Extraprofite von Unternehmen treiben Kerninflation auf Rekordniveau

Die Energiepreise sinken, und auch die Lebensmittelpreise dürften bald nachgeben. Dennoch ist die Kerninflation hartnäckig hoch. Ökonomen verdächtigen die hohen Unternehmensgewinne.

Die Inflation in der Euro-Zone geht zurück. Dank fallender Energiepreise hat sie sich erheblich abgeschwächt. Die Verbraucherpreise stiegen im März nur noch um 6,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Das teilte das Statistikamt Eurostat am Freitag nach einer ersten Einschätzung mit. Im Februar hatte sie noch bei 8,5 Prozent gelegen.

Das ist ohne Zweifel eine gute Nachricht für die Verbraucher, und in den kommenden Monaten könnte sich der Trend fortsetzen. Dies brachte zumindest Francois Villeroy de Galhau, Frankreichs oberster Notenbanker und Ratsmitglied der Europäischen Zentralbank, im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) zum Ausdruck.

Villeroy de Galhau sagte, dass die Preise von Nahrungsmitteln bald sinken dürften. Er fuhr fort:

Wir sehen seit Ende vergangenen Jahres einen Rückgang der Weltagrarpreise, und es dauert einige Quartale, bis sich das überträgt. In unseren Prognosen für den Euroraum dürften die Nahrungsmittelpreise nach einer spürbaren Delle bis zum Jahresende recht deutlich zurückgehen und die Gesamtinflation dadurch sinken.

Die Hoffnung auf ein rasches Absinken der Inflation ist allerdings trügerisch, denn Lebensmittel und Energie machen nur einen Teil des Warenkorbs aus, mit dem die Teuerungsrate berechnet wird. Im europäischen Schnitt haben machen die beiden schwankungsanfälligen Teile laut Villeroy de Galhau nur etwa ein Viertel des Warenkorbs aus.

Rechnet man Energie und Lebensmittel heraus, erhält man die sogenannte Kerninflation – die im März mit 5,7 Prozent ein Rekordniveau erreicht hat. Sie ergibt sich hauptsächlich aus der Teuerung von Dienstleistungen und Industriegütern. Und nach Einschätzung des französischen Notenbankers könnte sie sich als hartnäckiger erweisen.

Was die Ursache für die hohe Kerninflation ist, erklärte Villeroy de Galhau im Interview nicht. Er betonte lediglich, dass man den Kampf gegen die Inflation erst dann gewonnen habe, wenn auch die Kerninflation angegangen worden sei. Er erklärte:

Die EZB wird die Inflation zwischen Ende 2024 und Ende 2025 auf zwei Prozent zurückführen. Das ist nicht nur eine Prognose, sondern eine Verpflichtung. Deshalb kommt es nicht infrage, den Kurs zu verlassen. Wir haben den größten Teil des Weges der Zinserhöhungen hinter uns, aber wir haben möglicherweise noch ein Stück Weg vor uns, und es gilt, die erforderliche Dauer durchzuhalten.

Im Handelsblatt war dagegen mehr über die Ursachen der hohen Kerninflation zu erfahren. Ein Faktor seien die stark gestiegenen Unternehmensgewinne, heißt es dort. Vertreter der EZB hätten stattdessen lange Zeit hauptsächlich vor zu stark steigenden Löhnen als Treiber der Inflation gewarnt.

Doch nun zeigten aktuelle Daten, dass wohl viele Unternehmen die Situation ausgenutzt haben, um zusätzlichen Profit zu machen. Sie hätten die Preise stärker erhöht, als zum Ausgleich gestiegener Kosten notwendig gewesen wäre.

Die Bruttogewinne der Firmen im Euro-Raum – außerhalb des Finanzsektors – sehen im Jahr 2021 um dreizehn Prozent gestiegen, hat ein Ökonom laut Handelsblatt errechnet. Auch im Jahr 2022 habe das Plus demnach bei sieben Prozent gelegen.

Ob die EZB die Inflation in den Griff bekommt, hängt auch davon ab, ob die Unternehmen im Euro-Raum die Preise auch weiterhin mit Extraprofiten in die Höhe treiben. Hier sei die Politik gefragt, die genau hinschauen solle, ob etwa die Gewinnmargen zu hoch seien, sagte Robert Holzmann, der Chef der Oesterreichischen Nationalbank, dem Handelsblatt.

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