Europas Obst- und Gemüseparadies geht das Wasser aus

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Wie Bauern in Spanien mit nachhaltigen Anbaumethoden und traditioneller Weidehaltung gegen die Folgen des Klimawandels ankämpfen

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Spanische Gemüsebauern versorgen Europa das ganze Jahr über mit Melonen, Tomaten, Paprika und Gurken. In der Region Almeria stehen Gewächshäuser, soweit das Auge reicht: Das Plastikmeer umfasst eine Fläche von rund 350 Quadratkilometern - so groß wie 50.000 Fußballfelder. Ausländische Lohnsklaven schuften für Niedriglöhne und sind dabei schutzlos giftigen Pflanzenschutzmitteln ausgesetzt. Nachts hausen sie in selbst gebauten Plastikplanen ohne Wasser und Strom.

Die modernen Ausbeutungsverhältnisse haben den spanischen Gemüsebauern ein schlechtes Image eingebracht. Immerhin kassieren spanische Landwirte Millionen Euro Fördermittel aus der EU. Dazu kommt ein weiteres Problem - der zunehmende Wassermangel. Mit 80 Prozent des Grundwassers werden die Gemüsekulturen bewässert.

Deutschland: Gigantischer Markt für spanische Gemüsebauern

In El Ejido, einer Stadt am Mittelmeer, lebt mindestens die Hälfte der 80.000 Einwohner direkt vom Gemüseanbau. 70 Prozent der Produkte gehen in den Export, davon wiederum 70 Prozent nach Deutschland.

Jedes Jahr wandern rund 1,3 Millionen Tonnen - mehr als 600.000 Tonnen Gurken, Auberginen und Tomaten in deutsche Supermarktregale - für spanische Gemüsebauern ein gigantischer Markt. Jedoch während die Kosten hoch sind, ist die Gewinnspanne mager: 2015 verdiente ein Bauer an einem Kilo Gurken 7 bis 10 Cent.

150 bis 200 Millimeter Niederschlag im Jahr soll für den massenhaften Anbau von Melonen, Tomaten, Paprika und Gurken reichen. In der wüstenartigen Region werden die Dürreperioden immer länger. Es gibt keine Flüsse, klagt Paprika-Anbauer Manuel Garcia Quero in einem Interview mit der ARD. Regnet es nicht, können sich weder Boden noch Grundwasser erholen. So wird von einem Gremium von Gemüseproduzenten genau festgelegt, wie hoch der Wasserverbrauch sein darf.

Mit sparsamer Tröpfchenbewässerung aus dunklen schmalen Plastikschläuchen bekommt die Pflanze exakt so viel wie sie zum Wachstum braucht. Zusätzlich wird Regenwasser in riesigen Tonnen gesammelt. Gemüsepflanzen wie Auberginen werden als Hydrokultur unter Glas gepäppelt, in einem Sack, gefüllt mit Perlite, kleinen, porösen Steine, die Nährstoffe enthalten.

Die Wurzel wird mit Dünger versorgt. Aller Sparmaßnahmen zum Trotz wird das Wasser immer knapper. Der Pflanzenschutz immerhin ist biologisch: In den Gewächshäusern ausgesetzte Raubmilben vertilgen Schadinsekten.

Hydrokulturen und Entsalzungsanlagen

Klimaforscher wie Jorge Olcina von der Universität Alicante sprechen mittlerweile von einem subtropischem Klima, das sich seit der Jahrtausendwende immer schneller verändert. Jedes Jahr steigen die Temperaturen weiter an, mit immer weniger Niederschlägen. Regnet es endlich, dann heftig und mit gewaltigen Überschwemmungen. 2017 war so ein Jahr, in dem ein monatelanges Azorenhoch über der iberischen Halbinsel lag. Die vertrockneten Weiden gaben kein Futter her, die Viehzüchter mussten Futter zukaufen - bei steigenden Preisen für Heu und Getreide.

In der Dürre von 2017 waren 60 bis 80 Prozent der Weizen-, Raps- und Erbsenernte verlorengegangen. Unter den Folgen haben selbst genügsame Kulturen wie Weinstöcke, Mandel- und Olivenbäume zu leiden. Die Flüsse führen immer weniger Wasser, die Stauseen verkommen zu Tümpeln, umgeben von riesigen Schlammflächen, was zur Folge hat, dass der Strom aus den Wasserkraftwerken teurer wird. Infolgedessen sinken die Erträge in der Landwirtschaft.

Während das Land austrocknet, suchen spanische Wissenschaftler auf dem 100 Hektar großen Gelände der Plataforma Solar de Almería nach Lösungen für das Dürre-Problem.. Der Physiker Guillermo Zaragoza zum Beispiel erhitzt in einer umweltfreundlichen Entsalzungsanlage künstliches Meerwasser so lange mit Sonnenenergie, bis es verdampft.

Der reine Wasserdampf durchdringt eine Membran, während Salz und schädliche Spurenelemente zurückbleiben. Das Ergebnis: destilliertes Wasser. Leider reicht es nicht aus, um alle spanischen Gemüsekulturen zu bewässern.

Eine andere Möglichkeit ist aufbereitetes Abwasser, wovon in Almeria jede Menge anfällt. Doch um es zur Bewässerung zu nutzen, müsste es entkeimt werden - zum Beispiel mit Wasserstoffperoxid. Denn mit Krankheitserregern wäre es zur Bewässerung von Gemüse ungeeignet.

Glaubt man den Berechnungen der EU-Kommission, könnten die Temperaturen in Spanien bis zum Ende diesen Jahrhunderts um mehr als zwei Grad Celsius steigen. Ein großer Teil des fruchtbaren Bodens würde zur Wüste werden. Schon sind 90 Prozent der Böden von Desertifikation bedroht.

Wüstenboden aber enthält viel weniger organischen Kohlenstoff. Und der ist fürs Pflanzenwachstum besonders wichtig. Erschwerend hinzu kommen immer mehr Waldbrände, die in Spanien und in Portugal jedes Jahr heftiger wüten.

Im Kampf gegen die Bodenerosion

Zwar erhalten notleidende Landwirte Gelder der EU. Doch viele Bauern wollen auch selber tätig werden. Anstatt ihre Farmen aufzugeben, stellen sie sich den Herausforderungen des Klimawandels. Manuel Martínez Egea zum Beispiel bewirtschaftet seit 1991 seinen 500 Hektar großen Familienbetrieb mit Mandeln, Getreide und Trauben.

Zwar finden im erodierten Boden die Baumwurzeln kaum Wasser, trotzdem versucht er, die Erntemengen stabil zu halten. Im andalusischen Vélez-Blanco unternehmen die etwa rund 2.000 Einwohner mit Unterstützung einer Bauerninitiative viele Anstrengungen, um die strapazierten Böden der Region zu regenerieren.

Wenige Kilometer südlich, in Chirivel, besitzt Santiaga Sánchez Porcel neben 56 Hektar Land mit Mandelbäumen eine Herde mit rund tausend Schafen. Überall dort, wo die Tiere die grünen Pflanzentriebe fressen, düngen sie gleichzeitig den Boden. Im Schatten der Bäume wächst Getreide und Gemüse. Und wo die Pflanzen den Boden bedecken, saugt er sich mit Wasser voll wie ein Schwamm.

Etwa 100 Kilometer weiter nordöstlich, in der Region Murcia, sind die Wasserspeicher gerade mal zu 20 Prozent gefüllt, im Rest des Landes nur noch zu 60 Prozent. Neben der Dürre ist die Bodenerosion ein großes Problem, einhergehend mit Verlust an Biodiversität, Verschmutzung und übernutztem Grundwasser.

Seit Alfonso Chico de Guzmán 2012 den 1.000 Hektar großen Hof seiner Familie übernahm, experimentiert er mit diversen alternativen Techniken. Er pflanzte Mandel- und Pistazienbäume, kultiviert Getreide, Gemüse und Obst und verzichtet dabei auf chemischen Pflanzenschutz. Über regenerative Landwirtschaft soll die Bodengesundheit verbessert werden.

Zudem fließt Regenwasser in Gräben in eine Sammelstelle. In dem Wasserreservoir wird auch der abgetragene, nährstoffreiche Boden aufgefangen. Trotz all dieser Maßnahmen verliert der Landwirt jedes Jahr 40 bis 50 Tonnen Boden, das Doppelte des Durchschnitts der Region, wobei der Boden an manchen Stellen sehr stark erodiert. So war es bereits vorgekommen, dass er, während er die oberste Erdschicht abgetragen hat, direkt auf felsigen Untergrund gestoßen war.

Jorge Molero aus dem andalusischen Bergdorf Dúrcal kultiviert u. a. Kürbisse, die er an einen Bioladen im 30 Kilometer entfernten Granada verkauft. Das Einkommen reicht gerade zum Überleben. Er und viele andere Kleinbauern der Region sind auf den Schnee in der 3.000 Meter hohen Sierra Nevada angewiesen. Der schmelzende Schnee liefert im Frühjahr das Wasser, das im Tal die Gemüsefelder bewässert.

Rund 100.000 Bauern - etwa die Hälfte aller Landwirte in Andalusien - nutzen ein zweitausend Jahre altes Bewässerungssystem. Über offene Kanäle fließt das Schmelzwasser aus den Bergen in die Talregionen und bewässert dort Gärten und Felder. So werden über eine Länge von 24.000 Kilometern tausende Hektar Land fruchtbar gemacht. Seit Jahren beobachtet der Biobauer, wie sich die Klimabedingungen in seiner Heimat verändern. Bei bis zu 45 Grad Hitze ist es auch für die Menschen anstrengend, auf den Feldern zu arbeiten.

Während im milden Klima der spanischen Südküste Avocados, Mangos und Cherimoyas gedeihen, reifen am östlichen Küstenstreifen Zitrusfrüchte an. Seit kurzem wird hier auch Feingemüse intensiv kultiviert. Im Gebirge des Landesinneren hingegen wachsen Mandeln, Oliven und Wein. Mittlerweile geht der Trend immer stärker zum Bioanbau, denn an konventionellem Gemüse ist so gut wie nichts mehr zu verdienen.

In den letzten zehn Jahren stieg die Zahl der Ökolandwirte von rund 500 auf 15.000. Und mehr als 70 Prozent aller Spanier haben schon mal Bioprodukte gekauft. Ausschlaggebend dürfte ein Beschluss der Regierung gewesen sein, den Ökolandbau mit EU-Subventionen zu fördern.

Wachsender Bio-Boom in spanischen Städten

Mit rund zwei Millionen Hektar zertifizierte Öko-Anbauflächen entwickelte sich Spanien innerhalb der letzten zehn Jahre zu einem bedeutenden Ökoproduzenten in der EU. Insgesamt entfallen 17 Prozent der EU-Öko-Anbauflächen auf Spanien: Neben Gemüse, Obst und Olivenöl betrifft dies vor allem Tierfuttermittel und Eier. Im Norden kommen noch Molkereiprodukte hinzu.

2017 war der Ökolandbau im Land um 14 Prozent gewachsen. Eine kleinstrukturierte ökologische Landwirtschaft bietet den Menschen die Chance, auf dem Land ein Einkommen zu erwirtschaften. Vorreiter des Ökolanbaus ist Andalusien mit rund 12.800 Bio-Bauern. Die andere Hälfte der Flächen wird von größeren Unternehmen und Genossenschaften bewirtschaftet.

Glaubt man María Dolores Raigón, Professorin für Landwirtschaft an der Universität in Valencia, setzten die zehn wichtigsten Unternehmen der Branche 2017 rund 170 Millionen Euro um. In den restlichen Landesteilen sind Öko-Bauern eher Kleinbauern. Zwar werde mehr als die Hälfte des Gemüses und Obstes immer noch ins Ausland verkauft, erklärt Raigón gegenüber der Taz. Dennoch sei der inländische Markt in den letzten Jahren stark gewachsen.

Längst finden sich Bioprodukte auch in den Supermarktregalen. Rund 40 Prozent werden allerdings in kleinen Ökoläden verkauft. In den Städten hingegen bestellen immer mehr - meist junge - Konsumenten Bioprodukte direkt beim Bauern.

Allerdings müsse die ökologische Tierhaltung und der Anbau von Öko-Futtermitteln gestärkt werden, fordert die Vorsitzende des Verbandes der spanischen Ökolandwirtschaft (SEAE). Eine weitere Herausforderung sieht sie in der Verarbeitung von Agrar- und Lebensmittelprodukten:

Bisher wurden spanische Ökoprodukte im Ausland verarbeitet und als Fertigprodukte zurückgeschickt. Wenn die Rohware stattdessen im eigenen Land veredelt würde, könnte Spanien den damit verbundenen Mehrwert selbst abschöpfen.