"Evakuierung von Migranten aus Libyen"
- "Evakuierung von Migranten aus Libyen"
- Der größere Rahmen: Die Neuordnung Libyens
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Ein neuer Flüchtlingsdeal? Beim Afrika-EU-Gipfel wird ein gemeinsamer Aktionsplan abgesprochen. Es geht auch um eine Neuordnung Libyens
Der französische Präsident hatte kürzlich bei seiner Rede in Ouagadougou davon gesprochen, dass in Libyen festsitzende Migranten evakuiert werden sollten und dazu einen Plan angedeutet. Nun werden erste konkrete Umrisse bekannt. Europäische und afrikanische Staat- und Regierungschefs einigten sich am Rand des Gipfeltreffens in Abidjan auf etwas, das es "nie gab", schreibt Robin Alexander ("Die Getriebenen") in der Welt:
Europäer und Afrikaner wollen gemeinsam die Ausbeutung der in Libyen gestrandeten Migranten bekämpfen.
Robin Alexander
Das ist erstmal eine gute Absicht, die es mit einer Menge Schwierigkeiten zu tun hat. Der Plan, den Macron mit Merkel, den italienischen und spanischen Regierungschefs Paolo Gentiloni und Mariano Rajoy, mit Federica Mogherini von der EU, dem UN-Generalsekretär Antonio Guterres, dem Vorsitzenden der Afrikanischen Union (AU), Moussa Faki Mahamat, den Präsidenten von Tschad und Niger, Idriss Déby Itno und Mahamadou Issoufou, dem Staatsoberhaupt des Kongo, Denis Sassou-Nguesso, und mit dem Chef der international anerkannten Regierung in Libyen, Fajiz a-Sarradsch, im Zwischengeschoss des Tagungshotels besprochen hat, bietet einige Überraschungen, heikle Punkte und die ganz große Frage, wie er tatsächlich umgesetzt werden soll.
Trennung zwischen Wirtschaftsflüchtlingen und solchen, die Aussicht auf Asyl haben
Das Konzept beruht auf folgenden Punkten: Alle Lager in Libyen, in denen "illegale Migranten" festgehalten werden, sollen überprüft werden, die Insassen danach befragt werden, woher sie kommen, wohin sie wollen und nach den Gründen der Migration.
Nach ihren Angaben - und getreu des Vorhabens, das die französischen Regierung zuletzt stark betonte - soll unterschieden werden zwischen Wirtschaftsflüchtlingen und solchen, die Flüchtlinge im Sinne europäischer Asylgesetzgebung oder der Genfer Flüchtlingskonvention sind.
Wirtschaftsflüchtlinge sollen in ihre Herkunftsländer zurückgeführt werden. Dies soll mit einer finanziellen "Rückkehrhilfe" erleichtert werden. Robin Alexander schreibt von "bescheidenen Finanzmitteln", die aber als entscheidender Anreiz gesehen werden, da die Migranten damit nicht mit leeren Händen zurückkehren und ihr Gesicht gegenüber ihren Familien wahren.
Nach Einschätzung von Experten soll diese Gruppe etwa 80 Prozent aller Migranten im Durchgangsland Libyen stellen. Die afrikanischen Regierungschefs hätten zugesagt, dass sie Flugzeuge chartern und nötige Papiere schneller als bisher zur Verfügung stellen.
Der lange Umweg nach Europa
Die Migranten, die Aussicht darauf haben, dass ihr Asylantrag bewilligt wird, sollen - und das ist ein neues Konzept - nicht umgehend nach Europa gebracht werden, sondern erst in die Nachbarländer Tschad und Niger. Danach wird entschieden, in welche " europäische oder außereuropäische Länder" sie gebracht werden. Das Ganze soll im Rahmen eines Ansiedlungsprogramms ("relocation") geschehen. In Europa wird dies die Diskussion über gesellschaftlich akzeptable Kontingente und die Solidarität der EU-Mitgliedstaaten untereinander neu befeuern.
Schon zu dieser Grundausrichtung gibt es Kritik, wie sie zum Beispiel der innenpolitischen Sprecherin der Linken, Ulla Jelpke, formuliert wird. Sie kritisiert das Verschieben der Verantwortung für das Elend der Flüchtlinge in Libyen. Es liege in der Verantwortung der EU-Abschottungspolitik, dass Migranten in den libyschen Lagern misshandelt werden. Die Politik, die der neue Plan verfolge, sei danach ausgerichtet, das Leid von Europa wegzurücken, nach dem Motto "aus den Augen aus dem Sinn":
Es schlägt allerdings dem Fass den Boden aus, wenn jetzt dieses Leid noch dazu missbraucht wird, um exterritoriale Flüchtlingslager in der Sahel-Zone zu errichten - ein von konservativen Abschottungsstrategen lang gehegter Plan wird damit Wirklichkeit. Eine Verlegung in Lager im Tschad oder Niger stellt allenfalls eine geographische Änderung der Lage der Schutzsuchenden dar, eine legale Aufnahme in die EU wird hingegen nur wenigen ermöglicht werden, um das geplagte europäische Gewissen zu beruhigen. Die Menschen werden aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit verdrängt, und das ist offensichtlich auch das Kalkül dieses zynischen Evakuierungsplans.
Ulla Jelpke, Die Linke
Bislang ist der Plan nur eine Absprache. Er wird erst noch in schriftliche Form gebracht. Offen sei noch, so der genannte Welt-Artikel, ob es dazu auch eine parlamentarische Zustimmung braucht. Auf deutscher Seite sei mit dem Merkel-Berater Jan Hecker jemand maßgeblich eingebunden, der beim Türkei-Flüchtlingsdeal schon eine wichtige Rolle gespielt habe.
Einsatz von Polizei- und Militär
Schaut man sich französische Publikationen zum Thema an, so wird schnell deutlich, dass ein anderer Aspekt der Abmachungen eine zentrale Rolle spielt, nämlich der Einsatz von Polizei- und Militär. Im Tagesschau-Bericht heißt es, dass man sich laut Macron auch auf eine enge Zusammenarbeit mit einer Taskforce geeinigt habe. Sie soll Polizeibehörden und Geheimdienste zusammenführen, um "Netzwerke und Finanzierung von Menschenhändlern zu zerschlagen und diese zu fassen".
Das klingt sehr abstrakt. Die Verhältnisse in Libyen sind kompliziert, von Machtkämpfen im Kleinen wie im Großen gekennzeichnet. Es gibt zwei Parlamente, eins davon international anerkannt, dieses mit Sitz im Osten erkennt aber den international anerkannten Regierungschef Serraj nicht an.
Das tut auch das Parlament in der Haupstadt Tripolis nicht, wo Serraj im Hafenstützpunkt residiert. Der starke Mann, von dem sich viele Länder, einschließlich Frankreich, Ordnung und Stabilität versprechen, heißt General Haftar. Er ist Oberbefehlshaber über die Reste der libyschen Nationalarmee. Darüber hinaus gibt es über 1.000 Milizen.
Mit wem wird die Taskforce aus Polizei, Militär und Geheimdiensten zusammenarbeiten bzw. wer stellt sie? Und was ist das genau für ein Einsatz? Macron hatte zuletzt in seiner Rede angedeutet, dass er sich - in einem bestimmten Rahmen - eine militärische Intervention vorstellen kann.