"Es wird böse enden"
Interview mit dem Ökonom Detlev Schlichter, der eine funktionierende Marktwirtschaft und eine freie Gesellschaft mit einem staatlichen Papiergeldsystem für unvereinbar hält
Detlev Schlichter stellt in seinem Buch Das Ende des Scheins dar, warum Papiergeld-Systeme wie das unsere an sich instabil sind und warum sie unausweichlich zum gesellschaftlichen Zusammenbruch führen. Alle Papiergeld-Systeme der Vergangenheit seien gescheitert. Entweder seien sie im Chaos versunken oder die Gesellschaft kehrte zum Warengeld zurück, bevor dies passieren konnte, so Schlichter. Telepolis sprach mit ihm.
Sie haben lange Jahre bei internationalen Finanzkonzernen gearbeitet, u.a. J.P. Morgan und Merill Lynch Investment Managers. Warum verließen Sie den Finanzsektor? Was führte Sie dazu, Ihr erstes Buch, was zunächst auf Englisch mit dem Titel "Paper Money Collapse" erschien, zu verfassen?
Detlev Schlichter: Es war die Erkenntnis, dass unser Finanzsystem fundamental instabil ist und wir notwendigerweise von einer Krise zur nächsten stolpern, wobei jede Krise grösser ist als die jeweils vorhergegangene. Was uns aus der jeweiligen Krise herausführen soll, ist immer wieder eine Politik des leichten Geldes: Zinssenkungen, die die Finanzmärkte stützen und die Banken zu erneuter Kreditvergabe anregen sollen. Diese Politik, die seit 30 Jahren betrieben wird, ist falsch.
Sie ist letztendlich kontraproduktiv, da sie ja nur die gleichen Verwerfungen wieder hervorbringt, die Ursache der vorhergehenden Krise waren. Mit künstlich billigem Geld, neuem Schuldenmachen und kreditfinanzierten Haussen in den Märkten für Aktien, Anleihen und Immobilien wird bestenfalls ein kurzlebiger Scheinaufschwung produziert. Auf das Platzen von Blasen antwortet man mit neuen und nur noch größeren Blasen. Das führt letztendlich das ganze Finanzsystem in die Sackgasse.
Nach der Finanzkrise 2007/2008 hatte ich auf Besinnung und Umkehr gehofft. Das war falsch. Nach dem Zusammenbruch der Investmentbank Lehman war klar, dass die gleiche Politik fortgesetzt wird. Natürlich nur noch extremer. Seit fünf Jahren haben wir nun de facto Nullzinsen rund um den Globus, von den USA bis Japan. Alle Zentralbanken intervenieren in großem Stil in den Finanzmärkten, um eine Bereinigung des Systems, eine Liquidation der Verwerfungen, mit allen Mitteln zu verhindern.
Mit Marktwirtschaft hat das Ganze nicht viel zu tun. dass diese Politik zu einem sich selbst tragenden Aufschwung führt ist ein ans Lächerliche grenzender Mythos. Dieses System und diese Politik sind dennoch von einem weitreichenden intellektuellen Konsens getragen, von makroökonomischen Grundüberzeugungen, die weitgehend die Diskussion bestimmen, auch in den Finanzmärkten. Die intellektuellen Irrtümer hinter diesen Grundüberzeugungen offenzulegen, das ist das Hauptanliegen meines Buches.
Gelddrucken ersetzt Sparen als Grundlage der Kapitalbildung nicht
Sie schreiben in Ihrem Buch "Das Ende des Scheins", dass alle Papiergeldsysteme der Vergangenheit gescheitert seien. Warum ist das Papiergeldsystem instabil und somit aus Ihrer Sicht zum Scheitern verurteilt?
Detlev Schlichter: Zunächst eine Vorbemerkung: Geld als universelles Tauschmittel und allgemeine wirtschaftliche Rechnungsgrundlage ist für eine moderne Volkswirtschaft natürlich unentbehrlich. Dennoch werden vom Geldwesen, egal wie es gestaltet ist, mitunter störende Einflüsse auf die übrige Wirtschaft ausgehen. "Neutrales" Geld, das wie ein Schleier über der Realwirtschaft liegt und auf diese nicht zurückwirkt, ist unvorstellbar. Es geht also nie darum, ein perfektes und absolut stabiles Geldsystem zu entwerfen, sondern eines, das eine möglichst ungehindert funktionierende Marktwirtschaft ermöglicht.
In diesem Zusammenhang ist die Frage der Elastizität des Geldangebots entscheidend. Wir können unterscheiden zwischen Systemen mit weitgehend unelastischem Geldangebot und solchen mit elastischem Geldangebot. Erstere sind geschichtlich die Norm. Sie beruhen in der Regel auf Warengeld, wie dies zum Beispiel bei einem echten Gold-Standard der Fall ist.
Auch bei einem Gold-Standard ist die Geldmenge nicht ganz starr. Zum einen wird neues Gold gewonnen, zum anderen gelang es Banken, auch unter Gold-Standard-Bedingungen immer wieder bis zu einem gewissen Grad Geld-Substitute in Umlauf zu bringen, also Banknoten oder Bankguthaben zu emittieren, die nur zum Teil mit Gold unterlegt waren, aber dennoch von der Öffentlichkeit wie echtes Geld (Gold) benutzt wurden. Dennoch: Diese Aktivitäten waren notwendigerweise begrenzt. Die Geldmenge war insgesamt relativ starr. Geld war Gold und keiner konnte es aus dem Nichts zaubern.
Demgegenüber ist in Papiergeldsystemen wie unserem die Geldmenge nicht an einen begrenzt vorhandenen Rohstoff gebunden und im Prinzip völlig flexibel. Geld kann kostenlos und in unbegrenzten Mengen gedruckt oder per Knopfdruck kreiert werden. Natürlich kann nicht jeder Geld drucken. Das Privileg dazu liegt immer beim Staat. Reine Papiergeldsysteme sind nie das Resultat von Marktkräften, sondern immer staatliche Geldsysteme, also politische Veranstaltungen.
Eine raschere Ausdehnung der Geldmenge ist jetzt möglich und diese erfolgt immer unter politischen Vorgaben und gemäß herrschenden ökonomischen Theorien: stabiles Wachstum und mäßige Inflation generieren, Vollbeschäftigung sicherstellen, Banken retten, Staatshaushalte finanzieren, Wirtschaft ankurbeln - was auch immer. Die Vorgaben sind politisch. Das geht gar nicht anders, auch wenn der Geldschöpfungsprozess immer noch über nominell private Banken abgewickelt wird.
Bei jeder Geldschöpfung fließt das neue Geld der Wirtschaft an einem bestimmt Punkt zu, von dem aus es sich durch zahlreiche Transaktionen ausbreitet. Dieser Prozess muß zu Verwerfungen führen. Nicht alle Preise reagieren gleichzeitig und in gleichem Maße auf das neue Geld. Es kommt zu Veränderungen der Preisrelationen, damit zu einer Veränderung der Resourcenverwendung und notwendigerweise zu einer Verschiebung der Einkommens- und Vermögensverteilung. Es gibt immer Gewinner und Verlierer.
Ganz konkret und in unserem System geht das so: Die Geldschöpfung erfolgt über das Bankensystem und das neue Geld geht zunächst durch die Finanzmärkte. Dies führt zu niedrigeren Zinsen und damit üblicherweise zu erhöhter Kreditaufnahme und gesteigerter Investitionstätigkeit. Das klingt zunächst gut. Nun ist es aber so, dass Investitionen reale Ressourcen in Anspruch nehmen und daher letztendlich einer echten Ersparnisbildung bedürfen. Nur durch Sparen werden echte Ressourcen frei, welche zuvor dem Konsum dienten. Ein durch Geldschöpfung angeregter Investitionsboom kann somit nicht zu nachhaltigem Wachstum führen. Der künstliche Aufschwung endet somit nach einiger Zeit unwiderruflich in einer Rezession.
Hätte freiwilliges Sparen zu einem erhöhten Kreditangebot und fallenden Zinsen geführt, wäre das nicht der Fall gewesen. dass Geldmengenausweitungen destabilisierend sind, wurde unter Ökonomen schon lange diskutiert. In unserem System wird dieses Problem noch dadurch potenziert, dass eine Bereinigung, eine Liquidation der Fehlallokationen durch die Rezession, in der Regel durch erneute Zinssenkungen und Geldinjektionen unterbunden wird. Im Zeitablauf summieren sich die Instabilitäten somit auf.
Gelddrucken ersetzt eben Sparen als Grundlage der Kapitalbildung nicht, und Gelddrucken kann keinen nachhaltigen Wohlstand schaffen.Zinsen sind Marktpreise, denen in der Marktwirtschaft elementare Steuerungsfunktionen zukommen. Die ständigen Geldmengenausweitungen in Papiergeldsystemen verzerren Marktzinsen fortlaufend. Dies führt zu wachsender Instabilität.
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