"Es wird böse enden"
Seite 2: Irrglaube der ständigen Ausweitung der Geldmenge
- "Es wird böse enden"
- Irrglaube der ständigen Ausweitung der Geldmenge
- Der Staat soll sich aus dem Geldwesen ganz zurückziehen
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Der Glaube an das Papiergeld heute ist aber unerschüttert, trotz heftiger Finanzkrisen. Warum wird in der gegenwärtigen Situation das Papiergeldsystem nicht in Frage gestellt?
Detlev Schlichter: Zunächst besteht heute ein weiterverbreiteter Irrglaube, dass eine ständige Ausweitung der Geldmenge erforderlich sei, damit die Wirtschaft wachsen kann. Das ist falsch, wie ich in meinem Buch anhand der Theorie nachweise, aber wie es auch ein rascher Blick auf die Wirtschaftsgeschichte bestätigen könnte. Zudem glauben viele Menschen, dass der Gold-Standard gescheitert sei, dass er an der grossen Wirtschaftskrise der 1930er Jahre Schuld war, und dass Gold-Standards einfach überholt seien. All dies ist falsch und eigentlich schnell widerlegt.
Dann ist heute die Bereitschaft deutlich größer, dem Staat eine einflussreiche Rolle im Wirtschaftsgeschehen, und vor allem im Geldwesen, zuzusprechen. Dies führt zu dem kuriosen Umstand, dass die meisten Menschen es heute merkwürdig fänden, wenn der Staat die Preise für Bananen oder Autos festsetzte, aber offensichtlich nichts daran auszusetzen finden, dass die staatliche Zentralbank die wichtigsten Zinsen festlegt und die Geldmengen zentral zu steuern versucht.
Auch die moderne Volkswirtschaftslehre hat hier nicht gerade geholfen. Seit 80 Jahren haben Makroökonomie und die mathematischen und statistischen Verfahren der Ökonometrik (econometrics) Forschung und wissenschaftliche Debatte beherrscht. Diese Methoden legen aber ungebührliches Gewicht auf statistische Gesamtgrößen, wie das Bruttoinlandsprodukt und das Preisniveau.
Um die verzerrenden Wirkungen der Geldschöpfung zu verstehen, ist es aber wichtig, die Aufmerksamkeit auf Veränderungen der Preisrelationen und auf Verschiebungen in der Ressourcenallokation zu lenken. Das ist heute unmodern geworden. Dann gibt es auch noch politische Gründe: Weder die Staaten noch die Finanzindustrie haben ein Interesse daran, das Papiergeldsystem in Frage zu stellen.
Es wird ein Scheinwohlstand kreiert
Was sind kurz zusammengefasst die Folgen des heutigen Papiergeldes und das Geld in Form von Kredit aus dem Nichts entsteht?
Detlev Schlichter: In einer funktionierenden Marktwirtschaft entsteht realer Wohlstand dadurch, dass aus dem realen Einkommen reale Ersparnis gebildet wird (eben durch Konsumverzicht). Diese erlaubt dann reale Kapitalbildung, welche die Produktivität der Wirtschaft hebt und somit zu höheren Realeinkommen führt. Aus denen kann wiederum leichter mehr gespart werden. Und so weiter. Papiergeldausweitung stört diesen Prozess.
Es wird ein Scheinwohlstand kreiert. Vorübergehend erscheint zusätzliches Investieren möglich auch ohne zusätzliches Sparen und Konsumieren ohne zusätzliche Einkommenserzielung. Es kommt zu Fehlallokationen von Kapital und einer Fehlleitung wirtschaftlicher Aktivität. Die eklatantesten Folgen jahrzehntelanger Geldproduktion und künstlich gesenkter Zinsen sehen wir jetzt weltweit: aufgeblähte Bankbilanzen und ein überproportional gewachsener Finanzsektor, der inhärent instabil ist; Blasenbildung in den Märkten für Vermögensgüter (Aktien, Anleihen, Immobilien); waschende Verschuldung von Unternehmen, Haushalten und zunehmend der öffentlichen Hand; steigende Abhängigkeit des gesamten Finanzsystems von niedrigen Zinsen, letztlich von Nullzinsen für immer.
Entweder wird das Gelddrucken irgendwann freiwillig eingestellt und dem Markt die Liquidierung der angehäuften Ungleichgewichte erlaubt. Das wäre schmerzlich aber dennoch die bessere Lösung. Oder Gelddrucken und Marktmanipulation nehmen immer groteskere Ausmaße an bis letztendlich das Vertrauen ins Geld selbst schwindet und es zu einem hyperinfaltionären Zusammenbruch kommt. Letzteres bleibt das wahrscheinlichere Szenario und ist in der Geschichte der Papiergeldsysteme nach wie das auch das häufigste Endszenario.
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