Europawahl: Medienanalyse vs. politische Wirklichkeit

Seite 2: Konsequenzen: Friedenssicherung statt Bellizismus

Ein kurzer Blick nach Europa: Im Fall von Italien wird immer nur der Sieg von Meloni und ihrer "postfaschistischen" Partei erwähnt. Nicht erwähnt wird, dass den über 22 Prozent Zugewinn für Meloni über 25 Prozent Verlust für die nicht weniger postfaschistische, überdies separatistische und EU-feindliche Lega Nord gegenübersteht. Auch die Halbierung der antipolitischen "5 Stelle" wird schnell übersehen.

In Europa insgesamt kann man erkennen: Die Rechtsliberalen sind leicht gestärkt, die Sozialdemokraten stabil, die Linken nehmen leicht zu, die Rechtsextremen deutlich. Verluste gibt es in der Mitte, bei Grünen und Liberalen. Die Lager klären sich.

Nicht Klima ist das Thema, sondern Wohlstand und Wirtschaft, die Angst vor Wohlstandsverlusten und Entbehrungen in der Zukunft.

Das wichtigste Thema ist Friedenssicherung. Die Regierungsparteien adressieren diese Frage größtenteils falsch und unglaubwürdig. Da Regierung wie klassische Opposition sich in ihrem Bellizismus nicht nachstehen, weichen die Wähler auf neue und extremistische Parteiangebote aus.

Ein besseres Morgen?

Man kann solch ein Wählerverhalten auch als selektives Ausblenden unangenehmer Realitäten und als fatale Komplexitätsreduktion beschreiben.

Aber die Prioritäten, die die Wähler einfordern, sind klar: Sterben, aber auch nur Frieren und Arm-werden für die Ukraine will keiner, und Frieren und Arm-werden fürs Klima wollen auch nur die Wenigsten.

Aber eine Transformation ohne Opfer wie überhaupt ein Bild für ein besseres Morgen vermögen weder Wähler noch die von ihnen gewählten Politiker zu entwerfen. Dabei ist genau dies, was not tut und gewollt wird: ein Zauber, eine Mythologie. Modischer gesprochen: ein Narrativ.

Stattdessen gefallen sich die Politiker aller Parteien in Selbstentzauberung und kleinen Spielen, statt großer Geste. Das rächt sich. Denn der fehlenden demokratischen Ästhetisierung und einem republikanischen Populismus setzten die Neureichen der Politik mithilfe der Medien Mythen des Alltags (Roland Barthes) entgegen, die den Rechtsextremismus in Faschismus verwandeln.

Auch die pauschale, undifferenzierte Rede vom "Rechtsruck" ist so ein Mythos. Für die Politik ist das fatal. Denn sie glaubt den Narrativen der Medien, anstatt die allzu komplizierten, mitunter aber wieder - Ukraine! Wohlstand!! - sehr einfachen Tatsachen zu sehen.