EuGH: Terrorgruppenmitgliedern muss kein Asyl gewährt werden
Marokkanischer Islamist hatte selbst keine Anschläge verübt
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied gestern in einem Fall aus Belgien, dass einem Angehörigen einer Terrorgruppe auch dann kein Asyl gewährt werden muss, wenn dieser nicht persönlich an Anschlägen beteiligt war (Az. C-573/14).
Konkret ging es in dem Fall um den Marokkaner Mostafa L., der 2006 von einem Strafgericht im belgischen Brüssel des illegalen Aufenthalts, der Verwendung gefälschter Urkunden, der Urkundenfälschung und der Bildung einer kriminellen Vereinigung für schuldig befunden und zu sechs Jahren Haft verurteilt wurde. L. war (beziehungsweise ist) den Erkenntnissen des Gerichts nach Mitglied der GICM, die "Groupe Islamique des Combattants Marocains" oder übersetzt der "Islamischen Gruppe marokkanischer Kämpfer". Für sie hatte er unter anderem Terroristen in den Irak geschleust und ihnen dafür falsche Pässe überlassen.
Streit um Richtlinie
Trotz dieser Verurteilung stellte er 2010 einen Asylantrag, den er damit begründete, dass ihn die Behörden des Königreiches Marokko nach einer Rückkehr als "radikalen Islamisten und Dschihadisten" einstufen würden. Als dieser Asylantrag abgelehnt wurde, klagte L.s Rechtsanwalt gegen diese Entscheidung vor dem Conseil du Contentieux des Étrangers, dem belgischen Rat für Ausländerstreitsachen. Der schloss sich 2011 der Meinung des Anwalts an und änderte diese Position auch dann nicht, als der Conseil d’État , der belgische Staatsrat, diese Entscheidung aufhob.
In seiner Begründung der Ansicht, dass Belgien L. Asyl gewähren müsse, gab sich der Rat für Ausländerstreitsachen der Überzeugung, eine bloße Zugehörigkeit zu einer Terrorgruppe erfülle noch nicht den in der Richtlinie über den Flüchtlingsstatus aufgeführten und für die Ablehnung herangezogenen Tatbestand einer Handlung, "die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen [... ] zuwider[läuft]".
"Anwerbung, Organisation, Beförderung oder Ausrüstung von Personen"
Der belgische Staatsrat entschloss sich darauf hin zu einer Vorlage des Falls beim EuGH, der nun urteilte, dass die Ablehnung eines Asylantrages auch dann möglich ist, wenn ein Angehöriger einer Terrorgruppe "weder […] persönlich terroristische Handlungen begangen […], noch, […] zu solchen Handlungen angestiftet hat oder daran beteiligt war". Die Richtlinienformulierung "Handlungen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen" umfasst den Luxemburger Richtern nach nämlich nicht nur "terroristische Handlungen", "sondern kann sich auch auf Personen erstrecken, die die Anwerbung, Organisation, Beförderung oder Ausrüstung von Personen vornehmen, die in einen Staat reisen, der nicht der Staat ihrer Ansässigkeit oder Staatsangehörigkeit ist, um insbesondere terroristische Handlungen zu begehen, zu planen oder vorzubereiten."
Für ihre Entscheidung machten sich die EuGH-Richter unter anderem in der UN-Resolution 2178 aus dem Jahr 2014 kundig und stellten dabei fest, dass der UN-Sicherheitsrat dort nicht nur Besorgnis "über die akute und zunehmende Bedrohung, die von ausländischen terroristischen Kämpfern ausgeht", zum Ausdruck bringt, sondern auch "in Bezug auf Netzwerke […], die von terroristischen Einrichtungen aufgebaut worden sind und über die ausländische terroristische Kämpfer und die Ressourcen zu ihrer Unterstützung zwischen den Staaten hin und her geschleust werden". "Folglich", so der EuGH, "ist die Anwendung des in der Richtlinie vorgesehenen Ausschlusses von der Anerkennung als Flüchtling nicht auf diejenigen beschränkt, die tatsächlich terroristische Handlungen begehen."
Die GICM wurde in den 1990er Jahren von marokkanischen Afghanistankriegsveteranen gegründet. Sie steht dem al-Qaida-Netzwerk nahe (oder gehört zu ihm) und strebt einen salafistischen Gottesstaat an. Seit 2002 steht sie auf der Terrorliste der Vereinten Nationen. Anschläge, die mit ihr in Verbindung gebracht werden, sind unter anderem das Sprengstoffattentat in Casablanca, bei dem vor vierzehn Jahren 33 Menschen starben, und der Anschlag auf einen Zug in Madrid, der im Jahr darauf 191 Menschen das Leben kostete.
Die Gruppe finanziert sich den Erkenntnissen von Geheimdiensten und Strafverfolgungsbehörden nach durch gewerbliche Dokumentfälschung, Raubüberfälle, Erpressung, Drogenhandel und Waffenhandel. Ihre Basen hat sie vor allem in Ländern, in denen viele Exilmarokkaner leben: In Belgien, den Niederlanden, Frankreich, Spanien, Italien, England und Dänemark - aber auch in der Türkei, Ägypten, Kanada, Brasilien, Argentinien und Paraguay.
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