Fernsehen macht glücklich
Worin sich Hühner und Menschen gleichen
Hühner sind natürlich etwas anderes als Menschen. In unseren Zeiten werden sie eng zusammengestopft in riesigen Legebatterien gehalten - und sind unglücklich und ängstlich. Sie legen weniger und kleinere Eier und langweilen sich wegen der Öde ihrer künstlichen Lebenswelt, was dann auch Verhaltensstörungen oder zu Aggressionen gegenüber den anderen eingesperrten Artgenossen führt. Stellt man ihnen hingegen einen Fernseher in den Käfig, beginnen sie wieder aufzuleben. Allmählich geht also auch unsere Haustierwelt vom Zeitalter des Radios und einer bloßen akustischen Beschallung ins Fernsehzeitalter über.
Wir Menschen werden zwar nicht in solchen Massengefängnissen gehalten, aber auch wir leben immer mehr in großen Städten oder vielleicht in Zukunft in irgendwelchen Biosphären oder Raumschiffen, in denen wir dicht zusammengedrängt existieren. Diese künstlichen Welten sind oft nicht sehr anregend und müssen daher durch Spektakel kompensiert werden. Die in Vortortsiedlungen, Ghettos oder Slums aufwachsenden Jugendlichen sorgen ansonsten gerne durch Vandalismus und Kleinkriege für die notwendige Abwechslung. Ähnlich wie bei den Hühnern haben wir unsere Lebenswelt allerdings bereits durch heftigen Medienkonsum erweitert, dessen Umfang und Ausrichtung durchaus eine vergleichbar Ursache haben könnte.
Forscher vom Roslin-Institut, das durch das Klonen von Dolly bekannt wurde, haben im Zuge eines staatlich finanzierten Programms nach Möglichkeiten gesucht, die kommerziellen Einbußen durch die Massentierhaltung zu reduzieren. Ihr Ansatz ist, wie so oft, nicht gerade sehr einleuchtend, aber in der Technik üblich und dem Medienzeitalter angemessen. Sie stellten also einfach einen Fernseher in den Käfig und ließen für 10 Minuten ein Programm laufen. Eingeschlagen haben bereits einfache, sich bewegende Muster, die Bildschirmschonern gleichen. Bald kamen die Hühner angelaufen und versammelten sich interessiert vor der Glotze. Das kennen wir schließlich auch: sobald sich auf dem Bildschirm etwas bewegt, ist unser Blick wie magisch davon angezogen.
Am liebsten würden sie natürlich zappen. Zeigte man den Hühnern ein Programm über längere Zeit hinweg und bot ihnen dann neue Bilder an, so zogen sie diese natürlich vor. Selbst Hühner lieben Abwechslung, und ihre Aufmerksamkeit wird von Neuheit angezogen. Allerdings sei es wohl nicht praktikabel, in jeden Käfig einen Fernseher zu stellen, bekennen die Wissenschaftler. Wenn man einmal die Art von Programmen kennt, die Hühner glücklich und couch potatoes machen, dann sollte man eher an die Decke oder an eine Wand die Bilder projizieren, also ein Hühnerkino machen. Vielleicht sollte man den erlebnishungrigen Hühnern auch eine Fernschaltung zur Verfügung stellen, um bei erneut sich einstellender Langeweile das Programm wechseln oder im blinkenden Web surfen zu können. Kürzlich wurde wieder einmal festgestellt, daß die meisten Amerikaner übergewichtig sind, weil die Medien sie träge machen. Bei Tieren könnte das zu Gewinnen führen.
Gibt man den Hühnern etwas zum Spielen, dann geht es ihnen auch schon besser. Das wäre vielleicht auch, neben einer anderen, aber leider wohl etwas teueren Tierhaltung eine Alternative zum Glotzen - für Tier und Mensch. Andererseits liegt in dieser Kompensation eine Chance für Informationsanbieter, die Content nicht nur für Menschen, sondern auch für Tiere machen und verkaufen können.