"FC Dschihad" gegen "SC Holocaust"?
Wegen der Äußerungen des iranischen Präsidenten fordert der Europaabgeordnete Daniel Cohn-Bendit den Ausschluss Irans von der Fußball-WM
Nachdem der iranische Präsident Ahmadinedschad den Holocaust als Mythos bezeichnet und aufgefordert hatte, Israel von der Landkarte „auszuradieren“ bzw. nach Deutschland und Östereich zu verlegen (Ahmadinedschad in Konkurrenz mit Osama?), hat der europäische Grünen-Abgeordnete Daniel Cohn-Bendit einen ungewöhnlichen Vorschlag gemacht, nämlich als Strafe den Iran von der Fußball-WM auszuchließen.
Weil die von Kopfschütteln bis Entsetzen reichenden Reaktionen auf die Äußerungen des iranischen Präsidenten in der westlichen Welt nicht ausreichten und folgenlos blieben, forderte Cohn-Bendit im Europa-Parlament den Ausschluss des iranischen Teams bei der kommenden Weltmeisterschaft. Nur so könne man die Bevölkerung im Iran von ihrem Präsidenten abspalten.
In einem Interview mit der taz begründete er seine Idee:
taz: Herr Cohn-Bendit, Sie wollen den Iran von der Fußball-WM 2006 ausschließen, weil Präsident Mahmud Ahmadinedschad den Holocaust leugnet und zum vom Westen "erfundenen Märchen" erklärt. Was soll das bringen?
Daniel Cohn-Bendit: Hören Sie, dass Politiker sagen, sie seien entsetzt und schockiert, das ist doch ein Ritual, aus dem nichts folgt. Dieser Mann ist der gewählte Präsident. Die Frage ist: Wie kriegen wir die Leute im Iran dazu, ihn fortzujagen?
Indem Sie den Menschen im Iran die WM wegnehmen?
Das Argument ist richtig, dass man damit die Menschen bestraft. Das ist immer ein Problem, auch bei einem Wirtschaftsembargo. Man muss aber sehen, dass Ahmadinedschad erst vor kurzem mit satter Mehrheit gewählt wurde. Nehmen Sie die Olympischen Spiele 1936, die man in Deutschland stattfinden ließ und nicht boykottierte. Was konnte das arme deutsche Volk dafür, dass Hitler da war?
Ahmadinedschad ist nicht Hitler.
Er spricht nur wie Hitler. Was er sagt, das sind Naziparolen. Es geht darum, den Iranern klar zu machen, dass nicht wir sie isolieren, sondern dass ihr Präsident sie von der Welt isoliert. Das ist der Gedanke, und den möchte ich diskutieren.
Vor allem graust Cohn-Bendit davor, dass der iranische Präsident das Spiel Iran gegen Mexiko in Nürnberg besuchen könnte:
Stellen Sie sich vor, Ahmadinedschad sagt, er will das Spiel besuchen - und das Reichsparteitagsgelände in Nürnberg. Was macht dann die Bundesregierung? Ihm einen Empfang bereiten wie 1967 dem Schah? Die Negierung des Holocaust ist in Deutschland strafbar. Die Regierung müsste sagen: Wenn du kommst, wirst du verhaftet.
Nun ist die Bundesregierung, was die Verhaftung ausländischer Staatsgäste betrifft, die gegen deutsche Gesetze – wie etwa die Sanktion von Folter oder das Verbot von Angriffskriegen – verstoßen, bekanntermaßen großzügig. Dass Generalbundesanwalt Kay Nehm, der Ermittlungen in Sachen CIA-Folter ablehnte, weil es sich beim Fall al-Masri nicht um „Verschleppung“, sondern nur um „Entführung“ gehandelt hätte, deswegen in rechtliche Schwierigkeiten geraten würde, ist kaum zu erwarten. Dennoch lautet Cohn-Bendits Minimalforderung, Irans Präsidenten zumindest mit einem Einreiseverbot zur WM zu belegen. Und ein Match Iran gegen Israel mit Hin- und Rückspiel anzusetzen:
Die Iraner müssten in diesem Fall die Fahne, die Hymne und damit die Realität der israelischen Existenz fußballerisch und damit real anerkennen.
Nun hat es Israel fußballerisch nicht zur WM geschafft und weder die iranischen noch die israelischen Kicker samt ihrer Fans hätten gegen ein solches Freundschaftsspiel irgend etwas einzuwenden. Dennoch sind Cohn-Bendits Maximal- und Minimalforderungen eine Schnapsidee, freilich eine, die in sein Programm passt. Der „rote Dany“, als 68er Ikone und Vietnamkriegsgegner mittlerweile zum „grünen Eurofighter“ gewendet, hat sich mit seiner Unterstützung der Kriege gegen Jugoslawien und Afghanistan seit einiger Zeit als Scharfmacher profiliert. Da passt es ins propagandistische Bild, nach Saddam jetzt auf dem Umweg über den Fußball den Ahmadinedschad als nächsten „Hitler“ aufzubauen - und nebenbei mit schrillen und undurchsetzbaren Forderungen den untergehenden Stern des „Sponti“-Provokateurs zu polieren.
Wie sein Kumpel Joschka Fischer ist auch Cohn-Bendit langjähriger Freizeitkicker und Fußballliebhaber und hätte aus diesem Grund besser den Mund gehalten, anstatt den sauber geregelten Sport mit unsauberer Politik zu kontaminieren. Im Fußball kommt der siegreiche „FC Dschihad“ nicht ins Paradies, sondern erhält nur einen Blechpokal – und der „SC Holocaust“ kann nicht aus Sicherheitsgründen beliebig die Grenzen seines Strafraums erweitern. Gott sei Dank. Im Übrigen hat schon Wolfgang Neuss, der einst mit Danys 68er-Genosse Rudi Dutschke beim „FC Schmiere“ kickte, zur politischen Funktion von Massenereignissen wie der kommenden WM die definitive Parole ausgegeben: „Aufgabe des Fußballs ist es, den Nationalismus in Folklore zu verwandeln.“