Es war der Krieg, nicht das Selfie
- Es war der Krieg, nicht das Selfie
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Studie ergründet Folgen medialer Berichterstattung auf Fluchtentscheidungen
Waren es gar nicht Terror, Krieg oder Armut, die im vergangenen Jahr hunderttausende Flüchtlinge nach Deutschland trieben, sondern die Nachrichten über offene Grenzen und ein Selfie-Foto der Kanzlerin? Berliner Forscher sind dem Klischee nun nachgegangen.
Eigentlich war sie nur widerwillig gekommen. Monatelang hatten linke Kritiker der Kanzlerin vorgeworfen, zu wenig Empathie für Flüchtlinge zu zeigen, und sie dazu gedrängt, endlich auch einmal eine Flüchtlingsunterkunft zu besuchen.
Doch als Angela Merkel dann tatsächlich im Herbst 2015 eine Berliner Erstaufnahmeeinrichtung besuchte, sollte sich das öffentliche Bild der Kanzlerin radikal ändern: Nur Sekunden brauchte der irakischen Flüchtling Schakir Kedid um sich mit Merkel abzulichten, innerhalb von Stunden verbreitete sich das Selfie tausendfach in sozialen Netzen, schon Wochen später war es das bekannteste Abbild einer Frau, die nun Flüchtlingskanzlerin genannt wurde und bis heute hält sich das Klischee, dass es auch jenes Foto war, welches hunderttausende Menschen nach Deutschland lockte.
Wie sehr Berichterstattung deutscher Medien Einfluss auf die Fluchtentscheidung genommen hat, haben nun Forscher der Freien Universität Berlin herauszufinden versucht. Dazu befragten die Wissenschaftler des Instituts für Publizistik und Kommunikationswissenschaften 404 Männer und Frauen aus Syrien, dem Irak, Pakistan, Afghanistan, Indien und Iran.
Gerüchte über ein eigenes Haus, Sozialleistungen und Familiennachzug
Eine Ergebnis der repräsentativen Studie: Die mediale Berichterstattung hatte Einfluss auf das Deutschland-Bild der Flüchtlinge. Fast alle (90 Prozent) der Syrer und Iraker hätten davon gehört, in Deutschland ein eigenes Haus und kostenlose Sozialleistungen zu bekommen und ihre Familien nachholen zu können.
Die Forscher halten es allerdings für unwahrscheinlich, dass solche Gerüchte und Halbwahrheiten fluchtentscheidend waren. Auch weil sich zusätzlich über ein Drittel der Befragten über bereits in Deutschland lebende Kontakte informierte. Rund die Hälfte der Flüchtlinge fühlte sich durch diese in ihrer Fluchtmotivation bestätigt. Rund 30 Prozent der befragen Syrer hingegen gaben allerdings gegenüber den Forschern an, man hätte ihnen von der Flucht abgeraten.