Es war der Krieg, nicht das Selfie

Seite 2: Smartphone ist für viele Flüchtlinge überlebenswichtig

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Ein anderes Klischee über Flüchtlinge konnten die Forscher hingegen bestätigen: Über 80 Prozent der Syrer und Iraker hatten auf der Flucht ein Smartphone dabei. Aus guten Gründen: Der Studie zufolge nutzten die Flüchtlinge dieses in den allermeisten Fällen nicht, um sich über die Flüchtlingsberichterstattung zu informieren, und wenn, nur mit großer Skepsis.

Stattdessen nutzte die Mehrheit von ihnen Messaging-Dienste wie Whatsapp, um Kontakt zu Verwandten und Freunden zu halten. Und diese Kontakte seien häufig für die Flüchtlinge relevanter als Nachrichten in den Medien: 84 Prozent der Befragten aus Pakistan, Afghanistan, Indien und Iran und rund 57 Prozent der Syrer und rund 39 Prozent der Iraker gaben an, vor allem Informationen aus dem persönlichen Umfeld zu vertrauen.

Das Urteil der Forscher deshalb: "Anders als öffentliche Debatten mitunter vermuten lassen, sind Smartphones für Flüchtlinge kein überflüssiges Luxusgut. Vielmehr stellen sie ein wichtiges, teils überlebensnotwendiges Werkzeug dar – denn es ermöglicht mehr als alle anderen Medien Orientierung und Rückversicherung in Notsituationen."

Die Wirkung eines anderes Smartphones sehen die Forscher hingegen überbewertetet: Jenes, welches das berühmte Merkel-Selfie schoss. Nur etwas mehr als ein Drittel der Syrer (35,6 Prozent) gab an, das Foto überhaupt zu kennen. Unter Irakern (27,1 Prozent) und Flüchtlingen aus Zentralasien (18,5 Prozent) sei der Anteil noch geringer gewesen. Fotos, auf denen zu sehen ist, wie Deutsche Flüchtlinge willkommen heißen, hätten weniger als die Hälfte der befragten Flüchtlinge vor ihrer Flucht schon einmal gesehen.

Es sei "daher nicht davon auszugehen, dass diese Bilder bei der Entscheidung eine bedeutsame Rolle gespielt haben", schreiben die Forscher. Stattdessen nennen sie einen anderer naheliegenderen Grund für die Flucht hunderttausender Menschen: "Die überwiegende Mehrheit der Flüchtlinge hat ihre Heimat aus Not verlassen."