Feindeslisten: "Gefährdendes Verbreiten personenbezogener Daten" wird strafbar
Laut Kabinettsbeschluss reicht es bereits, wenn eine Person betroffen ist. Allerdings wird damit nicht generell verboten, kritisch über namentlich genannte Akteure politischer Gruppen zu berichten
Was Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) zu einem Kabinettsbeschluss an diesem Mittwoch erklärt hat, entspricht auf den ersten Blick Forderungen, die seit Jahren im demokratischen Spektrum erhoben werden: "Wir stellen jetzt die Verbreitung von 'Feindeslisten' ausdrücklich unter Strafe. Damit gehen wir klar und entschieden gegen ein Klima der Angst und der Einschüchterung vor, das von Hetzern geschürt wird." Die Ministerin verwies darauf, dass auch der im Juni 2019 ermordete Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke (CDU) auf einer Feindesliste von Neonazis gestanden hatte.
Das Wort "Feindesliste" kommt im neuen Gesetzestext laut Regierungsentwurf allerdings nicht vor. Es wird nur mehrfach in den Ausführungen zu seiner Begründung erwähnt. Der Straftatbestand des neuen Paragraphen 126a lautet demnach: "Gefährdendes Verbreiten personenbezogener Daten". Dabei muss es sich auch nicht um ganze Listen handeln - im Zweifel reicht es, wenn eine einzige Person betroffen ist:
"Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (…) personenbezogene Daten einer anderen Person in einer Art und Weise verbreitet, die geeignet ist, diese Person oder eine ihr nahestehende Person der Gefahr
1. eines gegen sie gerichteten Verbrechens oder
2. einer gegen sie gerichteten sonstigen rechtswidrigen Tat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder gegen eine Sache von bedeutendem Wert auszusetzen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Handelt es sich um nicht allgemein zugängliche Daten, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. (...)"
Laut Absatz 3 gilt hier aber die gleiche Einschränkung wie für den Tatbestand "Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen" in Paragraph 86: Auch dies ist nämlich nicht strafbar, "wenn die Handlung der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient". Das heißt in diesem Fall: In einem Spielfilm, der im Jahr 1938 spielt, müssen Nazisymbole nicht verpixelt werden. In einem kritischen Fernsehbericht, der Besucher eines Rechtsrock-Konzerts mit verbotenen Nazisymbolen auf den T-Shirts oder in Form von Tattoos zeigt, auch nicht.
Im Fall des neuen Paragraphen 126a bezieht sich der Hinweis vor allem auf die Stichworte "staatsbürgerliche Aufklärung", und "Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen". Das heißt: Wenn es belegbar ist, darf öffentlich erwähnt werden, dass eine namentlich genannte Person, die zum Beispiel als Lehrkraft arbeitet, einer Nazi-Kameradschaft oder einer salafistischen Organisation angehört. Wenn es dafür allerdings keine belastbaren Belege gibt, kann die Behauptung als üble Nachrede angezeigt und strafrechtlich verfolgt werden. Aber das ist ein anderer Straftatbestand.
Die Einschränkung in Absatz 3 des neuen Paragraphen 126a wurde hinzugefügt, nachdem unter anderem gerade Politikerinnen, die selbst mehrfach Drohungen von Neonazis erhalten hatten, den Referentenentwurf kritisiert hatten. Unter anderem die Bundestagsabgeordnete Martina Renner und die Thüringer Landtagsabgeordnete Katharina König-Preuss (beide Die Linke) hatten zunächst befürchtet, das Gesetz könne sich gegen "antifaschistische Recherchearbeit" richten.
Daraufhin war der Gesetzentwurf überarbeitet worden. Der Bundestag muss der neuen Version noch zustimmen. Wie die Regelung in der Praxis ausgelegt werden wird, bleibt abzuwarten.
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