Fall Omaima A.: Späte Reaktion
Die seit 2016 in Hamburg lebende IS-Rückkehrerin Omaima A. wurde festgenommen und dem Bundesrichter vorgeführt, der Untersuchungshaft anordnete
"Hätte, wäre, könnte" ist an sich immer wenig hilfreich. Jedoch: Hätte die libanesische Journalistin Jenan Moussa bei ihren Recherchen in Syrien und im Irak nicht zufällig das Handy der Hamburgerin Omaima A. gefunden und die darauf gespeicherten Daten ausgewertet (Die Bildergeschichte der Frau von Deso Dogg), wäre sie dieser Spur nicht bis in die Hansestadt gefolgt, dann könnten wir vermutlich davon ausgehen, dass die IS-Rückkehrerin nie enttarnt, geschweige denn verhaftet worden wäre. Danke, Jenan Moussa, für Ihr Engagement.
Bekannt ist, dass Omaima A. mit drei Kindern im Januar 2015 zum IS ausreiste und dort mit ihrem damaligen Ehemann Nadar H. zusammentraf. Nachdem dieser bei einem Gefecht um Kobane ums Leben kam, heiratete sie den deutschen IS-Kämpfer Denis Cuspert alias Deso Dogg, dem vermutlich hochrangigsten deutschen IS-Mitglied überhaupt. Mit dem vierten Kind schwanger verließ sie im September 2016 Syrien und kehrte nach Hamburg zurück, wo sie sich unbehelligt eine Existenz als Beauty-Beraterin aufbauen konnte.
Im April 2019 machte Jenan Moussa ihre Entdeckung öffentlich. Etwa fünf Monate später, am 9. September 2019, klingelte das Hamburger LKA bei der IS-Rückkehrerin, um sie festzunehmen und dem Bundesrichter vorzuführen, der am vergangenen Dienstag Untersuchungshaft anordnete. Laut eigenen Angaben wirft der Generalbundesanwalt ihr vor, die Kinder im Sinne der IS-Ideologie erzogen, selbst Gewalt ausgeübt und versucht zu haben, weitere Personen zur Ausreise zum IS zu animieren. In der Pressemitteilung des Generalbundesanwalts heißt es:
Die Beschuldigte ist dringend verdächtig, sich als Mitglied an der ausländischen terroristischen Vereinigung "Islamischer Staat (IS)" beteiligt zu haben (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB). Im Zusammenhang hiermit besteht zudem der dringende Tatverdacht der Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht (§ 171 StGB) und des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz (§ 22a Abs. 1 Nr. 2 KrWaffKontrG).
Generalbundesanwalt
Harter Tobak. Doch wie konnte es sein, dass eine Frau, der derart schwerwiegende Vorwürfe gemacht werden, unbehelligt in Hamburg leben konnte?
"Sie lebt dort, als sei nichts geschehen", konstatiert Jenan Moussa in einem kurzen Video, das sie anlässlich der Verhaftung auf Twitter veröffentlichte. Nicht nur in Deutschland, überall in Europa hätten die Regierungen und die Strafverfolgungsbehörden das Problem, dass sie den IS-Rückkehrern und auch den Rückkehrerinnen Straftaten nicht nachweisen könnten. Aber in dem Fall sei es anders gewesen, so die Journalistin, denn sie persönlich hätte den zuständigen Behörden die Beweise geliefert.
Trotz der allgemein schwierigen Beweislage ist es erstaunlich, dass Omaima A. unerkannt dort untertauchen konnte, wo sie vor ihrer Ausreise lebte - und schon damals einschlägig bekannt war. Eine der Fragen, die zu klären wären, ist, ob sie nach wie vor Kontakt zur Szene hielt, aus der sie ins Kalifat ausgereist war.
Auch war sie nicht mit irgendeinem Gotteskrieger verheiratet, sondern mit einem Deutschen, der es vor dem Dschihad als Rapper einigermaßen zu Ansehen gebracht hatte und der als hochrangiges IS-Mitglied galt. Völlig unverständlich, dass dessen Ehefrau nicht beobachtet und bei ihrer Einreise umgehend festgesetzt wurde.
Als der Fall im Frühjahr publik wurde, gaben die Hamburger Behörden an, sie seien im Bilde. Angesichts der Vorwürfe, die die Generalbundesanwaltschaft nun erhebt, ist es unverantwortlich gegenüber der Hamburger Bevölkerung, eine mutmaßliche Terroristin einfach so machen zu lassen - und es ist unverantwortlich, die Kinder weiterhin einer möglichen Indoktrination seitens ihrer Mutter auszusetzen. Seit vergangenem Montag befinden sich die Kinder in staatlicher Obhut.
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