Annahme mit kleinen Änderungen
EVP, Sozialdemokraten und Liberale akzeptieren Junkers Kommissarskabinett weitgehend
Am 22. Oktober wird das Europaparlament über das neue Kommissarskabinett abstimmen. Die drei großen Fraktionen (EVP, Sozialdemokraten und Liberale) haben sich übereinstimmenden Medienberichten zufolge bereits weitgehend auf eine Annahme geeinigt. Dafür soll der neue Kommissionspräsident Juncker einige kleinere Zugeständnisse machen.
Dazu gehört der Austausch der gestern Abend von den Ausschüssen für für Industrie und Umwelt abgelehnten Energiekommissarin Alenka Bratušek durch Tanja Fajon. Bratušek hatte sich in ihrer gut einjährigen Amtszeit als slowenische Ministerpräsidentin (während der die Staatsschulden trotz Privatisierungen auf 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts stiegen) beim Volk so unbeliebt gemacht, dass ihre Partei im Juli nur ganz knapp die Vier-Prozent-Sperrklausel übersprang.
Nach ihrer Abwahl nominierte sie sich selbst noch flugs als EU-Kommissarin. Ihr Pech ist jedoch, dass ihre Partei ZaAB keiner der drei großen Europaparlamentsfraktionen angehört, während ihre mögliche Nachfolgerin Sozialdemokratin ist. Hinzu kommt, dass Bratušek bei der Anhörung im Parlament nicht sonderlich kompetent wirkte und beispielsweise zur Bankenkrise meinte: "Manchmal braucht es weibliche Intuition, um die Dinge zu beruhigen".
Dass ein inkompetentes Auftreten alleine kein Ausschlussgrund sein muss, belegte unter anderem der deutsche Kommissarskandidat Günther Oettinger, an dem der Europaabgeordnete Martin Sonneborn eindrucksvoll zeigen konnte, dass eine Satirepartei parlamentarische Aufgaben gewissenhafter (und gleichzeitig unterhaltsamer) erfüllen kann als die sich ernsthafter gebende Konkurrenz.
Sonneborn hatte durch seine Fragen unter anderem enthüllt, dass der designierte Kommissar für "Digitale Wirtschaft und Gesellschaft" eine - vorsichtig formuliert - merkwürdige Vorstellung vom Cloud Computing hat, das die EU-Kommission als 160 Milliarden Euro schwere Wirtschaftshoffnung feiert.
Konkret meinte der ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident auf eine Frage zur bis vor kurzem nicht gegen Bruteforce-Angriffe gesicherten iCloud: "Wenn jemand so blöd ist und als Promi ein Nacktfoto von sich selbst macht und ins Netz stellt, kann er doch nicht von uns erwarten, dass wir ihn schützen."
Fragen dazu, wie er verhindern wolle, dass man mit einem (2012 von der EU-Kommission vorgeschlagenen) "Recht auf Vergessen im Internet" Geschichten wie die über seinen Führerscheinverlust mit 1,4 Promille oder seine umstrittenen Äußerungen zu NS-Marinerichter Hans Filbinger dezent zensiert, wich Oettinger aus. Und statt wie gewünscht auf Englisch antwortete er in einer Art Hochdeutsch.
Weder Juncker noch einer seiner Beamten konnten bislang zufriedenstellend erklären, warum es neben dem Posten für "Digitale Wirtschaft und Gesellschaft" (der an Oettinger gehen soll) auch einen für den "Digitalen Binnenmarkt" gibt (für den der Este Andrus Ansip nominiert ist). Der ORF vermutet deshalb, dass für einen der beiden Kandidaten ein Versorgungsposten geschaffen werden musste.
So einen Versorgungsposten bekommt möglicherweise auch der ehemalige ungarische Justizminister Tibor Navracsics, den der Kulturausschuss als Kulturkommissar ablehnte. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass Juncker einfach den Ressortzuschnitt ein wenig verändert. Das geschah bereits beim wegen seiner Verbindungen zur Ölindustrie in die Kritik geratene spanische Klimakommisar Miguel Cañete, der bestätigt wurde, nachdem Juncker die Zuständigkeit für "Nachhaltigkeit" dem sozialdemokratischen Vize-Kommissionspräsidenten Frans Timmermans übertrug.
Auch beim wegen seiner Lobbytätigkeit umstrittenen Finanzmarktkommissarskandidaten Jonathan Hill stimmten gestern Abend 45 zu 13 Ausschussmitglieder für eine Annahme und 42 zu 16 für eine "Anpassung" seines Kompetenzbereichs. Der französische Rekordschuldenmacher Pierre Moskovici, der Wirtschaftskommissar werden soll, wurde dagegen als Teil des Gesamtpakets Cañete ohne Änderungswünsche durchgewunken.
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