Evakuierung in Syrien: Phase 2, der Austausch von Milizenkämpfern

Seite 2: Zweifel am typischen Erstverdacht

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Doch kamen selbst der Bild-Zeitung Zweifel am Erstverdacht: "Die Art des Anschlags spricht für eine radikalislamistische Extremistengruppe, vermutlich aus dem Spektrum der Terrormiliz ISIS oder der ihr nahestehenden Jund al-Aqsa", berichtete sie am Sonntagnachmittag, um am Ende dann doch eine neue Spitze gegen die Regierung in Damaskus zu lancieren: "Weitere Bombenanschläge durch Splittergruppen könnte das Regime dazu nutzen, sich international wieder als Stabilitätsfaktor zu präsentieren."

Die Verfasser konnten, wie sich auf Twitter zeigt, nicht den Fakt übersehen, dass der Selbstmordattentäter, der mit seinem Auto auf die geparkten Busse zuvor, von der Seite kam, die von Rebellen kontrolliert wurde. Dort wurde nach Aussagen des gut vernetzten und informierten Journalisten Elijah J.Magnier jedes Fahrzeug akribisch kontrolliert.

Von Leichen über Gefangene zu entführten katarischen Royals

Magniers Interviewäußerungen enthalten noch beachtenswerte Hintergrundinformationen, die zum Teil auch in anderen Medien nachzulesen sind. Er erklärt, wie viele Deals hinter dem 4-Städte-Plan stecken. Darin geht es zum Beispiel auch um Abmachungen zum Gefangenen- und Leichenaustausch zwischen der Hisbollah und al-Qaida, zum Gefangenenaustausch zwischen der syrischen Regierung und al-Qaida und um eine spektakuläre Geiselnahme, in deren Folge Katar viele Millionen - Magnier sprich von einer Größenordnung von 25 bis 30 Millionen - bezahlt oder angeboten haben soll.

Dabei geht es um die Entführung von Mitgliedern der katarischen Königsfamilie im Irak im Winter 2015. Sie führten dort, einer jahrzehntelangen Tradition folgend, eine Jagd mit Falken durch und wurden von einer Miliz namens Kata’eb Hizbollah (die nichts mit der libanesischen Hizbollah-Miliz zu tun hat und angeblich in Verbindung mit iranischen Revolutionären Garden steht) entführt.

Einige Geiseln wurden bereist ausgelöst, andere sind noch in Gewahrsam. Die Verhandlungen über ihre Freilassung wurde mit den Verhandlungen über den 4-Städte-Evakuierungsplan verknüpft. Daran abzulesen ist, wie weitreichend das Verhandlungsgeflecht ist, wie viele Unterhändler mit eigenen Interessen daran beteiligt sind und wie leicht eine Verbindungsschnur zu reißen wäre. Die Hauptverhandler laut Middle East Eye sind Ahrar al-Sham, hinter der Katar steht, und Iran.

Geht es nach Magnier, so hatten keine der großen beteiligten Verhandlungspartner, weder die syrische Regierung noch die Milizen von Ahrar al-Sham, die den Straßenbereich kontrollierte, ein Interesse daran, dass der Konvoi mit Zivilisten am Samstag mit einer Autobombe angegriffen wird.

Aber es gebe Spannungen zwischen den Milizen und innerhalb der Milizen, zwischen Jund al-Aqsa und Ahrar al-Sham und Jund al-Aqsa und al-Qaida sowie es auch Spannungen innerhalb der al-Qaida-Milizen gebe. Seiner Mutmaßung nach gab es einen Bruch innerhalb der al-Qaida-Verbände - al-Nusra und angeschlossene Gruppen, der zum Selbstmordanschlag führte.