Fall NSU: "Verschwörungstheorie" - Ein substanzloser Begriff hat Konjunktur

Seite 2: Es geht um die Absicherung des Deutungsmonopols des Sicherheitsapparates

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Zehn Morde sind keine Verschwörungstheorie, aber elf wären es? Warum soll die Möglichkeit der Verwicklung Böhnhardts in den Mord an Peggy eine Verschwörungstheorie sein, aber die Möglichkeit, dass er der Mörder von Kiesewetter ist, keine? Und umgekehrt: Warum ist eine Verschwörungstheorie vom Tisch, wenn Böhnhardt im einen Fall nicht der Mörder war, aber es wird eine behauptet, wenn Zweifel an seiner unmittelbaren Täterschaft im anderen Fall geäußert werden? Geht es dem Politmagazin gar nicht darum, dass keine falschen Schlüsse gezogen werden, sondern um die Verteidigung einer Ordnung?

Was beliebig aussieht, folgt einer Logik: Der Absicherung des Deutungsmonopols des Sicherheitsapparates. Mal ist es opportun, jemanden als Täter zu bezeichnen, mal, es nicht zu tun. Das RAF-Mitglied Verena Becker war eine V-Frau, möglicherweise schon zur Tatzeit. So jemand darf nicht der Mörder des Generalbundesanwaltes sein.

Und im Fall Peggy: Kindesmissbrauch, Kindermord - diese Tür wollte man im sowieso schon komplexen NSU-Komplex nicht auch noch öffnen. Auch das hätte Zweifel am einsamen Terrortrio schüren können.

Stattdessen nimmt man eine der abenteuerlichsten Geschichten in Kauf: Die DNA Böhnhardts fand sich auf einem Stoffteilchen so groß wie ein halber Fingernagel. Das soll im ausgebrannten Wohnmobil von Eisenach gesichert worden sein, Teil eines Kopfhörers von Böhnhardt. Dann wird dieses Teilchen fast fünf Jahre später an den Fundort von Peggy gebracht und dort sichergestellt. Wie und durch wen es dort hinkam, können die Behörden nicht sagen. Aber sie sagen gleichzeitig, dass dieses Verbringen nicht vorsätzlich geschehen sei. Wie sie darauf kommen, erklären sie wiederum nicht. Wo das Teilchen fünf Jahre lag, auch nicht. Und auch nicht, warum es keine Asservatennummer hat.

Eine Darbietung, die für eine veritable Verschwörungstheorie mehr als ausreichen würde - in diesem Fall allerdings wäre es eine offizielle. Vielleicht wird sie deshalb nicht so genannt. Denn für mögliche Manipulationen seitens der Behörden wurde ja der Begriff "Panne" erfunden. Und die "Pannentheorie" ist gewissermaßen die Kehrseite der Verschwörungstheorie.

Der Begriff "Verschwörungstheorie", daran hat Markus Kompa kürzlich in Telepolis erinnert (50 Jahre Verschwörungstheoretiker), wurde von Geheimdiensten, unter anderem der CIA, kreiert und in Umlauf gebracht, um Kritik an den Praktiken der Geheimdienste zu diffamieren. Das war vor 50 Jahren. Aber die Strategie ist offensichtlich bis heute erfolgreich. Die Urheber haben inzwischen nämlich Helfer und Helfershelfer. Siehe Bundesanwaltschaft, "Panorama", Süddeutsche - und noch ein paar mehr.

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