Eskalation im Sudan: Anzeichen eines neuen Stellvertreterkrieges

Plötzlicher Ausbruch von Kämpfen überraschte Beobachter. Konflikt auch Folge eines Putsches 2021. Diese zwei Großmächte könnten hinter dem Konflikt stehen.

Die kürzlich ausgebrochenen bewaffnetes Auseinandersetzungen im Sudan sind wohl der Auftakt für einen neuen, langen und blutigen Bürger- und Stellvertreterkrieg in einer der elendsten Hungerregionen der Welt. Über 14 Millionen Menschen in dem afrikanischen Land sind auf humanitäre Hilfe angewiesen.

Obwohl der Konflikt derzeit noch kein typischer Stellvertreterkrieg ist, wird von verschiedenen Seiten enormer Druck auf den Sudan ausgeübt. Vermehrte Einmischungen von außen werden wohl kaum lange auf sich warten lassen.

Mitte April sind im Sudan schwere Kämpfe ausgebrochen, bei denen Panzer und Kampfflugzeuge eingesetzt werden. Die Konfliktparteien sind die regulären Streitkräfte auf der einen und die "Schnellen Unterstützungskräften" (Rapid Support Forces, RSF) auf der anderen Seite.

Letztere waren nach dem jüngsten Militärputsch 2021 legalisiert worden. Beide Konfliktparteien hatten seitdem gemeinsam regiert. Zuletzt war es darum gegangen, die RSF in die reguläre Armee zu integrieren, was deren militärische Möglichkeiten wohl deutlich gemindert hätte. Es kam zum Konflikt, der schließlich in offene Feindseligkeiten mündete.

Die Armee untersteht General Abdel Fattah al Burhan, der damit auch die Regierungsgewalt in Khartum innehat. Sein Gegenspieler ist Mohamed Hamdan Daglo, genannt Hemetdi – zu Deutsch etwa "Der Gütige" –, der die RSF seit 2013 befehligt.

Er war der Stellvertreter al Burhans im Militärischen Übergangsrat und gilt als ambitioniert. Daglo kommt aus der Region Darfur, die im Westen des Sudan an der Grenze zum Tschad liegt. Dort hat er Aufstände niedergeschlagen, und ihm wird erhebliche Grausamkeit nachgesagt. Dort liegen auch die Hochburgen der RSF.

Da Daglo keine formale Bildung genossen hat, gilt er den Eliten jedoch in Khartum als ungeeignet, den Sudan zu führen.

Welchen Einfluss haben Russland und die USA?

Russland bemüht sich schon seit Jahren darum, eine Militärbasis am Roten Meer zu errichten. Dort sollen auch 300 Soldaten stationiert werden. Noch im Februar ist der russische Außenminister Sergei Lawrow in Khartum gewesen und hat von den sudanesischen Militärs eine Zusage für das Vorhaben erhalten.

Zudem bestehen enge Verbindungen zwischen Daglo und Unternehmen des russischen Milliardärs Jewgeni Prigoschin, der auch die private Sicherheitsfirma Wagner betreibt. Über Firmen namens Meroe Gold und M-Invest verdient Prigoschin kräftig an dem schwunghaften Handel mit dem gelben Metall. Die Unternehmen sind natürlich schon seit Längerem mit Sanktionen der USA und der EU belegt.

Überdies wird Daglo vorgeworfen, tonnenweise Gold illegal aus dem Land zu schaffen, um Exportzölle zu umgehen und seine Kriegskasse zu füllen. Gold ist das wichtigste Exportgut des bitterarmen nordostafrikanischen Landes. 2021 machte das Edelmetall mit Erlösen von 2,85 Milliarden US-Dollar über die Hälfte der Exporteinnahmen des Sudan aus.

Doch sowohl die Präsenz von Wagner-Söldnern im Sudan als auch ihre Beteiligung am Goldbergbau werden dementiert und sind bisher nicht belegt. Dass Wagner-Truppen in den Nachbarländern Libyen und der Zentralafrikanischen Republik stationiert sind, scheint für den Konflikt im Sudan zumindest derzeit keine Rolle zu spielen.

Natürlich müssen den USA sowohl eine russische Militäreinrichtung an der Küste des strategisch wichtigen Roten Meeres als auch Goldgeschäfte russischer Unternehmen in Afrika ein Dorn im Auge sein. Denn eigentlich hat Washington in Khartum eine ausbaufähige Position erreicht – und zwar bereits bevor Ex-Präsident Umar al-Bashir der Macht enthoben wurde.

So ließ sich ein sudanesischer General 2017 mit dem Hinweis zitieren, dass das Büro des US-Geheimdienstes CIA das größte in der Region sei. 2021 gelang es den USA sogar, Khartum zur Unterzeichnung der Abraham Accords zu bewegen und so eine Annäherung zwischen dem arabisch dominierten Sudan und Israel zu erreichen.

So mischen Ägypten und Äthiopien mit

In die Kämpfe am oberen Nil mischen sich allerdings noch eine ganze Reihe weiterer Akteure ein. Dazu zählen die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Saudi-Arabien, aber auch die afrikanischen Anrainerstaaten – vor allem Ägypten und Äthiopien. Darauf lässt etwa der Angriff der RSF auf den Militärstützpunkt Merowe im Norden des Sudan schließen, bei dem auch ägyptische Soldaten festgenommen wurden, die dort stationiert waren.

Unbestätigten Berichten zufolge wurden dabei sogar ägyptische MIG-29 am Boden zerstört – Kampfflugzeuge der vierten Generation aus russischer Produktion. Ganz offensichtlich geht die RSF also davon aus, dass Ägypten al Burhan und die reguläre Armee unterstützt.

Äthiopien kommt eine solche Behinderung der ägyptischen Militärs sicherlich gelegen. Immerhin hatte Kairo schon damit gedroht, den Great Ethiopian Rennaissance Dam (GERD) mit Waffengewalt zu zerstören, wenn der Staudamm am Blauen Nil die Wasserversorgung der rund 110 Millionen Ägypter:innen gefährden sollte.

Selbstverständlich hängt auch das Überleben der fast 50 Millionen Sudanes:innen von den Wassern des Nil ab. Öffentlich setzt der äthiopische Premierminister Ahmed Abiy jedoch auf Nichteinmischung und wünscht ganz scheinbar keine Intervention von dritter Seite. Das sudanesische Volk verfüge über genügend Weisheit und Fähigkeiten, um die derzeitige Krise des Landes zu lösen, ließ Abiy sich zitieren.

Rolle der arabischen Staaten

Nach dem jüngsten Putsch sind die Vereinigten Arabischen Emirate der größte ausländische Investor im Sudan geworden. Insgesamt sechs Milliarden US-Dollar investieren die Araber in dem Nilland. Davon wird ein neuer Hafen gebaut, aber auch ein großes landwirtschaftliches Projekt aufgezogen.

Daglo unterhält traditionell gute Beziehungen mit den VAE. So kämpften Tausende RSF-Milizionäre an der Seite der VAE und Saudi-Arabiens im Jemen-Krieg. Nachdem das Ende dieses Krieges in greifbare Nähe gerückt zu sein scheint, wollen die Emirate diese Kämpfer nun eventuell in den Sudan zurückschicken, damit sie auf Seiten der RSF in den Kampf eingreifen können.

Hintergrund der engen Verbundenheit zwischen Daglo und den Königshäusern am Persischen Golf sind die Goldexporte Sudans, die regelmäßig größtenteils von den Emiraten aufgekauft werden. Daglo kontrolliert die Goldproduktion im Sudan weitgehend.

Die saudische Position bleibt bisher unklar. Denn die Beziehungen Saudi-Arabiens sowohl zu Ägypten als auch zu den VAE sind angespannt. Abdel Bari-Atwan berichtet, dass Saudi-Arabien nach außen Neutralität demonstriert und sowohl Daglo als auch Burhan aufgefordert hat, sich in Riad zu treffen, um über ein Ende ihres Krieges zu verhandeln.

Es ist zu befürchten, dass der Konflikt sich noch lange hinziehen und in seinem weiteren Verlauf auf Darfur konzentrieren wird. Denn mit einer offiziellen Stärke von über 200.000 Mann wird die sudanesische Armee sicherlich in der Lage sein, die RSF von den Nilufern zu vertreiben.

Andererseits verfügt Daglo (wie gezeigt) über erhebliche wirtschaftliche Reserven und bedeutende Verbündete und kann die unzugängliche Region Dafur auf absehbare Zeit gewiss verteidigen. Damit beginnt ein neues Kapitel in der blutigen Geschichte des Landes, in dem seit der Sezession von Ägypten im Jahr 1955 immer wieder jahre- bis jahrzehntelang gekämpft worden ist.

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