Europäisches Parlament stimmt dem europäischen Haftbefehl zu
Kritisiert wurde aber die fehlende demokratische Kontrolle bei den Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung
Gestern hat das Europäische Parlament im zweiten Durchgang mit großer Mehrheit dem umstrittenen europäischen Haftbefehl zugestimmt, der damit in Kraft treten kann. Bis Januar 2004 muss er von allen Mitgliedsländern in nationales Recht umgesetzt worden sein.
Obgleich der Haftbefehl dieses Mal mit 414 von 626 Abgeordneten gebilligt worden ist, gab es erneut Kritik am Vorgehen des EU-Ministerrats, der Ende 2001 die Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung und die Liste mit den terroristischen Organisationen ohne Konsultation des Parlaments beschlossen hat (Die europäische Liste der Terroristen). Dort hatte sich offenbar vor allem Spanien durchgesetzt, das gegenwärtig die EU-Präsidentschaft hat. Die meisten der europaweit gesuchten Terroristen gehören zur ETA, auch viele der in die Liste aufgenommenen 34 Organisationen sind aus Spanien.
Schwierigkeiten machte letztes Jahr die italienische Regierung. Berlusconi wollte viele der 32 Straftaten , für die der Haftbefehl europaweit gilt, wieder ausklammern und die Liste auf die sechs Straftaten Terrorismus, Menschenhandel, Drogen- und Waffenschmuggel, sexueller Missbrauch von Kindern und Organisierte Kriminalität beschränken. Gestört hatte Berlusconi vor allem die Aufnahme von Wirtschaftsdelikten wie Korruption oder Betrug (Einig bei der Definition des Terrorismus). Nach langen Diskussion hat Berlusconi der Liste schließlich doch noch zugestimmt.
Im Europaparlament wurde die Abstimmung am 17. Dezember über den Haftbefehl aufgrund der Kritik der Fraktion der Grünen verschoben und der Entwurf wieder an den Ausschuss für die Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten überwiesen, der zuvor die Vorlage ohne Änderungen gebilligt hatte. Der Haftbefehl kam im Rahmen der Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung zustande, geht allerdings auf das Konzept eines "Raums der Sicherheit" zurück. So wurde bereits 1996 beschlossen, zur Verbesserung der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten ein Übereinkommen ein vereinfachtes Auslieferungsverfahren anzustreben. Zusammen mit der Definition des Terrorismus ist nun dieser in allen Ländern ein Straftatbestand, bis lang war dies nur in sechs Mitgliedsländern der Fall. Allerdings gehen die im europäischen Haftbefehl enthaltenen Straftatbestände weit über eine Bekämpfung des Terrorismus hinaus. Eingeschlossen in die Auslieferung wurde auch der Tatbestand der Unterstützung einer terroristischen Gruppe.
Mit dem europäischen Haftbefehl soll die Auslieferung von Straftätern innerhalb der 15 EU-Mitgliedstaaten beschleunigt und erleichtert werden. Künftig soll nur noch das zuständige Gericht eines Landes über die Auslieferung der Täter entscheiden. Allein aufgrund eines Verdachts kann die Festnahme eines Menschen in einem anderen Land angeordnet werden, das diesen. Um Missbrauch bei der Auslieferung zu verhindern, suchten 155 grüne und liberale Abgeordnete den Zusatz einer europäischen Habeas Corpus Akte durchzusetzen. Darin war vorgesehen, dass den ausgelieferten Verdächtigen spätestens nach einer Frist von 110 Tagen der Prozess gemacht werden muss. Der Zusatz wurde jedoch abgelehnt.
Kritisiert wurde auch, dass es in der Definition des Terrorismus bislang noch keine Garantie aufgenommen wurde, dass Personen, die im Rahmen ihres Grundrechts auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit auch Straftatbestände begehen, nicht als Terroristen bezeichnet werden dürfen. EU-Kommissar Antonio Vitorino versicherte allerdings, dass die Definition des Terrorismus und terroristischer Gruppen materiell erfolgen werde und so rechtsstaatlichen Anforderungen genügen werde. Der Haftbefehl werde die Europäische Menschenrechtskonvention und der Charta der Grundrechte der EU respektieren, eine Auslieferung dürfe nicht erfolgen, wenn Folter oder unmenschliche Behandlung drohe.