Fehler oder Teil einer psychologischen Kriegsführung?
Über den Tweet, wonach Erdogan in der Nacht des versuchten Staatsstreichs Asyl in Deutschland gesucht habe soll
Es ist ein interessantes Detail, von dem die Tageszeitung die Welt im Zusammenhang mit dem gescheiterten Putsch in der Türkei berichtete: "Hochrangige Quelle des US-Militärs sagt NBC..., Erdogan wird in Deutschland um Asyl bitten."
Dieser Tweet, ausgesendet vom US-amerikanischen Fernsehsender NBC, sorgte in der Nacht des Putsches für einigen Wirbel. War die Lage wirklich so schlimm? War die Macht der Putschisten bereits so groß, dass der Staatspräsident der Türkei nicht mehr in seinem Land bleiben konnte und nach Deutschland fliehen musste?
Wäre Recep Tayyip Erdogan in dieser Nacht vom 15. auf den 16 Juli tatsächlich nach Deutschland geflüchtet: Die Situation in der Türkei hätte vielleicht eine ganz andere Wendung genommen. Wie hätten die Türken, die eigentlich auf Erdogans Seite stehen, reagiert, wenn ihr Präsident, dem sie bereit sind, die Treue zu halten, das eigene Land verlässt?
Man kann darüber spekulieren, wie der Putsch unter diesen Umständen ausgegangen wäre, aber wenn der Präsident eines Landes, in dem gerade ein Umsturzversuch von Teilen des Militärs stattfindet, in solch einer Situation aus dem Land flüchtet, dürfte die psychologische Wirkung weitreichend sein. Zumal wenn er ausgerechnet nach Deutschland wollte. Dem Tweet kommt demnach eine wichtige Bedeutung zu. Wie konnte es zu der Twittermeldung kommen? Wer genau hat sie abgesetzt und: warum?
Die Welt hat sich näher mit dem Tweet auseinandergesetzt und berichtet: Kyle Griffin, ein Journalist des Senders NBC, hat die Nachricht verbreitet, außerdem habe er mittlerweile den Tweet gelöscht und verweigere "aber ebenso wie MSNBC bislang jeden Kommentar".
Wie die Welt weiter ausführt, hat der US-amerikanische Thinktank Stratfor, der sich in seiner Selbstbeschreibung als "Informationsdienst" versteht und von kritischen Beobachtern als eine Art "privater Geheimdienst" umschrieben wird, die NBC-Meldung ebenfalls per Twitter verbreitet. Noch nachdem Stratfor auch einen Tweet darüber abgesetzt hat, dass Erdogan in der Nacht des Putsches zu seinen Anhängern sprach, schickte Stratfor den Tweet von einem angeblich in Deutschland asylsuchenden türkischen Präsidenten unter Berufung auf NBC ab.
Die Welt beruft sich in ihrem Artikel auf die ehemalige FBI-Mitarbeiterin und türkisch-amerikanische Whistleblowerin Sibel Edmonds. Edmonds, die nach den Anschlägen vom 11. September als Übersetzerin für das FBI arbeitete und Aufnahmen im Zusammenhang mit den Anschlägen übersetzte, wurde bekannt, als sie auf die Brisanz der von ihr angehörten Tonbänder aufmerksam machte. Unter anderem legte sie dar, dass die USA Monate vor 9/11 Hinweise auf Anschläge mit Flugzeugen hatten und, dass es eine engere Zusammenarbeit zwischen den Vereinigten Staaten und Osama bin Laden gab, als es öffentlich kommuniziert wurde. Der Fall, wenngleich von Medien in Deutschland kaum beachtet, schlug hohe Wellen und die USA verboten Edmonds, ihre Einsichten zu verbreiten (Was wusste US-Präsident Bush - und warum wollte er nichts davon wissen?).
Auf eben jene Sibel Edmonds bezieht sich nun Die Welt in ihrem Artikel und gibt plötzlich dem "verschwörungstheoretischen Moment" im Zusammenhang mit dem Putsch in der Türkei Raum. Offen spricht das Blatt die Vorwürfe aus der Türkei an, wonach "ausländische Drahtzieher" an dem Putsch beteiligt sein könnten.
Auf dem alternativen Informationsportal Boiling Frogs Post (BFP) , das von Edmonds begründet wurde, wird darüber diskutiert, ob es sich bei dem Tweet lediglich um eine Falschmeldung unter dem Druck der sich überstürzenden Ereignissen gehandelt hat oder ob man es hier mit psychologischer Kriegsführung zu tun haben könnte. BFP geht mittlerweile davon aus, dass es sich bei dem "hochrangigen Militär", auf den sich Griffin stützt, um einen ehemaligen Kommandeur der NATO handele.