FAO will Familienbetriebe stärken
Im Kampf gegen Hunger setzt die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UNO auf kleinere landwirtschaftliche Betriebe
Neun von zehn der weltweit rund 570 Millionen Bauernhöfe werden von Familien geführt. Sie leisten einen wesentlichen Beitrag zur Ernährungssicherheit, betonte die FAO (Food and Agriculture Organization) anlässlich des Welternährungstages am 16. Oktober und sollten finanziell ebenso wie technisch gestärkt werden. Kleine bäuerliche Betriebe würden eine Schlüsselrolle beim Aufbau nachhaltiger Landwirtschafts- und gesunder Ernährungssysteme spielen. - Dennoch hält weltweit das "Bauernsterben" an.
Zweiundsiebzig Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe sind kleiner als ein Hektar, 84 Prozent kleiner als zwei Hektar und nur sechs Prozent aller Farmen weltweit sind größer als fünfzig Hektar. Das geht aus einem neuen Bericht der FAO hervor. Wie die FAO festhält, würden aber gerade die kleinen Farmer, gemessen an dem Land, das ihnen zur Verfügung steht, einen höheren Anteil zur Ernährung beitragen als die größeren. Dagegen ist der Output pro arbeitender Person niedriger. Das würde Armut zementieren und Entwicklung verhindern:
Small farms produce a higher share of the world's food relative to the share of land they use, as they tend to have higher yields than larger farms within the same countries and agro-ecological settings. However, the higher productivity of land on family farms involves lower labor productivity, which perpetuates poverty and hinders development. Much of the world's food production involves of unpaid labor by family members.
FAO
Regierungen seien deshalb aufgefordert, die kleineren Farmen finanziell zu stärken, so die FAO. Was die landwirtschaftlichen Betriebe konkret bräuchten, sei jedoch sehr unterschiedlich. Vielfach (besonders in Entwicklungs- und Schwellenländern) mangle es an infrastrukturellen Maßnahmen, Marktintegration, Ausbildung, aber auch an Grundlagenforschung:
Policy makers must also consider the diversity of family farms in terms of size, technologies used, and integration into markets, as well as their ecological and socio-economic settings. This diversity means that farmers need different things from an innovation system. Still, all farms need better governance, macroeconomic stability, physical and institutional market infrastructure, education as well as basic agricultural research.
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Guter Ertrag - wenig Lohn
Wie die "Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen" unter Berufung auf die UN bereits vor einigen Monaten berichtete, wären die etwa "500 Millionen kleinbäuerliche Familienbetriebe in Entwicklungsländern in der Lage genügend Nahrung für knapp zwei Milliarden Menschen zu produzieren." Das entspreche ungefähr einem Drittel der Weltbevölkerung. In Entwicklungsländern sind die kleinen landwirtschaftlichen Betriebe damit ein unverzichtbares Standbein für die Gesellschaft. Allerdings ist der Lohn mager oder, wie es die DGVN ausdrückt: Diese kleinen Betriebe stehen "ganz am Ende der Ausbeutungskette und leben meist in Armut". Besonders problematisch sei die Situation für Frauen:
Insbesondere Frauen erleiden Diskriminierung und Ablehnung in der kleinbäuerlichen Landwirtschaft. Die Zahl der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte in Entwicklungsländern wird mit einem Anteil von etwa 43 Prozent durch Frauen vertreten, jedoch sind lediglich 20 Prozent aller Landbesitzer Frauen. Das entspricht fast einem Drittel der Weltbevölkerung. Gerade in Entwicklungsländern tragen kleinbäuerliche Familienbetriebe außerdem einen Großteil zur wirtschaftlichen Entwicklung im landwirtschaftlichen Sektor bei, stehen allerdings ganz am Ende der Ausbeutungskette und leben meist in Armut.
In dem von der FAO für 2014 ausgerufenem "Internationalen Jahr der bäuerlichen Familienbetriebe" wollte man auch die Position der Frauen stärken. Im jüngst vorgelegten FAO-Bericht gibt es dazu ein kurzes Kapitel, wobei Benachteiligungen von Frauen in nahezu allen relevanten Bereichen - Zugang zu Krediten, Technologien, Fortbildung etc. - festgehalten werden. Empfehlungen bleiben aber zumindest in diesem FAO-Bericht recht vage, klar wird hingegen, dass die kleinen Betriebe bereits jetzt einen großen Beitrag zur Erhaltung der Biodiversität leisten. Nachhaltiges, ressourcenschonendes Wirtschaften sollte in Zukunft verstärkt finanziell gefördert werden. Auch gebe es diesbezüglich "Schulungs-" und "Forschungsbedarf".
Hungerbekämpfung versus Bauernförderung
In Entwicklungs- und Schwellenländern spielen die kleinen Landwirte eine substanzielle Rolle im Kampf gegen Hunger. Gerade die internationalen Maßnahmen zur Hungerbekämpfung machen aber immer wieder den kleinen lokalen Landwirten zu schaffen. Speziell subventionierte Importe setzen lokale Anbieter unter Druck. Auf der anderen Seite haben sich aber viele Länder verpflichtet, Hunger effizient zu bekämpfen.
Es scheint für die Regierungen oft einfacher zu sein, auf Billig-Importe zu setzen als die eigene Landwirtschaft aus- beziehungsweise aufzubauen. Diesbezüglich vereinbarte Ziele werden häufig nicht eingehalten. So verweist die Lobby-Organisation ONE in einem Bericht (2014) darauf, dass zwischen 2008 und 2010 nur acht von über vierzig Ländern südlich der Sahara (Subsahara) sich an eine in Maputo getroffene Abmachung gehalten hätten, wonach zehn Prozent des jeweiligen nationalen Haushalts in den Aufbau der Landwirtschaft hätten investiert werden sollen:
On average in 2008-10, only eight of 41countries in sub-Saharan Africa met the Maputo commitment to allocate 10% of their national budgets to agriculture. Over these three years, an additional $18.5 billion would have been mobilised for agriculture had all countries met their promises.
Die Organisation hält fest, dass es finanziell durchaus möglich gewesen wäre, die Ziele einzuhalten. Die Staatsausgaben wären in diesen Ländern enorm gestiegen und würden inzwischen rund 376 Milliarden Dollar betragen. Dass Realpolitik oft nicht im Einklang mit nationalen und internationalen Absichtserklärungen steht, beklagen indes weltweit immer mehr kleinere Landwirtschaftsbetriebe. Sie fühlen sich selbst durch die FAO nicht ausreichend wahrgenommen. Viele haben sich inzwischen international zu Verbänden zusammengeschlossen. "La Via Campesina" ist eine solche Vereinigung. Hier haben sich Landarbeiter, kleinbäuerliche Betriebe und auch Landlose organisiert. Sie vertreten das Konzept der "Ernährungssouveränität" und setzen sich für die Stärkung umweltfreundlicher, lokaler landwirtschaftlicher Produktion ein. In einer Erklärung vom März 2014 stellt der Verband fest:
Im Jahr 2014, das von der UN zum internationalen Jahr des bäuerlichen Familienbetriebes erklärt wurde, feiert die UN bäuerliche Betriebe und Familienbetriebe. Dies steht in hartem Kontrast zur politischen Entscheidungen auf globaler Ebene, die von den Märkten und Finanzspekulationen, welche Wettbewerb und Wirtschaftskriege fördern, bestimmt werden. Diese Politik missachtet die fundamentale soziale Funktion bäuerlicher Nahrungsmittelerzeugung in den Bereichen Ernährung, Arbeit und der Bewahrung der Natur.
'"La Via Campesina" macht eine "ungerechte flächenbezogene Subventionspolitik" der EU für das "Verschwinden von 20 Prozent der europäischen Bäurerinnen und Bauern" und "den Verlust von drei Millionen Arbeitsplätzen" zwischen 2003 und 2010 verantwortlich.
Tatsächlich schreitet das "Bauernsterben" weltweit voran. Ein Beispiel: In Österreich geben im Schnitt 2300 Betriebe jährlich auf. Von den Agrarsubventionen hingegen profitieren laut der österreichischen Tageszeitung "Die Presse" auch "Stiftungen, Kirchen und Konzerne in großem Stil".
In vielen Entwicklungs- und Schwellenländern zeichnet sich seit vielen Jahren bereits ein ähnlicher Verdrängungswettbewerb ab. "Landgrabbing" wurde zu einem so großen Problem, dass sich auch die UN damit auseinandersetzte und die FAO 2012 "freiwillige Richtlinien" zu Land-, Forst- und Fischereirechten auf den Weg brachte.
Fortschritte bei der Hungerbekämpfung
Was die weltweite Bekämpfung von Hunger betrifft, konnte die FAO rein statistisch gesehen wieder Erfolge vermelden. Die Zahl der unterernährten Menschen sank von 842 Millionen (SOFI-Report 2013) im Zeitraum 2012 bis 2014 (SOFI-Report 2014) auf 805 Millionen Menschen. Die größten Fortschritte wurden in Lateinamerika und der Karibik erzielt. Positives Fallbeispiel sei Bolivien. Dort fiel sich die chronische Unterernährung bei Kindern von 41,7 Prozent (1989) auf 18,5 Prozent (2012). Auch Brasilien wird von der FAO lobend erwähnt. Problematisch ist die Situation in politisch instabilen Ländern. Die Länder Westasiens und Länder südlich der Sahara bleiben nach wie vor die großen Baustellen in der Hungerbekämpfung.
Die FAO macht in ihren Publikationen klar, dass kein einzelner "Stakeholder" Ernährungssicherheit gewährleisten könnte. Vielmehr müssten lokal-spezifische Lösungen gefunden werden. Die Hervorhebung der Bedeutung von kleinen Bauern ist bei einer internationalen Organisation wie der FAO, die sich auf einem hochpolitischen Minenfeld bewegt, als wegweisender Schritt zu werten. Ob die einzelnen Länder ihre Subventionspolitik danach ausrichten, bleibt abzuwarten.