Experten halten Enthauptungsvideobann des Terrorkalifen für unwahrscheinlich

"Walk of Shame" in Libyen

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Am Wochenende berichteten mehrere internationale Medien, der Terrorkalif Abu Bakr al-Bagdadi habe befohlen, dass künftig keine Enthauptungsvideos mehr produziert und ins Internet gestellt werden sollen, weil diese Kinder verstören könnten. Ursprung dieser Meldung war ein Artikel im Middle East Eye, der sich auf das Portal All4Syria bezog, das die Information von einer Quelle aus dem Terrorkalifat erhalten haben will.

Experten halten solch einen Erlass zwar für theoretisch möglich, aber unwahrscheinlich: Der für die Quill er Foundation tätige Terrorismusforscher Charlie Winter, der belgische Historiker Pieter von Ostaeyen und der Jihadology-Gründer Aaron Zelin konnten bislang trotz intensiver Suche keine Beweise dafür finden.

Die Washington Post verweist in diesem Zusammenhang außerdem auf den für den Londoner Think Tank Chatham House tätigen IS-Experten Hassan Hassan, der an einen Stille-Post-Effekt glaubt, welcher auf ein Schreiben zurückgehen könnte, in welchem der Kalif die Kontrolle über den Videoausstoß der Terrorgruppe stärker zentralisiert. Das soll möglicherweise auch davor schützen, dass Informationen nach Außen dringen, die dem Kalifat militärisch schaden könnten. Um das zu vermeiden, soll die Terrorgruppe am Sonntag Internetcafes in der Quasi-Kalifatshauptstadt ar-Raqqa durchsucht und dazu aufgefordert haben, binnen vier Tagen ihre WLAN-Zugangskontrollen zu verstärken.

Darauf, dass die Jugendschutzmeldung eine Ente ist, deutet auch ein am Freitag veröffentlichtes Video hin, in dem ein etwa zehnjähriger Junge in Tarnkleidung einen gefesselten Gefangenen von hinten ein relativ kleines Messer an den Hals drückt und anschließend den abgetrennten Kopf in die Kamera hält. Der Abtrennvorgang ist (zumindest in der verbreiteten Fassung des Videos) nicht zu sehen, was daran liegen könnte, dass er mit einem so kleinen Messer recht lange dauert und relativ viel Kraft erfordert, weshalb der Junge möglicherweise Hilfe von einem erwachsenen IS-Terroristen erhielt.

Bearbeitung: TP

In einem am 4. Juli veröffentlichten Video richten 25 Kinderterroristen 25 Gefangene in der im Mai vom IS eroberten Stadt Palmyra mit Genickschüssen hin. In anderen Clips hatte der IS zuletzt immer neue grausame Hinrichtungsmethoden präsentiert: Langsames Ersäufen in einem Käfig, reihenweises Wegsprengen der Köpfe und Verbrennen. Ob die 94 Fastenbrecher, die im Ramadan tagsüber getrunken oder gegessen hatten, ihre Kreuzigung und die ihnen verabreichten 70 Peitschenhiebe überlebten, ist nicht klar.

In der libyschen Stadt Derna ließ eine mit dem IS rivalisierende Dschihadistengruppe währenddessen einen gefangenen IS-Terroristen nackt und unter Schlägen zu seinem Galgen marschieren, wo er aufgehängt wurde. Eine Strafe, die an das Finale der fünften Staffel der Serie Game of Thrones erinnert, wie unter anderem der Jerusalem Post auffiel. Ob sich die libyschen Dschihadisten davon inspirieren ließen, ist nicht bekannt - aber auch der "Walk of Shame" ist nicht ohne historische Vorbilder.

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