Juncker will nun Esoterikerin in die EU-Kommission holen
Auch Konservative sind entsetzt, dass eine slowenische Schamanin bald für den Verkehr zuständig sein soll
Durch die klare Ablehnung der Slowenin Alenka Bratušek und die Probleme vieler EU-Parlamentarier mit dem Ungarn Tibor Navracsics ist der Zeitplan zur Bildung der EU-Kommission durcheinander geraten. Doch um die komplizierte Balance zwischen Ost‑ und Westeuropäern, Konservativen und Sozialdemokraten, Männern und Frauen zu bewahren, hat nun Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die Slowenin Violeta Bulc akzeptiert, die Kommissarin für Verkehr werden soll.
Um für die abgelehnte Bratušek nun Bulc durchsetzen zu können, hatte der slowenische Premier Miro Cerar sogar mit Rücktritt gedroht. Nach dem Gespräch mit Bulc am Dienstag hält Juncker die Esoterikerin für das Verkehrsressort geeignet. Sie hat eine Schamanen-Akademie absolviert und besitzt einen Trainerschein für Kurse zum "persönlichen Wachstum". Sie schwärmt zum Beispiel im eigenen Blog von der "kosmischen Erfahrung" beim Gang über glühende Kohlen.
Bei der konservativen Fraktion soll die Auswahl durch den konservativen Juncker zu heftigen Reaktionen geführt haben. Einige Konservative wollen aber die New-Age-Anhängerin durchwinken, damit sie schnell vom zuständigen Verkehrsausschuss befragt werden kann. Denn schon am 22. Oktober soll das Parlament das gesamte Postenpaket absegnen, damit die neue Kommission am 1. November die Arbeit aufnehmen kann.
Doch ob der Termin angesichts harter Widersprüche auch bei den Konservativen haltbar ist, ist eher unwahrscheinlich. So hält es der Chef der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament für "eine Farce", dass eine Person, die in ihrem ganzen Leben noch nie politisch mit Verkehrsthemen befasst gewesen ist, diese komplexe Materie beherrschen solle. Herbert Reul ist die Schamanin nicht geheuer, die er in seinem Haus keine Stunde alleine lassen würde. Er ging sogar so weit und meinte, eventuell müsse man Bulc "einweisen" lassen.
Das ist ein neues Beispiel dafür, dass es um Kompetenz in der EU-Kommission offensichtlich nicht geht. Vor allem die Konservativen haben dabei große Probleme mit ihren Kandidaten. Doch das kehren sie gerne um und übten lieber harte Kritik an der sozialdemokratischen italienischen Außenministerin Federica Mogherini, die nun die Nachfolge der Außenbeauftragten Catherine Ashton antreten soll. Ihr wurde vorgeworfen, angeblich zu wenig Erfahrung zu haben. Doch das war nur vorgeschoben, weil sie nicht russlandfeindlich genug war.
Noch durchsichtiger wurde die Kritik der Konservativen am ehemaligen französischen Finanzminister Pierre Moscovici, der nun Währungskommissar werden soll. Dem Sozialdemokraten wurde vorgeworfen, als Finanzminister die Defizitgrenze gerissen zu haben, er aber nun dafür sorgen soll, dass die Stabilitätsregeln in der EU strikt eingehalten werden. Dabei wollen die Konservativen mit dem Spanier Luis de Guindos den Mann zum Chef der Eurogruppe machen, der das Haushaltsdefizit 2013 auf den Rekordwert 10,6% explodieren lies, statt es in Richtung 3% zu senken.
Die Befragung von Bulc wird sicher Unterhaltungswert haben. Interessant werden auch die Umbildungen, die noch anstehen. Denn eigentlich war ja die abgelehnte Bratušek, für die Bulc für Slowenien einspringen soll, nicht für den Verkehr vorgesehen. Sie sollte für die Energieunion zuständig sein. Dafür ist nun der bisherige Slowake Maros Sefcovic vorgesehen, der damit ebenfalls ein ihm völlig unbekanntes Ressort übernehmen soll. Er war bisher für Transport vorgesehen. Doch das Postenkarussell dreht sich weiter, denn die Europaabgeordneten lehnten den ungarischen Kandidaten Tibor Navracsics für das Ressort Kultur, Bildung und Bürgerrechte ab, weil der in der ungarischen Regierung als Justizminister an der Beschneidung elementarer Rechte beteiligt war. Für ihn muss Juncker einen anderen Posten finden und dafür muss er erneut wie Sefcovic angehört werden.
Dazu kommt, dass mit dem konservativen Spanier Arias Cañete ein "Lobbyist der Erdölindustrie" ausgerechnet für Energie und Klimaschutz zuständig sein soll. Und drückt Junckers seine Schamanin durch, um den Zeitplan einzuhalten, könnten doch viele Sozialdemokraten dem gesamten Postenpaket die Zustimmung verweigern, weil die Widersprüche immer größer werden. Die Spanier haben das wegen Cañete schon angekündigt. Zudem mussten die auch den konservativen britischen Banken-Lobbyisten Jonathan Hill schlucken. Der "Drehtürpolitiker" soll für die Finanzmärkte zuständig sein und damit ausgerechnet auch für die vielen Fragen der offenen Regulierung. Man darf gespannt sein, wie viele Akte in der Farce drohen.