Europaparlament vermeidet Eso-Gretchenfragen
Violeta Bulc schläfert bei ihrer Anhörung mit Wohlfühlphrasen ein
In Deutschland kam die Partei der Yogischen Flieger bei Wahlen bislang nicht über 0,3 Prozent Stimmenanteil hinaus. Wer denkt, das würde ausreichen, um das Land vor einer Herrschaft von Esoterikern zu schützen, der irrt. Es gibt nämlich auch Herrscher, die nicht vom Volk gewählt werden: Die EU-Kommissare.
Sie werden von Politikern aus ihren Heimatländern nominiert und vom Politikern im EU-Parlament bestätigt. Eine große Ausnahme, bei der Letzteres nicht geschah, war vorletzte Woche die slowenische Kandidatin Alenka Bratušek, die sich selbst nominiert hatte und bei ihrer Befragung zur Bankenkrise meinte: meinte: "Manchmal braucht es weibliche Intuition, um die Dinge zu beruhigen".
Einen Tag nach Bratušeks erzwungenem Rückzug nominierte der slowenische Ministerpräsident Miro Cerar die 50-jährige Unternehmensberaterin Violeta Bulc als neue EU-Kommissarin seines Landes. Weil im Kabinett sieben Minister gegen die Mitgründerin der Telekommunikationsfirma Telemach und nur sechs für sie stimmten, zählte der findige Politiker einfach zwei nicht abgegebene Stimmen als Ja-Stimmen.
Bis dahin war die erst im September zur "Ministerin für Entwicklung und Kohäsion" ernannte Frau auch den meisten Slowenen unbekannt. In der Woche darauf erfuhren sie und andere EU-Bürger, dass Bulc eine bekennende Esoterikerin ist, die sich zur "Schamanin" ausbilden ließ, von der "kosmischen Erfahrung" beim Gang über glühende Kohlen schwärmt und an "positive Energie" glaubt.
All das machte aber den einen oder anderen Parlamentarier doch etwas skeptisch. Der CDU-Abgeordnete Herbert Reul offenbarte beispielsweise, er würde die Frau am liebsten "einweisen" lassen. Die deutsche Grünenführerin Rebecca Harms meinte dagegen auf Twitter, Bulc sei "eine auf den ersten Blick sympathische Frau".
In der Anhörung am Montagabend machten die Abgeordneten brav einen großen Bogen um das Problem und fragten stattdessen nach der Europamaut, den Flugpassagierrechten, dem Donauausbau, dem Hochwasserschutz und EU-Verkehrssubventionen für ihre Wahlkreise. Bulc - die bis vor ein paar Tagen mit der europäischen Verkehrsplanung kaum etwas am Hut hatte - wischte diese Fragen mit einem buzzwordgeschwängerten Redeschwall beiseite, der praktisch nichts Konkretes aber viele Wohlfühlphrasen wie "mit den Leuten reden", "die beste Lösung finden", "nachhaltig denken", "Respekt vor der Natur haben" und "neue Investoren finden" enthielt.
Dadurch wurde die dreistündige Prozedur so langweilig, dass einige Teilnehmer trotz der Kameras das Gähnen nicht mehr unterdrücken konnten. Morgen früh um 8 Uhr 30 trifft sich der Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr zur Bewertung der Anhörung. Spricht er sich wie erwartet für Bulc als Verkehrskommissarin aus, dann steht einem Durchwinken der gesamten Kommission in der Plenumssitzung am Mittwoch nichts mehr entgegen.
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