte zu vollenden, damit die vielen chinesischen Bürger, die eine Anzahlung geleistet haben, ihr Geld nicht verlieren", meint Bezemer. Man sehe in China gerade eine Regierung, "die im Interesse der sozialen Stabilität eine Blase unter Kontrolle bringt".
Ob dem tatsächlich so ist und ob "für das chinesische Regime die Bürger vor den Unternehmen stehen", wird sich mit großer Wahrscheinlichkeit demnächst herausstellen. Dann wird man sehen, ob Peking die Lage unter Kontrolle hat oder es zu ähnlichen Verwerfungen kommt wie in der Finanzkrise.